Hier müssen wir wieder eine Unterbrechung eintreten lassen, um gewisse schwierige Punkte zu erklären, deren es hier so viele giebt. Es ist nahezu unmöglich, solche Unterbrechungen zu vermeiden. [31] Die Reihenfolge der Entwicklung der Menschenrassen steht wie folgt im fünften Buche der Kommentare und ist bereits gegeben worden:

Die ersten Menschen waren Chhâyâs (1); die zweiten die „Schweißgeborenen“ (2); die dritten „Eigeboren“ und die durch die Kraft von Kriyâshakti geborenen heiligen Vätern(3); die vierten waren die Kinder des Padmapâni (Chenresi) (4).

Natürlich sind solche ursprünglichen Fortpflanzungsarten – durch die Entwicklung eines Abbildes; durch Scheißtropen; hierauf jene durch Yoga; und dann durch etwas, was die Leute für Magie halten werden (Kriyâshakti) – vorderhand dazu verurteilt, für Märchen gehalten zu werden. Nichtsdestoweniger ist in ihnen, von der ersten angefangen und schließend mit der letzten thatsächlich nichts Wunderbares, noch irgend etwas, das nicht als natürlich nachgewiesen werden könnte. Dies muß bewiesen werden.

1. Chhâyâ-Geburt, oder jene ursprüngliche Art geschlechtloser Fortpflanzung – indem die erste Rasse aus den Körpern der Pitris sozusagen herausgesickert ist – wird in einer kosmischen Allegorie in den Purânen angedeutet. [32] Es ist die schöne Allegorie und Geschichte von der Sanjnâ, der Tochter des Vishvakarman, vermählt mit der Sonne, welche, „unfähig die Glut ihres Herrn zu ertragen“, ihm ihre Chhâyâ (Schatten, bild oder Astralkörper) gab, während sie selbst sich in das Dickicht begab, um religiöse Andachtsübungen, oder Tapas zu verrichten. Die Sonne, welche in der Chhâyâ ihr Weib vermutete, erzeugte mit ihr Kinder, wie Adam mit der Lilith – auch einem ätherischen Schatten, wie in der Legende, jedoch einem thatsächlichen lebenden weiblichen Ungetüm vor Millionen von Jahren.

Aber vielleicht beweist diese Beispiel wenig mehr als die überschwängliche Phantasie der purânischen Verfasser. Wir haben einen anderen Beweis bereit. Wenn die materialisierten Formen, welche mitunter aus den Körpern  gewisser Medien heraussickern, anstatt zu verschwinden, fixiert und festgemacht werden könnten – so würde die „Schöpfung“ der ersten Rasse ganz verständlich werden. Diese Art der Fortpflanzung kann nicht verfehlen, für den Schüler anregend zu sein. Sicherlich ist weder das Geheimnis, noch die Unmöglichkeit einer solchen Art irgend größer, - während sie für den Verstand des wahren metaphysischen Denkers viel begreifbarer sind –als das Geheimnis von der Empfängnis des Fötus, seines Reifens und seiner Geburt als Kind, so wie wir es jetzt kennen.

Nun zu der seltsamen und wenig verstandenen Bestätigung in den Purânen in Betreff der „Scheißgeborenen“.

2. Kandu ist ein Weiser und ein Yogî, hervorragend durch heilige Weisheit und fromme Kasteiung, welche schließlich die Eifersucht der Götter erwecken, die in den indischen Schriften als in niemals endendem Streit mit den Asketen befindlich dargestellt werden. Indra, der „König der Götter“ [33] , sendet schließlich eine seiner weiblichen Apsarasen, um den Weisen zu versuchen. Das ist nicht schlechter, als wenn Jehovah Sarah, Abrahams Weib, sendet, um den Pharaoh zu versuchen; aber in Wahrheit sind es diese Götter (und dieser Gott), welche immer versuchen, die Asketen zu stören und sie so der Frucht ihrer Bußen verlustig zu machen, welche als „versuchende Dämonen“ betrachtet werden sollten, anstatt den Ausdruck auf die Rudras, Kumâras und Asuras anzuwenden, deren große Heiligkeit und Keuschheit als ein beständiger Vorwurf für die Don Juanischen Götter des Pantheon erscheinen. Aber wir finden das Umgekehrte in allen purânischen Allegorieen und nicht ohne guten esoterischen Grund.


[31] Wegen Erklärungen und einem philosophischen Bericht über die Natur jener Wesen, welche jetzt als die „bösen“ und aufrührerischen Geister betrachtet werden, die Schöpfer durch Kriyâshakti, wird der Leser auf die Kapitel über den „Mythos von den ,gefallenen Engeln´ in seinen verschiedenen Aspekten“, in Teil II dieses Buches, verwiesen.

[32] Vishnu Purâna, III. II.

[33] In der ältesten Handschrift des Vishnu Purâna, im Besitze eines Initiierten im südlichen Indien, ist der Gott nicht Indra, sondern Kâma, der Gott der Liebe und Begierde.