Die Allegorie ist sehr sinnreich. Großer Intellekt und allzu viel Wissen sind eine zweischneidige Waffe im Leben und Werkzeuge zum Bösen, sowohl wie zum Guten. Wenn mit Selbstsucht verbunden, werden sie aus ganzen der Menschheit einen Fußschemel für die Erhebung ihres Besitzers und ein Mittel zur Erreichung seine Zwecke machen; während sie, zu selbstlosen menschenfreundlichen Zwecken angewendet, das Mittel zur Erlösung von vielen werden können. Auf jeden Fall wird die Abwesenheit von Selbstbewußtsein und Intellekt aus einem Menschen einen Blödsinnigen machen, ein Vieh in menschlicher Form. Brahmâ ist Mahat, das Universalgemüt; daher zeigen die allzu selbstsüchtigen unter den Râkshasas das Verlangen, sich in den Besitz von alledem zu setzen - Mahat zu „verschlingen“. Die Allegorie ist durchsichtig.

Auf jeden Fall identifiziert die esoterische Philosophie die vorbrâhmanischen Asuras, Rudras, [14] Râkshasas und alle die „Widersacher“ in den Allegorieen mit den Egos, indem sie sich in dem noch unverständigen Menschen der dritten Rasse inkarnierten, ihn bewußt unsterblich machten. Sie sind also während des Cyklus der Inkarnationen der wirkliche duale Logos - das sich widerstreitende und doppelgesichtige göttliche Prinzip im Menschen. Der Kommentar, welcher folgt, und die nächsten Strophen mögen ohne Zweifel mehr Licht auf diesen sehr schwierigen Lehrsatz werfen, aber die Schreiberin fühlt sich nicht berechtigt, es vollständig zu veröffentlichen. Von der Aufeinanderfolge der Rassen jedoch sagt der Kommentar:

Zuerst kommen die SELBSTEXISTIERENDEN auf diese Erde. Sie sind die „Geistigen Leben“, projiziert von dem unbedingten WILLEN und GESETZ, bei der Morgendämmerung einer jeden Wiedergeburt der Welten. Diese Leben sind die göttlichen „Shishta“ (die Samen-Manus, oder die Prajâpatis und die Pitris).

Aus diesen gehen hervor:

1. Die erste Rasse, die „Selbstgeborenen“, welche die (astralen) Schatten ihrer Vorfahren sind. Der Körper war baar allen Verstandes (Gemütes, Intelligenz und Willens). Das innere Wesen (das höherer Selbst, oder die Monade) war zwar innerhalb der irdischen Gestalt, aber nicht mit ihr verbunden. Das Bindeglied, das Manas, war noch nicht da.

2. Aus der Ersten (Rasse) ging hervor die Zweite, genannt die „Schweißgeborenen“ [15] und die „Knochenlosen“. Diese ist die Zweite Wurzelrasse, begabt von den Erhaltern (Râkshasas) [16] und den inkarnierenden Göttern (den Asuras und Kumâras) mit dem ersten ursprünglichen und schwachen Funken (dem Keine der Intelligenz) . . .

Und aus diesen geht ihrerseits hervor:

3. Die Dritte Wurzelrasse, die „Zweifältigen“ (Androgynen). Die ersten Rassen derselben waren Schalen, bis schließlich die letzte von den Dhyânis „bewohnt“ (d. i. beseelt) wird.


[14] Welche Manu „Großväter väterlicherseits“ nennt (III. 284). Die Rudras sind die sieben Offenbarungen des Rudra-Shiva, des „zerstörenden Gottes“, und auch großen Yogîs und Asketen.

[15] Von einer Entstehung des Lebens und von einem Ursprunge des Menschengeschlechts auf diese unsinnig unwissenschaftliche Weise zu sprechen, angesichts der modernen Stammbäume des Menschengeschlechts, heißt augenblickliche Vernichtung herausfordern. Die esoterische Lehre setzt sich nichtsdestoweniger der Gefahr aus, und geht sogar soweit, den unparteiischen Leser aufzufordern, die obige Hypothese (wenn sie eine ist) mit Haeckels Theorie zu vergleichen - die jetzt rasch ein Axiom für die Wissenschaft wird - und die wir wörtlich wie folgt anführen:
"Wie entstand überhaupt das Leben, die lebendige Formenwelt der Organismen?“ und zweitens, die besondere Frage:
,Wie entstand das Menschengeschlecht?´
Die erste dieser beiden Fragen, diejenige von der ersten Entstehung lebendiger Wesen, kann empirisch (!!) nur entschieden werden durch den Nachweis der sogenannten Urzeugung oder Generatio aequivoca, d. h. der freiwilligen oder spontanen Entstehung von Organismen der denkbar einfachsten Art. Solche sind die Moneren (Protogenes, Protoamoeba, Protomyxa, Vampyrella), vollkommen einfache mikroskopische Schleimklümpchen ohne die Struktur und Organisation, welche sich ernähren und (durch Teilung) fortpflanzen. Ein solches Moner, nämlich der von dem berühmten englischen Zoologen Huxley entdeckte und Bathybius Haeckelii genannte Ur-Organismus bedeckt in Form einer zusammenhängenden dicken Schleimdecke die größten Tiefen des Ozeans, zwischen 3000 und 30 000 Fuß. Zwar ist die Urzeugung solcher Moneren bis jetzt noch nicht sicher beobachtet; sie hat aber an sich nichts Unwahrscheinliches. (E. Haeckel, „Über die Entstehung des Menschengeschlechts.“ Popul. Vorträge, I. p. 35.)
Da sich in neuerer Zeit herausgestellt hat, daß das Bathybius-Protoplasma überhaupt keine organische Substanz ist, so bleibt wenig zu sagen übrig. Noch braucht man nach der Durchlesung dieses, weitere Zeit mit der Widerlegung der folgenden Behauptung zu verbringen: „Dann ist zweifellos (für die Gemüter des Haeckel und seinesgleichen) ebenso der Mensch aus niederen Säugetieren, Affen, früher Halbaffen, und noch früher Beuteltieren, Amphibien, Fischen u. s. w. durch allmähliche Umbildung entstanden“ (p. 39) - alle hervorgebracht durch „eine Summe von sogenannten blinden, zweck- und planlos wirkenden Naturkräften.“
Die oben angeführte Stelle trägt ihre Kritik in sich selbst. Man läßt die Wissenschaft das lehren, was bis zur gegenwärtigen Zeit „noch nicht sicher beobachtet ist.“ Man läßt sie die Erscheinung einer intelligenten Natur und einer von Form und Stoff unabhängigen Lebenskraft leugnen, und es mehr wissenschaftlich finden, die wunderbare Arbeitsleistung zu lehren von „blinden, zweck- und planlos wirkenden Naturkräften.“ Wenn dem so ist, dann sind wir dahingeführt zu denken, daß die physisch-mechanische Gehirnkräfte gewisser hervorragender Wissenschaftler dieselben ebenso blind dahinführen, Logik und gesunden Menschenverstand auf dem Altare wechselseitiger Bewunderung zu opfern. Warum sollte das protoplasmatische Moner, welches das erste lebendige Geschöpf durch Selbstteilung hervorbringt, für eine sehr wissenschaftliche Hypothese gehalten und eine ätherische vormenschliche Rasse, die den ursprünglichen Menschen auf dieselbe Art erzeugt, als ein unwissenschaftlicher Aberglaube in bann gethan werden? Oder hat der Materialismus ein ausschließliches Monopol in der Wissenschaft erlangt?

[16] Die Râkshasas, welche in der indischen volkstümlichen Theologie Dämonen betrachtet, werden jenseits der Himâlayas die „Erhalter“ genannt. Diese doppelte Bedeutung hat ihren Ursprung in einer philosophischen Allegorie, die in den Purânen auf verschiedene Art wiedergegeben wird. Es wird behauptet, daß als Brahmâ die Dämonen erschuf, die Yakshas (von yaksh, essen) und die Râkshasas, beide dieser Arten von Dämonen, sobald sie geboren waren, ihren Schöpfer zu verschlingen wünschten, und daß „jene unter ihnen, welche ausriefen ,Nicht so: o! möge er gerettet (erhalten) sein!´ Râkshasas genannt wurden.“ (Vishnu Purâna, I. V; Wilson, I. 82.) Das Bhâgavata Purâna (III. 20, 19-21; ebenda, a. a. O.) überliefert die Allegorie auf eine andere Art. „Brahmâ verwandelte sich in Nacht (oder Unwissenheit) bekleidet mit einem Körper.) diesen ergriffen die Yakshas und Râkshasas mit dem Ausrufe: „Schont ihn nicht; verschlingt ihn.“ Brahmâ rief aus: „Verschlingt mich nicht schont mich.“
Das hat natürlich eine innere Bedeutung. Der „Körper der Nacht“ ist das Dunkel der Unwissenheit, und er ist das Dunkel des Schweigens und Geheimhaltens. Nun werden die Râkshasas in fast jedem Falle als Yogîs, fromme Sâdhus und Initiierte hingestellt, eine etwas ungewohnte Beschäftigung der Dämonen. Die Bedeutung ist dann die, daß, während wir die Kraft haben, das Dunkel der Unwissenheit zu zerstreuen - „es zu verschlingen“ - wir die heilige Wahrheit vor Entweihung zu bewahren haben. „Brahmâ ist für die Brâhmanen allein“, sagt jene stolze Kaste. Die Moral der Fabel ist einleuchtend.