Nun finden wir im Zohar eine sehr seltsame Behauptung, eine solche, die dazu angethan ist, den Leser durch ihre lächerliche Unsinnigkeit zu fröhlichem Lachen zu reizen. Er sagt uns, daß die Schlange, welche von Shamael, dem angeblichen Satan, zur Verführung der Eva benützt wurde, eine Art von „fliegendem Kamel“ - [korrekter Abdruck siehe Buch] – war. [29]

Ein „fliegendes Kamel“ ist in der That auch für das freisinnigste Mitglied der Royal Society zu viel. Nichtsdestoweniger war der Zohar, von dem man schwerlich den Gebrauch einer Cuvierschen Ausdrucksweise erwarten kann, mit seiner Beschreibung im Rechte; denn wir finden, daß es in der alten Zoroastrischen Handschrift Aschmogh genannt wird, der nach der Darstellung der Avesta nach dem Falle seine Natur und seinen Namen verloren hat, und als eine ungeheure Schlange mit einem Kamelhals beschrieben wird.

Salverte versichert:

Er giebt keine geflügelten Schlangen und keine wirklichen Drachen . . . . Heuschrecken werden noch jetzt von den Griechen geflügelte Schlangen genannt, und dieses Bild mag verschiedene Erzählungen vom Dasein geflügelter Schlangen verursacht haben. [30]

Jetzt giebt es keine: aber es ist kein Grund, warum sie nicht während des mesozoischen Zeitalters existiert haben sollten; und Cuvier, der ihre Skelette rekonstruiert hat, ist ein Zeuge für „fliegende Kamele“. Schon nach der Auffindung einfacher Versteinerungen gewisser Saurier hat der große Naturforscher geschrieben:

Wenn irgend etwas die Hydren und andere Ungeheuer, deren Bilde von mittelalterlichen Geschichtsschreibern so oft wiederholt wurden, rechtfertigen kann, so ist das unstreitig der Plesiosaurus. [31]

Wir wissen nicht, ob Cuvier irgend etwas von der Art einer weiteren mea culpa hinzugefügt hat, aber wir können uns seine Verwirrung wegen aller seiner Verlästerungen der archaischen Wahrhaftigkeit wohl vorstellen, als er sich selbst einem fliegenden Saurier gegenüber fand, dem in Deutschland gefundenen, achtundsiebzig Fuß langen Pterodactylus, der kräftige Flügel an seinem Reptilkörper angefügt trug. Diese Versteinerung wird als ein Reptil beschrieben, bei dem die kleinen Finger der Hand derart verlängert sind, daß sie einen langen membranartigen Flügel tragen. Hier ist also das „fliegende Kamel“ des Zohar gerechtfertigt. Denn sicherlich ist zwischen dem langen Hals des Plesiosaurus und dem membranartigen Flügel des Pterodactylus, oder noch besser des Mosasaurus genug wissenschaftliche Wahrscheinlichkeit, um darauf ein „fliegendes Kamel“ oder einen langhalsigen Drachen aufzubauen. Prof. Cope, von Philadelphia, hat gezeigt, daß das Mosasaurusfossil in der Kreide eine geflügelte Schlange dieser Art war. Seine Wirbelsäule weist Züge auf, welche mehr auf eine Zugehörigkeit zu den Schlangen als zu den Eidechsen hinweisen.

Und nun zur Hauptfrage. Es ist wohlbekannt, daß das Altertum niemals Paläontographie und Paläontologie unter seine Künste und Wissenschaften gerechnet hat; und es hatte niemals seine Cuviers. Und doch hat auf den babylonische Ziegeln, und insbesondere in alten chinesischen und japanischen Zeichnungen, in den ältesten Pagoden und Monumenten, und in der kaiserlichen Bibliothek zu Peking, so mancher Reisender vollkommene Darstellungen der Plesiosauren und Pterodaktylen in den vielförmigen chinesischen Drachen gesehen und wiedererkannt. [32] Ferner sprechen die Propheten in der Bibel von den fliegenden feurigen Schlangen, [33] und Hiob erwähnt den Leviathan. [34] Nun werden die folgenden Fragen ganz gerade heraus gestellt.

I. Wie konnten die alten Nationen irgend etwas von den ausgestorbenen Ungeheuern des Karbon und der mesozoischen Zeit wissen, und dieselben sogar mündlich und bildlich darstellen und beschreiben, wenn sie nicht entweder diese Ungeheuer selber gesehen oder Beschreibungen von ihnen in ihren Überlieferungen besessen haben; welche Beschreibungen lebende und intelligente Augenzeugen notwendig machen?

II. Und wenn solche Augenzeugen einmal zugestanden sind (wenn nicht rückblickendes Hellsehen zugestanden wird), wie können dann die Menschheit und die ersten palölithischen Menschen nicht früher gewesen sein als ungefähr zur Mitte der Tertiärzeit? Wir müssen uns vor Augen halten, daß die meisten Männer der Wissenschaft den Menschen nicht vor der Quaternärzeit erschienen sein lassen, und ihn so gänzlich aus den känozoischen Zeiten ausschließen?

Hier haben wir ausgestorbene Tierarten, welche vor Millionen von Jahren vom Antlitz der Erde verschwunden sind, von Nationen beschrieben und gekannt, deren Civilisation, wie es heißt, vor kaum ein paar Jahrtausenden begonnen haben kann. Wie ist es möglich? Offenbar muß man entweder ein Übergreifen der mesozoischen Zeit in die Quaternärzeit annehmen, oder der Mensch muß zum Zeitgenossen des Pterodaktylus und Plesiosaurus gemacht werden.


[29] De Mirville´s Des Esprit, II. 423. Siehe auch Moses Maimonides, More Nevochim.

[30] Sciences Occultes, p. 464.

[31] Révolution du Globe, Bd. V, p. 247.

[32] Wir lesen in De Mirvilles „Mémoire à L´Académie“ (II. 431) von dem „naiven Erstaunen des Geoffrey St. Hilaire, als Herr de Paravey ihm in einigen alten chinesischen Werken und babylonischen Ziegeln Drachen zeigte, . . . . Ornithohynchusse und Saurier (Wassertiere, die sich nur in Australien finden), u. s. w., ausgestorbene Tiere, „von denen er geglaubt hatte, daß sie auf Erden unbekannt seien . . .  bis zu seiner eigenen Zeit.“

[33] Siehe Jesaja, XXX. 6: „Die Otter und die fliegende Schlange“, und die feurigen Schlangen,. die von der ehernen Schlange des Moses besiegt wurden.

[34] Die uns bekannten, von der Wissenschaft rekonstruierten Fossilien sollten eine genügende Gewähr für die Möglichkeit sogar eines Leviathan, nicht zu erwähnen Jesajas fliegende Schlangen oder Saraph Mehophep - Worte, die in allen hebräischen Wörterbüchern übersetzt werden als „Saraph“, entflammtes oder feuriges Gift, und „Mehophep“, fliegend. Aber, obwohl die christliche Theologie immer sowohl Leviathan wie Saraph Mehophep mit dem Teufel in Verbindung gebracht hat, sind die Ausdrücke bildlich und haben nichts mit dem „Bösen“ zu thun. Nichtsdestoweniger ist das Wort „Drache“ jetzt ein Synonym für den letzteren geworden. In der Bretagne bedeutet das Wort Drouk jetzt „Teufel“, woher, wie uns Cambry (Monuments Celtiques, p. 299) sagt, des Teufels Grabmahl in England, das Droghedanum Sepulerum. Im Langeudoc werden die Meteorfeuer und die Irrlichter Drac genannt, und in der Bretagne Dreag und Wraie oder Geistererscheinung (wraith); das Schloß von Drogheda in Irland bedeutet „des Teufels Schluß“. (De Mirville, ebenda, II. 423).