STROPHE I. - Fortsetzung.

7. DIE URSACHEN DES DASEINS WAREN BESEITIGT (a); DAS SICHTBARE, WELCHES WAR, UND DAS UNSICHTBARE, WELCHES IST, RUHTEN IM EWIGEN NICHTSEIN - DEM EINEN SEIN (b).

(a) "Die Ursachen des Daseins" bedeuten nicht bloß die der Wissenschaft bekannten physischen Ursachen, sondern die metaphysischen Ursachen, deren hauptsächlichste das Verlangen nach Existenz ist, welches aus Nidâna und Mâyâ entspringt. Dieses Verlangen nach fühlendem Leben zeigt sich in jedem Ding, vom Atom bis zur Sonne, und ist eine in objektive Existenz, in ein Gesetz, daß das Weltall existieren solle, getriebene Reflexion des göttlichen Gedankens. Nach der esoterischen Lehre bleibt die wirkliche Ursache dieses vermuteten Verlangens, und aller Existenz, für immer verborgen und ihre ersten Offenbarungen sind die reinsten Abstraktionen, die das Gemüt vorstellen kann. Diese Abstraktionen müssen mit Notwendigkeit als die Ursache des materiellen Universums, das sich den Sinnen und dem Intellekt darbietet, postuliert werden; und müssen den sekundären und untergeordneten Kräften der Natur zu Grunde liegen, welche anthropomorphisiert als "Gott" und "Götter" von der großen Herde eines jeden Zeitalters verehrt worden sind. Es ist unmöglich, sich etwas ohne Ursache vorzustellen; der Versuch, es zu thun, bringt das Gemüt außer Fassung. Dies ist thatsächlich der Zustand, in den das Gemüt schließlich kommen muß, wenn wir es versuchen, die Kette der Ursachen und Wirkungen zurückzuverfolgen, aber Wissenschaft wie Religion springen in diesen Zustand der Leere viel rascher als notwendig; denn sie ignorieren die metaphysischen Abstraktionen, welche die einzigen begreifbaren Ursachen der physischen Konkrete sind. Diese Abstraktionen werden immer konkreter, je mehr sie sich unserer Daseinsebene nähern, bis sie endlich in der Form des materiellen Weltalls in die Erscheinung treten, durch einen Vorgang der Verwandlung des Metaphysischen ins Physische, analog dem, durch welchen Dampf zu Wasser verdichtet, und das Wasser zu Eis gefroren werden kann.

(b) Die Idee eines "ewigen Nichtseins", welches das "Eine Sein" ist, wird jedem paradox erscheinen, der sich nicht daran erinnert, daß wir unsere Vorstellungen vom Sein auf unser gegenwärtiges Existenzbewußtsein beschränken; daß wir es zu einem specifischen, statt zu einem allgemeinen Ausdruck machen.
Ein ungeborenes Kind würde, wenn es in unserem Sinne denken könnte, notwendigerweise seinen Seinsbegriff auf ähnliche Weise auf das intra-uterine Leben, das es allein kennt, beschränken; und sollte es den Versuch machen, seinem Bewußtsein die Idee des Lebens nach der Geburt (seinem Tode) auszudrücken, so würde es, mangels von Daten, auf die es sich stützen könnte, und von Fähigkeiten, solche Daten zu verstehen, wahrscheinlich dieses Leben als "Nichtsein, welches das wirkliche Sein ist" bezeichnen. In unserem Fall ist das Eine Sein das Ding an sich aller Dinge an sich, die, wie wir wissen, den Phänomenen zu Grunde liegen und ihnen jeden Schatten von Realität, den sie besitzen, geben müssen, zu deren Erkenntnis wir aber gegenwärtig weder Sinne noch Intellekt haben. Die unfühlbaren Goldatome, die in der Masse einer Tonne goldführenden Quarzes verteilt sind, mögen, für das bloße Auge des Bergmannes unwahrnehmbar sein, und doch weiß 'er nicht bloß, daß sie vorhanden sind, sondern auch, daß sie allein seinem Quarz irgend einen bestimmbaren Wert geben; und dieses Verhältnis von Gold und Quarz mag eine schwache Andeutung dessen von Ding an sich und Erscheinung geben.
Aber der Bergmann weiß, wie das Gold aussehen wird, wenn es aus dem Quarz geschieden ist, während der gewöhnliche Sterbliche sich keinen Begriff von der Wirklichkeit der Dinge machen kann, so wie sie von Mâyâ getrennt sind, die sie verhüllt, und in der sie verborgen sind. Allein der Initiierte, reich an der Lehre, die zahllose Generationen seiner Vorgänger erworben haben, richtet das "Auge des Dangma" auf die Wesenheit der Dinge, auf die keine Mâyâ irgendwelchen Einfluß haben kann. Hier sind die Lehren der esoterischen Philosophie über die Nidânas und die vier Wahrheiten von der höchsten Wichtigkeit; aber sie sind geheim.