Aber der Hauptpunkt liegt für uns nicht in der Einhelligkeit oder Meinungsverschiedenheit der Naturforscher in Bezug auf die Dauer der geologischen Perioden, sondern vielmehr in ihrer - wunderbarerweise - vollkommenen Übereinstimmung bezüglich eines Punktes und zwar eines sehr wichtigen. Sie alle stimmen darin überein, daß während der Miocänzeit – einerlei ob vor 1 oder 10 Mill. Jahren - Grönland und sogar Spitzbergen die Überreste unseres zweiten oder hyperböräischen Kontinentes, „ein nahezu tropisches Klima hatten“. Nun hatten die vorhomerischen Griechen eine lebendige Überlieferung bewahrt von diesem „Lande der ewigen Sonne“, worin ihr Apollo jedes Jahr reiste.

Die Wissenschaft sagt uns:

Während des Miocäns entwickelte sich Grönland (in 70° n. B.) eine Fülle von Bäumen, wie die Eibe, die immergrüne Sequioe, den der kalifornischen Art verwandten Mammutbaum, Buchen, Platanen, Weiden, Eichen, Pappeln und Walnussbäume, sowie eine Magnolie und einen Zapfenfarn. [26]

Kurz gesagt, Grönland hatte südliche Pflanzen, die den nördlichen Gegenden unbekannt sind.

Und nun entsteht die natürliche Frage. Wenn die Griechen in den Tagen des Homer Kenntnis hatten von einem hyperboräischen Land, d. i. einem gelobten Lande jenseits des Bereiches des Boreas, des Gottes des Winters und des Sturmes, einer idealen Region, welche die späteren Griechen und ihre Schriftsteller vergeblich jenseits Skythien zu versetzen suchen, einem Lande, wo die Nächte kurz waren und die Tage lang und jenseits desselben von einem Lande, wo die Sonne niemals unterging und die Palme im Freien wuchs - wenn sie von alledem Kenntnis hatten, wer hat ihnen denn davon erzählt? Zu ihrer Zeit, und Zeitalter vorher, muß Grönland sicherlich bereits mit ewigem Schnee, mit niemals auftauendem Eise bedeckt gewesen sein, gerade so wie heute. Alles läuft darauf hinaus, zu zeigen, daß das Land mit den kurzen Nächten und den langen Tagen Norwegen oder Skandinavien war, jenseits dessen das gelobte Land des ewigen Lichtes und Sommers lag. Damit die Griechen dies alles wissen konnten, muß die Überlieferung zu ihnen von einem Volke hergelangt sein, daß älter war als sie selbst, das vertraut war mit jenen klimatischen Einzelnheiten, von denen die Griechen selber nichts wissen konnten. Sogar in unseren Tagen vermutet die Wissenschaft, daß jenseits der Polarmeere, an dem unmittelbaren Umkreise des Nordpoles ein Meer existiert, das niemals zufriert, und ein Festland, das immer grün ist. Die archaischen Lehren und auch die Purânen - für jemanden, der ihre Allegorien versteht - enthalten dieselben Behauptungen. Für uns genüge somit die starke Wahrscheinlichkeit, daß während der Miocänperiode der modernen Wissenschaft, zu einer Zeit, da Grönland ein nahezu tropisches Land war, daselbst ein Volk lebte, das jetzt der Geschichte unbekannt ist.

ANMERKUNG.

Der Leser wird ersucht, im Gedächtnisse zu behalten, daß die folgenden Abteilungen der Zeit nach nicht strenge zusammenhängend sind. In Teil I werden die Strophen, welche ein Skelett der Darlegung bilden, gegeben und gewisse Punkte kommentiert und erklärt. In den folgenden Abteilungen Teil II und III werden verschiedene Einzelheiten zusammengebracht und eine vollständigere Erklärung des Gegenstandes versucht.


[26] Gould, Mythical Monsters, p. 91.