Noch entscheidender aber für den Nachweis, daß die Inder die Sterne beobachtet haben, und zwar auf dieselbe Art wie wir, indem sie ihren Ort durch ihre Länge bestimmten, ist der Bericht des Augustin Riccius, daß nach Beobachtungen, welche dem Hermes zugeschrieben wurden und 1 985 Jahre vor Ptolemäus gemacht sind, der helle Stern der Leyer und jener des Herzens der Hydra, beide um je sieben Grade weiter vorne standen als zur Zeit dieses Astronomen. Diese Bestimmung erscheint ganz außergewöhnlich. Die Sterne rücken beständig vor in Bezug auf das Äquinoktium; Ptolemäus mußte die Längen um 28 Grade größer finden, als sie 1 985 Jahre vor ihm waren. In dieser Tatsache lag obendrein ein besonderer Umstand; man fand denselben Fehler oder denselben Unterschied in dem Orte beider Sterne wieder; dieser Unterschied gehörte somit einer Ursache an, welche alle beide auf gleiche Art beeinflußte. Um diese Besonderheit zu erklären, stellte sich der Araber Tebith vor, daß die Sterne eine Oscillationsbewegung haben, welche sie bald vorschreiten, bald zurückweichen macht. Diese Hypothese war leicht zerstört; aber die dem Hermes zugeschriebenen Beobachtungen blieben ohne Erklärung. Diese Erklärung findet sich in der indischen Astronomie. Zur angegebenen Zeit dieser Beobachtungen, 1 985 Jahre vor Ptolemäus, ging der Anfang des indischen Tierkreises dem Äquinoktium um 35 Grade voran; die Längen, die danach gezählt wurden, waren somit um 35 Grad jenen voraus, die vom Äquinoktium aus gezählt wurden. Aber nach Verlauf von 1 985 Jahren, da die Sterne um 28 Grade weitergerückt waren, fanden sich nur mehr sieben Grade Unterschied zwischen den Längen des Ptolemäus und jenen des Hermes, und der Unterschied ist für beide Sterne derselbe, weil er dem Unterschiede der Anfangspunkte des indischen Tierkreises und des Tierkreises des Ptolemäus, welcher mit dem Äquinoktium anfängt, angehört. Diese Erklärung ist so einfach und so natürlich, daß sie nicht anders sein kann. Wir wissen nicht, ob der im Altertume berühmte Hermes ein Inder gewesen ist, aber wir sehen, daß die Beobachtungen, welche ihm zugeschrieben werden, nach der indischen Methode aufgezeichnet sind; wir schließen daraus, daß Inder dieselben gemacht haben: diese konnten daher alle die Beobachtungen gemacht haben, welche wir soeben einzeln aufgezählt haben, und welche ihre Tafeln uns erkennen lassen. Sechstens ist die Beobachtung des Jahres 3102, welche die Epoche begründet zu haben scheint, nicht schwierig anzustellen gewesen. Man bemerkt, daß die Inder, sobald sie die tägliche Bewegung des Mondes zu 13° 10’ 35’’ erkannt hatten, sich derselben bedient haben, um den Tierkreis in 27 Konstellationen zu teilen, mit Beziehung auf den Mond, welcher ungefähr 27 Tage braucht, um ihn zu durchlaufen. Durch dieses Hilfsmittel haben sie den Ort der Sterne auf dem Tierkreise bestimmt; auf diese Art haben sie auch gefunden, daß der helle Stern der Leyer in 8s 24° und das Herz der Hydra in 4s 7° stand: Längen, welche dem Hermes zugeschrieben werden, welche aber auf dem indischen Zodiak gezählt sind. So haben sie auch erkannt, daß die Kornähre der Jungfrau den Anfang ihrer 15ten Konstellation bildete, und das Auge des Stieres das Ende der vierten; denn von diesen Sterne steht der eine in 6s 6° 40’, und der andere in 1s 23° 20’ des indischen Zodiaks. Dieses festgestellt, hat die Mondfinsternis, die vierzehn Tage nach der Epoche des Kaliyuga eintrat, an einem zwischen der Kornähre der Jungfrau und dem Sterne [korrekter Abdruck siehe Buch] desselben Sternbildes gelegenen Punkte stattgefunden. Diese Sterne sind ziemlich genau um das Intervall einer Konstellation voneinander entfernt; der eine eröffnet die fünfzehnte, der andere die sechzehnte. Es war daher nicht schwierig, den Ort des Mondes zu bestimmen, durch die Abmessung seines Abstandes von einem der beiden Sterne; man schloß daraus auf den Ort der Sonne, welche in Opposition stand; und dann berechnete man auf Grund der Kenntnis der mittleren Bewegungen, daß sich der Mond am Anfangspunkte dieses Zodiaks nach seiner mittleren Länge um Mitternacht zwischen dem 17. und dem 18. Februar des Jahre 3102 vor unserer Zeitrechnung befunden hat, und daß sich die Sonne ebendaselbst sechs Stunden später nach ihrer wahren Länge befunden hat: ein Umstand, welcher den Anfang des indischen Jahres fixiert. Siebentens stellen die Inder fest, daß im Jahre 20400 vor dem Zeitalter Kaliyuga der Anfang ihres Tierkreises dem Frühlingstagundnachtgleichenpunkt entsprach, und daß die Sonne und der Mond darin in Konjunktion standen. Es ist wohl ersichtlich, daß diese Epoche erdichtet ist; [33] aber man kann nachforschen, von welchem Punkte, von welcher Epoche die Inder ausgegangen sind, um dieselbe aufzustellen. Wenn man die indische Sonnenumlaufszeit mit 365d 6h 12m 30s, und die entsprechende Mondumlaufszeit mit 27d 7h 43m 13s nimmt, so sind
Dies ist, was man findet, wenn man von der Epoche des Kaliyuga ausgeht; und die Behauptung der Inder, daß damals eine Konjunktion stattgefunden hat, ist thatsächlich in ihren Tafeln begründet; wenn man aber, bei Benützung derselben Elemente, von der Epoche des Jahre 1491 oder von der anderen nach 1282 versetzten ausgeht, von der wir in der Folge sprechen werden, so wird man nahezu einen oder zwei Tage Unterschied finden. Es ist natürlich und gerecht, bei der Nachprüfung der Rechnung der Inder jene von ihren Elementen zu nehmen, welche dasselbe Resultat geben, wie das ihre, und von jener von ihren Epochen auszugehen, welche die fingierte Epoche wiederfinden läßt. Da sie nun, um diese Berechnung anzustellen, von ihrer wirklichen Epoche ausgehen mußten, von jener, welche auf einer Beobachtung begründet war, und nicht von jenen, welche durch die Rechnung selbst abgeleitet waren, so folgt daraus, daß ihre wirkliche Epoche jene des Jahre 3102 vor unserer Zeitrechnung ist. Achtens geben uns die Tirvalour Brâhmanen die Bewegung des Mondes mit 7s 2° 0’ 7’’ auf dem beweglichen Zodiak, oder mit 9s 7° 45’ 1’’ in Bezug auf das Äquinoktium, während eines großen Intervalles von 1 600 984 Tagen oder 4 383 Jahren und 94 Tagen. Wir glauben, daß diese Bewegung durch Beobachtung bestimmt ist. Wir wollen zuerst sagen, daß dieses Intervall eine Erstreckung hat, die es wenig bequem für den Gebrauch und für die Berechnung der mittleren Bewegungen macht. Die Inder verwenden in ihren astronomischen Berechnungen Intervalle von 238,3031
und 12 372 Tagen; aber abgesehen davon, daß diese Intervalle, weil
sie viel kürzer sind, nicht die Unbequemlichkeit des ersteren haben, schließen
sie eine ganze Anzahl von Umläufen des Mondes in Bezug auf sein Apogäum
in sich. Sie sind in Wirklichkeit mittlere Bewegungen. Das große Intervall
von 1 600 984 Tagen ist keine Summe von zusammengefaßten Umläufen;
es besteht kein Grund dafür, weshalb es eher 1 600 984 als 1 600 985 Tage
umfassen soll. Es scheint, daß allein die Beobachtung die Anzahl
der Tage entschieden und ihren Anfang und ihr Ende bestimmt haben müsse.
Dieses Intervall endete am 21. Mai des Jahres 1282 unserer Zeitrechnung
um 5h 15m 30 B Benares-Zeit. Der Mond
war damals in seiner Erdferne, nach den Indern, und hatte zur
Länge ................................................. 7s
13° 45’ 1’’ Die Bestimmung der Brâhmanen weicht somit für den Ort des Mondes nur um acht bis neun Minuten ab, und um 22 Minuten für den des Apogäums; und es ist ganz klar, daß sie diese Übereinstimmung mit unseren besten Tafeln und diese Genauigkeit am Himmel nur durch die Beobachtung erlangen konnten. Wenn die Beobachtung thatsächlich das Ende des Intervalles bestimmt hat, so ist es vollkommen am Platze zu glauben, daß eine ähnliche Beobachtung auch den Anfang desselben bezeichnete. Aber dann muß diese Bewegung, welche unmittelbar bestimmt und der Natur entnommen ist, eine große Übereinstimmung mit den wahren Himmelsbewegungen besitzen. [33] Warum sie „erdichtet“ sein soll, kann von europäischen Gelehrten niemals klar gemacht werden
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