Darauf antwortet die occulte Philosophie: Beweise zuerst die Existenz des Teufels als einer Wesenheit, und dann können wir an einen solchen angeborenen Besitz glauben. Ein sehr geringer Betrag von Beobachtung und Kenntnis der menschlichen Natur mögen hinreichend sein, die Falschheit dieses theologischen Dogmas zu beweisen. Hätte Satan irgendwelche Wirklichkeit in der objektiven oder selbst subjektiven Welt (im kirchlichen Sinne), so wäre es der arme Teufel, der sich selbst dauernd geplagt und sogar besessen sähe von den Schlechten - somit von der großen Masse der Menschheit. Es ist die Menschheit selbst, und insbesondere der Klerus, angeführt von der hochmütigen, gewissenlosen und unduldsamen römischen Kirche, welche den Bösen erzeugt, geboren und liebevoll aufgezogen haben. Aber dies ist eine Abschweifung.

Der ganzen Gedankenwelt wird von der Kirche vorgeworfen, die Schlange angebetet zu haben.
Die ganze Menschheit spendete ihr Weihrauch oder steinigte sie. Die Zends sprechen von ihr ebenso wie die Kings und die Veden, sowie die Edda . . . und die Bibel . . . . Überall hat die heilige Schlange (der Nâga) ihren Schrein und ihren Priester; in Rom ist es die Vestalin, die . . . ihr die Mahlzeit mit derselben Sorgfalt bereitet, die sie dem heiligen Feuer erweist. In Griechenland kann Aeskulap ohne ihren Beistand nicht heilen und überträgt auf sie seine Kräfte. Jeder hat gehört von der berühmten römischen Gesandtschaft, die vom Senate an den Gott Medicin abgesendet wurde, und von ihrer Rückkehr mit der nicht weniger berühmten Schlange, welche sich freiwillig und von selbst nach dem Tempel ihres Meisters auf einer der Inseln des Tiber begab. Es gab keine Bacchantin, die nicht sie (die Schlange) in ihr Haar schlang, keinen Auguren, der sie nicht mit Sorgfalt befragte, keinen Nekromanten, dessen Grüfte von ihrer Gegenwart frei waren! Die Kainiten und Ophiten nennen sie Schöpfer, während sie anerkennen, wie es Schelling that, daß die Schlange „böse der Substanz und der Person nach“ ist. [39]

Ja, der Verfasser hat recht, und wenn jemand einen vollständigen Begriff von dem Ansehen haben will, dessen sich die Schlange bis zu unserem heutigen Tage erfreut, sollte er die Sache in Indien studieren, und alles das kennen lernen, was in jenem Lande von den Nâgas (Kobras) geglaubt und noch immer ihnen zugeschrieben wird; man sollte auch die Afrikaner von Whydah, die Voodoos von Port-au-Prince und Jamaika, die Nagals von Mexiko, und die Pâ oder Menschenschlangen von China, u. s. w. besuchen. Aber warum sich wundern, daß die Schlange „angebetet“ und zugleich verflucht wird, nachdem wir wissen, daß sie vom Anfang an ein Symbol war? In jeder alten Sprache bedeutete das Wort Drache dasselbe, was es jetzt im Chinesischen bedeutet, long oder „das Wesen, welches sich durch Intelligenz auszeichnet“, oder im Griechischen [korrekter Abdruck siehe Buch], oder „der, welcher sieht und wacht“. [40] Ist es das Tier dieses Namens, auf das irgend eines dieser Beiworte Anwendung finden kann? Ist es nicht einleuchtend, daß, wo immer auch Aberglaube und Vergessen der ursprünglichen Bedeutung die Wilden jetzt hingeführt haben mag, die obigen Eigenschaften auf die menschlichen Originale gemünzt waren, die durch Schlangen und Drachen symbolisiert wurden? Diese Originale - in China bis zum heutigen Tage die Drachen der Weisheit genannt - waren die ersten Schüler der Dhyânîs, welche ihre Unterweiser waren; kurz gesagt, die ursprünglichen Adepten der dritten Rasse, und späterhin der vierten und fünften Rasse. Der Name wurde universal, und kein vernünftiger Mensch vor der christlichen Zeitrechnung würde jemals den Menschen und das Symbol verwechselt haben.

Das Symbol des Chnouphis, oder der Weltseele, schreibt Champollion:

ist unter anderem das einer auf menschlichen Beinen stehenden ungeheuren Schlange; dieses Reptil, das Emblem des guten Genius, ist ein wahrhafter Agathodämon. Es wird of bösartig dargestellt. . . . Dieses heilige Tier, wesensgleich mit der Schlange der Ophiten, findet sich auf zahlreichen gnostischen und Basilidischen Steinen eingeschnitten. . . . Die Schlange hat verschiedenartige Köpfe, ist aber beständig mit den Buchstaben [korrekter Abdruck siehe Buch] umschrieben. [41]


[39] Ebenda, pp. 432, 433.  Dies ist ungefähr ebenso gerecht, als wenn in ein paar Jahrtausenden ein Eiferer irgend eines zukünftigen neuen Glaubens, der darauf erpicht wäre, seine Religion auf Kosten des alten Christentums zu verherrlichen, sagen würde: Überall wurde das vierfüßige Lamm angebetet. Die Nonne, die es Agnus nannte, trug es auf ihrer Brust; der Priester legte es auf den Altar. Es figurierte bei jedem Ostermahl, und wurde laut in jedem Tempel gepriesen. Und doch fürchteten und haßten es die Christen, denn sie erschlugen und verschlangen es. Heiden zum mindesten essen nicht ihre heiligen Symbole. Wir kennen keine Schlangen- oder Reptilienesser, außer in den christlichen civilisierten Ländern, wo sie mit Fröschen und Aalen beginnen, und mit der wirklichen Schlange enden müssen, ebenso wie sie mit dem Lamm anfingen und mit Pferdefleisch endeten.

[40] Ebenda, p. 423.

[41] Pantheon, 3.