In der Abstammung des Menschen kommt die folgende Stelle vor, welche zeigt, wie nahe Darwin der Annahme dieser alten Lehre kam.
Es ist lange bekannt gewesen, daß im Reiche der Wirbeltiere das eine Geschlecht Rudimente verschiedener, zu dem Fortpflanzungssystem gehöriger, accessorischer Teile trägt, die eigentlich dem entgegengesetzten Geschlechte angehören . . . . Irgend ein entfernter Vorfahr des ganzen Wirbeltierreiches schein zwittergeschlechtlich oder androgyn gewesen zu sein. [21] Aber hier begegnen wir einer besonderen Schwierigkeit. In der Klasse der Säugetiere besitzen die Männlichen Rudimente eines Uterus mit den anliegenden Gängen der vesiculae prostaticae: sie tragen auch Rudimente von mammae und einige männliche Beuteltiere haben Spuren eines Beutelsackes. Andere analoge Thatsachen könnten hinzugefügt werden. Müssen wir nun annehmen, daß irgend ein außerordentlich altes Säugetier androgyn geblieben ist, nachdem es die Hauptunterscheidungsmerkmale seiner Klasse erlangt hatte und sich daher von den niederen Klassen des Wirbeltierreiches abgetrennt hatte? Dies scheint sehr unwahrscheinlich, [22] denn wir müssen die Fische betrachten, die niedrigste von allen Klassen, um noch existierende androgyne Formen zu finden. [23]

Herr Darwin ist offenbar sehr abgeneigt, die Hypothese anzunehmen, welche von den Thatsachen mit solcher Kraft aufgedrängt wird, nämlich die Hypothese eines ursprünglichen androgynen Stammes, von dem die Säugetiere entsprangen. Seine Erklärung lautet:

Daß verschiedene accessorische Organe, die jedem einzelnen Geschlechte eigentümlich sind, sich beim entgegengesetzten Geschlechte im rudimentären Zustande vorfinden, kann dadurch erklärt werden, daß solche Organe allmählich von dem einen Geschlecht erworben, und dann in einem mehr oder weniger unvollkommenen Zustande auf das andere Geschlecht vererbt wurden. [24]

Er führt als Beispiel an den Fall von „Sporen, Federn und leuchtenden Farben, die für den Kampf oder zum Schmuck von männlichen Vögeln erworben“ und nur teilweise von ihren weiblichen Nachkommen geerbt wurden. Für das behandelte Problem ist jedoch offenbar eine befriedigendere Erklärung erforderlich, da die Thatsachen von einem viel hervorragenderen und wichtigeren Charakter sind, als die bloß oberflächlichen Einzelheiten, mit denen sie von Darwin verglichen werden. Warum nicht unparteiisch die Beweiskraft zu Gunsten des Hermaphroditismus zugestehen, welcher die alte Faune charakterisiert? Der Occultismus schlägt eine Lösung vor, welche den Thatsachen auf höchst umfassende und einfache Art gerecht wird. Solche Überbleibsel eines früheren androgynen Stammes müssen in gleiche Reihe gestellt werden mit der Zirbeldrüse und anderen gleich geheimnisvollen Organen, welche uns ein stillschweigendes Zeugnis für die Wirklichkeit von Verrichtungen liefern, welche schon seit langem im Verlaufe des tierischen und menschlichen Fortschrittes verkümmert sind, aber welche einst eine wichtige Rolle in der allgemeinen Ökonomie des ursprünglichen Lebens gespielt haben.
Die occulte Lehre kann auf jeden Fall vorteilhaft mit der der freisinnigsten Männer der Wissenschaft verglichen werden, welche über den Ursprung des ersten Menschen Theorien aufgestellt haben.


[21] Und warum nicht alle ersten Stammrassen, die menschlichen sowohl als die tierischen; und warum ein „entfernter Vorfahr“?

[22] Augenscheinlich so, nach den Regeln der Entwicklungslehre, welche die Säugetiere auf irgend einen amphibischen Ahnen zurückführt.

[23] Zweite Ausgabe, p. 161.

[24] Ebenda, p.162.