Der Punkt, auf den die Evolutionisten den größten Nachdruck legen, ist der, daß „die Geschichte des Embryo ein Abriß von jener der Rasse ist.“ Daß:

Jeder Organismus durchläuft bei seiner Entwicklung aus dem Ei eine Reihe von Formen, welche in ähnlicher Reihenfolge seiner Vorfahren im langen Verlaufe der Erdengeschichte durchlaufen haben. [22] Die Keimgeschichte gestaltet sich daher zum Miniaturgebilde oder zum Auszuge der Stammesgeschichte. Diese Vorstellung bildet den Inhalt unseres biogenetischen Grundgesetzes, welches wir als das wahre „Grundgesetz der organischen Entwicklung“ an die Spitze der Entwicklungsgeschichte stellen müssen. [23]

Diese moderne Theorie war den Weisen und Occultisten seit den entferntesten Zeitaltern als eine Thatsache bekannt und wurde von ihnen viel philosophischer ausgedrückt.

Eine Stelle aus Isis entschleiert mag hier angeführt werden, um ein paar Vergleichspunkte zu liefern. Es wurde gefragt, warum die Physiologen bei aller ihrer großen Gelehrsamkeit nicht im stande seien, die Erscheinungen der Mißbildungen zu erklären?

Jeder Anatom, der die Entwicklung und das Wachstum des Embryo . . . „zum Gegenstand seines speciellen Studiums“ gemacht hat, kann uns ohne große Gehirnanstrengung sagen, was tägliche Erfahrung und der eigene Augenscheinung ihm zeigen, nämlich, daß bis zu einem gewissen Zeitpunkt der menschliche Embryo ein getreues Abbild eines jungen Batrachiers auf seiner ersten Stufe nach dem Laiche ist - eine Kaulquappe. aber kein Physiologe oder Anatom scheint die Idee gehabt zu haben, auf die Entwicklung des menschlichen Wesens - vom ersten Augenblicke seines physischen Erscheinens als Keim bis zu seiner schließlichen Ausgestaltung und Geburt - die pythagoräische esoterische Lehre von der Metempsychosis anzuwenden, die von den Kritikern so irrtümlich ausgelegt wird. Die Bedeutung des kabbalistischen Satzes: „Ein Stein wird eine Pflanze; eine Pflanze ein Tier; ein Tier ein Mensch“ u. s. w., wurde an anderer Stelle in Beziehung zur geistigen und körperlichen Entwicklung der Menschen auf dieser Erde erwähnt. Wir wollen nun einige weitere Worte beifügen, um die Sache klarer zu machen.

Was ist die ursprüngliche Gestalt des zukünftigen Menschen? Ein Korn, eine Zelle, sagen einige Physiologen; ein Molekül, ein Ei des Eies, sagen andere. Wenn sie analysiert werden könnte - durch das Mikroskop oder auf andere Art - welche Zusammensetzung derselben sollten wir vorzufinden erwarten? Nach Analogie sollten wir sagen, die eines Kernes von unorganischer Materie, von der Cirkulation niedergelegt an dem Keimpunkte, und vereinigt mit einer Ablagerung organischer Materie. Mit anderen Worten, dieser außerordentlich kleine Kern des zukünftigen Menschen ist aus denselben Elementen zusammengesetzt wie ein Stein - aus denselben Elementen wie die Erde, welche der Mensch zu bewohnen bestimmt ist. Moses wird von den Kabbalisten als Autorität für die Bemerkung angeführt, daß es Wasser und Erde bedurfte, um ein lebendiges Wesen zu machen, und daher kann gesagt werden, daß der Mensch zuerst als ein Stein erscheint.

Am Ende von drei oder vier Wochen hat das Ei ein pflanzenartiges Aussehen angenommen, das eine Ende ist kugelig geworden und das andere spitz zulaufend, wie eine Mohrrübe. Beim Zerschneiden findet man, daß es wie eine Zwiebel aus sehr zarten Blättchen oder Häuten zusammengesetzt ist, die eine Flüssigkeit einschließlich. Die Blättchen nähern sich einander an dem unteren Ende und der Embryo hängt von der Wurzel des Nabels nahezu wie die Frucht von dem Zweige. Der Stein ist jetzt, durch „Metempsychose“ in eine Pflanze verwandelt worden.

Dann beginnt das embryonale Geschöpf von innen nach außen seine Glieder hervorzutreiben, und entwickelt seine Züge. Die Augen werden sichtbar als zwei schwarze Punkte; die Ohren, Nase und Mund bilden Vertiefungen, wie die Tüpfel einer Ananas, bevor sie hervorzutreten beginnen. Der Embryo entwickelt sich zu einem tierartigen Fötus - zur Gestalt einer Kaulquappe - und wie ein amphibisches Reptil lebt er im Wasser und entwickelt sich aus demselben. Seine Monade ist noch nicht menschlich oder auch unsterblich geworden, denn die Kabbalisten sagen uns, daß dies erst in der „vierten Stunde“ geschieht. allmählich nimmt der Fötus die Eigenschaften des menschlichen Wesens an, die erste Schwingung des unsterblichen Atems geht durch sein Wesen: er bewegt sich; und die göttliche Wesenheit läßt sich in der kindlichen Gestalt nieder, welche sie bewohnen wird, bis zum Augenblicke des körperlichen Todes, wo dann der Mensch ein Geist wird.

Diesen geheimnisvollen Vorgang einer neumonatlichen Bildung nennen die Kabbalisten die Vollendung des „individuellen Cyklus der Evolution“. Wie sich der Fötus inmitten des Liquor amnii in dem Schoße entwickelt, so keimen die Erden in dem Universalen Ether oder der Astralflüssigkeit in dem Schoße des Weltalls. Diese kosmischen Kinder sind, wie ihre zwerghaften Bewohner, zuerst Kerne; dann eichen; dann reifen sie allmählich; und werden ihrerseits Mütter, und entwickeln mineralische, pflanzliche, tierische und menschliche Formen. Vom Mittelpunkt zum Umkreise, vom kaum wahrnehmbaren Bläschen bis zu den äußersten erfaßbaren Grenzen des Kosmos ziehen diese erhabenen Denker, die Occultisten, Kreis um Kreis, die sich umfassen und umfaßt sind in endloser Reihe. Den Embryo, der sich in seiner vorgeburtlichen Sphäre entwickelt, den Einzelnen in seiner Familie, die Familie im Staate, den Staat in der Menschheit, die Erde in unserem System, jenes System in seinem centralen Universum, das Universum im Kosmos in der EINEN URSACHE - der schrankenlosen und unendlichen. [24]


[22] „Ein sehr starkes Argument zu Gunsten der Variabilität wird von der Wissenschaft der Embryologie geliefert. Ist nicht der Mensch im Uterus . . . . eine sehr einfache Zelle, eine Pflanze mit drei oder vier Blättchen, eine Kaulquappe mit Kiemen, ein Säugetier mit einem Schwanz, schließlich ein Säugetier erster Ordnung (?) und ein Zweifüßer? Es ist kaum möglich, in der embryologischen Entwicklung nicht eine flüchtige Skizze, eine getreue Zusammenfassung der ganzen organischen Reihe zu erkennen.“ (Lefèvre, Philosophie, p. 484.)
Die erwähnte Zusammenfassung ist jedoch nur die des Vorrates an Typen, der im Menschen, dem Mikrokosmos aufgespeichert ist. Diese einfache Erklärung begegnet allen solchen Einwänden, wie dem Vorhandensein eines rudimentären Schwanzes am Fötus - einer Thatsache, mit der Haeckel und Darwin als zu Gunsten der Affenvorfahrentheorie entscheidend im Triumphe prunken. Es kann auch darauf hingewiesen werden, daß das Vorhandensein einer Pflanze mit Blättern in den embyronischen Stadien nach gewöhnlichen evolutionistischen Prinzipien nicht erklärt ist. Die Darwinisten haben den Menschen nicht durch das Pflanzenreich zurückverfolgt, aber die Occultisten thaten dies. Warum also diese Erscheinung beim Embryo, und wie erklären sie die ersteren?

[23] Über die Urkunden der Stammesgeschichte“, eine Vorlesung von Haeckel (a. a. O. II. p. 93).

[24] BD. I. pp. 388-390.