STROPHE II.

1 . . . . WO WAREN DIE BAULEUTE, DIE LEUCHTENDEN SÖHNE DES AUF DÄMMERNDEN MANVANTARA (a)? . . . IN DEM UNBEKANNTEN DUNKEL IN IHREM AH-HI1 PARANISHPANNA. DIE HERVORBRINGER DER FORM2 AUS DER NICHTFORM3 - DER WURZEL DER WELT - DIE DEVAMATRI4 UND SVABHÂVAT RUHTEN IN DER WONNE DES NICHTSEINS (b).

(a) Die "Bauleute", die "Söhne des aufdämmernden Manvantara", sind die wirklichen Schöpfer des Weltalls; und in dieser Lehre, welche bloß von unserem Planetensystem handelt, heißen sie, als die Erbauer des letzteren, auch die "Wächter" der sieben Sphären, d. i. exoterisch der sieben Planeten, und esoterisch auch der sieben Erden oder Sphären (Globen) unserer Kette. Der Anfangssatz der Strophe I bezieht sich, wenn er von "Sieben Ewigkeiten" spricht, sowohl auf den Mahâkalpa oder "das (große) Zeitalter des Brahmâ", als auch auf den solaren Pralaya und das darauffolgende Auferstehen unseres Planetensystems auf einer höheren Ebene. Es giebt viele Arten von Pralaya (Auflösung eines sichtbaren Dinges), wie anderwärts gezeigt werden soll.

(b) "Paranishpanna" ist, wie man sich erinnern möge, das summum bonum, das Absolute, somit dasselbe wie Paranirvâna. Neben dem, daß es der Schlußzustand ist, ist es jener Zustand von Subjektivität, der zu nichts in Beziehung steht als zu der Einen absoluten Wahrheit (Paramârthasatya) auf seiner eigenen Ebene. Es ist jener Zustand, der einen dahin führt, richtig die volle Bedeutung des Nichtseins, welches - wie erklärt - das wahre Sein ist, zu erfassen.
Früher oder später wird Alles, was jetzt scheinbar existiert, in Wirklichkeit und thatsächlich im Zustande von Paranishpanna sein. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen bewußtem und unbewußtem Sein. Der Zustand von Paranishpanna, ohne Paramârtha, dem sich selbst analysierenden Bewußtsein (Svasamvedâna) ist keine Wonne, sondern bloße Auslöschung für sieben Ewigkeiten. So wird eine den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzte Eisenkugel wohl durchaus erhitzt werden, aber die Wärme nicht fühlen oder genießen, wie ein Mensch. Bloß "mit einem klaren und von Persönlichkeit unverdunkelten Gemüt und durch die Assimilation des Verdienstes mannigfacher dem Sein in seiner Gesamtheit (dem ganzen lebenden und fühlenden Universums) gewidmeter Existenzen" wird man frei von persönlicher Existenz, versinkt in das Absolute5 und wird Eins mit ihm, und bleibt im vollen Besitze von Paramârtha.

STROPHE II. - Fortsetzung.

2. . . . WO WAR DIE STILLE? WO DIE OHREN, SIE WAHRZUNEHMEN? NEIN, DA WAR WEDER STILLE NOCH LAUT (a); NICHTS ALS UNUNTERBROCHENER EWIGER ATEM6, DER SICH SELBST NICHT KENNT (b).

(a) Die Idee, daß Dinge aufhören können zu existieren und doch noch sind, ist eine fundamentale in der Psychologie des Ostens. Unter diesem scheinbaren Widerspruch der Ausdrücke ruht eine Naturthatsache, die mit dem Gemüt zu erfassen von Wichtigkeit ist, nicht aber, über die Worte zu streiten. Ein bekanntes Beispiel eines ähnlichen Paradoxons liefert uns die chemische Verbindung. Die Frage, ob Wasserstoffund Sauerstoff zu existieren aufhören, wenn sie sich zu Wasser verbinden, ist eine noch strittige; die einen sagen, sie müßten alle Zeit da sein, da man sie wiederfinde, wenn mau das Wasser zersetzt; die anderen behaupten, sie müßten einstweilen als sie selbst zu existieren aufgehört haben, da sie sich thatsächlich in etwas gänzlich Verschiedenes verwandelt haben aber keine Partei ist imstande, sich auch nur die entfernteste Vorstellung von einem Dinge zu machen, das etwas anderes geworden ist und doch nicht aufgehört hat, es selbst zu sein. Man kann sagen, daß die Existenz als Wasser für Sauerstoff und Wasserstoff ein Zustand von Nichtsein sei, das ein wirklicheres Sein ist als ihre Existenz als Gase; und dies kann als schwaches Symbol für den Zustand des Weltalls sein, wenn es schlafen geht, und während der Nächte des Brahma, aufhört zu sein - um zu erwachen und wiederzuerscheinen, wenn die Dämmerung des neuen Manvantara es zu dem wieder aufruft, was wir Existenz nennen.

1)Chohanisch, Dhyâni-buddhisch zurück zum Text

2) . Rûpa zurück zum Text

3) Arûpa zurück zum Text

4) "Mutter der Götter", Aditi oder kosmischer Baum. lm Zohar heißt sie Sephira, die Mutter der Sephirot und Shekinah in ihrer Urform, in abscondito. zurück zum Text

5) Somit ist Nichtsein das "Absolute Sein" in der esoterischen Philosophie. In den Lehrsätzen der letzteren ist selbst Âdi-Buddha (die erste und ursprüngliche Weisheit), weil geoffenbart, in einem Sinne eine Illusion, Mâyâ, weil alle Götter, einschließlich Brahmâ, am Ende des Zeitalters des Brahmâ sterben müssen; nur die Parabrahman genannte Abstraktion - ob wir sie jetzt Ain Suph, oder mit Herbert Spencer das Unerkennbare nennen wollen - ist die Eine absolute Realität. Die Eine zweitlose Existenz ist Advaita, "ohne ein Zweites", und alles übrige ist Mâyâ: so lehrt die Advaita-Philosophie.zurück zum Text

6) Bewegung. zurück zum Text