Nach den Anschauungen der Gnostiker sind diese zwei Prinzipien unveränderliches Licht und unveränderlicher Schatten; gut und böse sind dem Wesen nach eins und haben durch alle Ewigkeit existiert, sowie sie immer fortfahren werden zu existieren, so lange als es geoffenbarte Welten giebt. Dieses Symbol erklärt die Anbetung, welche diese Sekte der Schlange entgegenbringt, als dem Heilande, wenn sie entweder rund um das Opferbrod, oder um ein Tau (das phallische Emblem) gerollt ist. Als eine Einheit sind Ennoia und Ophis der Logos. Wenn getrennt, ist die eine der Baum des geistigen Lebens, und der andere der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Daher finden wir, daß Ophis das erste Menschenpaar - welches die stoffliche Hervorbringung von Ildabaoth ist, aber sein geistiges Prinzip der Sophia-Achamoth verdankt - antreibt, die verbotene Frucht zu essen, obwohl die Ophis die göttliche Weisheit repräsentiert. Die Schlange, der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, und der Baum des Lebens sind alles Symbole, die aus dem indischen Boden verpflanzt sind. Das Arasamaram (?), der Bananenbaum, welcher den Indern so heilig ist - nachdem Vishnu während einer seiner Inkarnationen unter seinem dichten Schatten ruhte und dort menschliche Philosophie und Wissenschaft lehrte - wird der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens genannt. Unter dem schützenden Laub dieses Königs der Wälder geben die Gurus ihren Schülern ihre ersten Lehren über Unsterblichkeit und initiieren sie in die Geheimnisse von Leben und Tod. In der chaldäischen Überlieferung heißt es von den Java-Aleim des Priesterkollegiums, daß sie die Söhne der Menschen gelehrt haben, ihnen gleich zu werden. Bis zum heutigen Tage wirkt Foh-tchou, [58] welcher in seinem Foh-Maeyu oder Buddhatempel auf der Spitze des großen Berges Kouin-Long-Sang [59] lebt, seine größtes religiösen Wunder unter einem Baum, der im Chinesischen Sung-Ming-Shû, oder der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens genannt wird, denn Unwissenheit ist Tod und Wissen allein giebt Unsterblichkeit. Dieses wunderbare Schauspiel findet alle drei Jahre statt und eine ungeheure Menge chinesischer Buddhisten versammelt sich im Pilgerzuge an der heiligen Stätte. [60] Nun kann es verständlich werden, warum die frühesten Initiierten und Adepten, oder die „weisen Männer“, welche angeblich in die Geheimnisse der Natur durch das Universalgemüt initiiert worden sind, das durch die höchsten Engel repräsentiert wird, die „Schlangen der Weisheit“ und die „Drachen“ genannt wurden; und auch, wie so die ersten physiologischen vollständigen Paare - nachdem sie in das Geheimnis der menschlichen Schöpfung durch Ophis, den geoffenbarten Logos und den androgynen initiiert worden sind, durch das Essen der Frucht der Erkenntnis - allmählich von dem materiellen Geist der Nachwelt angeklagt zu werden begannen, daß sie Sünde verübt hätten, daß sie „Gott dem Herrn“ ungehorsam gewesen und von der Schlange verführt worden seien. So wenig haben die ersten Christen - welche die Juden ihrer Bibel beraubten - die ersten vier Kapitel der Genesis ihrer esoterischen Bedeutung nach verstanden, daß sie niemals gewahr wurden, daß in diesem Ungehorsam nicht nur keine Sünde beabsichtigt war; sondern daß die „Schlange“ sogar thatsächlich „Gott der Herr“ selber war, welcher als der Ophis, der Logos, oder der Träger der göttlichen schöpferischen Weisheit die Menschheit lehrte, ihrerseits Schöpfer zu werden. [61] Sie begriffen niemals, daß das Kreuz eine Entwicklung aus dem Baum und der Schlange war, und so die Erlösung der Menschheit wurde. Auf diese Art würde es zum Grundsymbol der schöpferischen Ursache werden, und sich auf Geometrie, Zahlen, Astronomie, Maß, und tierische Fortpflanzung beziehen. Nach der Kabbalah kam der Fluch über den Menschen mit der Erschaffung des Weibes. [62] Der Kreis wurde getrennt von seinem Durchmesser. Aus dem Besitze des doppelten Prinzipes im einen, d. i. dem androgynen Zustande, geschah die Trennung des duales Prinzipes, welches zwei Gegensätze darbot, deren Bestimmung es für alle Zukunft war, Wiedervereinigung in dem ursprünglichen einen Zustand zu suchen. Der Fluch war der, daß nämlich die Natur, während sie zum Suchen antrieb, den begehrten Erfolg durch die Hervorbringung eines neuen Wesens vereitelte, welches von dieser angestrebten Wiedervereinigung oder Einheit verschieden ist, wodurch das natürliche Verlangen, einen verlorenen Zustand wieder zu erobern, getäuscht wurde und für immer getäuscht wird. Durch diesen Tantalusqualen verursachenden Vorgang eines fortgesetzten Fluches lebt Natur. [63] Die Allegorie, daß Adam von dem Baume des Lebens weggetrieben wurde, bedeutet esoterisch, daß die soeben getrennte Rasse das Geheimnis des Lebens mißbrauchte und in das Bereich der Tierheit und Bestialität hinabzog. Denn, wie der Zohar zeigt, ist Matronethah-Shekinah, das Weib des Metatron symbolisch - „der Weg zu dem großen Baume des Lebens, zu dem mächtigen Baume“, und Shikinah ist göttliche Gnade. Wie erklärt, erreicht dieser Baum das himmlische That und ist zwischen drei Bergen (der oberen Dreiheit von Prinzipien im Menschen) verborgen. Von diesen drei Bergen steigt der Baum aufwärts (die Erkenntnis des Adepten strebt himmelwärts), und neigt sich dann wieder abwärts (zu dem Ego des Adepten auf Erden). Dieser Baum ist bei Tage offenbar und bei Nacht verborgen, d. i. einem erleuchteten Gemüte offenbar, und der Unwissenheit, welche die Nacht ist, verborgen. [64] Wie der Kommentar sagt: Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen wächst aus den Wurzeln des Baumes des Lebens hervor. [58] Foh-tchou, bedeutet im Chinesischen wörtlich Buddhas Herr, oder der Lehrer der Lehrsätze des Buddha Foh. [59] Dieser Berg liegt südwestlich von China, ungefähr zwischen China und Tibet. [60] Ebenda, pp. 293, 294. [61] Der Leser möge daran erinnert sein, daß im Zohar, und auch in allen kabbalistischen Werken behauptet wird, daß „Metatron sich mit Shekinah vereinigte“. Nun ist Shekinah als der Schleier (Gnade) von Ain Suph, welche den Logos repräsentiert, eben jener Baum der Erkenntnis; während Shamael – der dunkle Aspekt des Logos – nur die Rinde jenes Baumes einnimmt, und bloß die Kenntnis des Bösen hat. Wie Lacour, der in der Scene vom Fall (Genesis, III) einen der ägyptischen Initiation angehörigen Zwischenfall ansah, sagt: „Der Baum der Weissagung, oder der Erkenntnis des Guten und Bösen . . . ist die Wissenschaft des Tzyphon, des Genius des Zweifels, von tzy ,lehren´, und phon ,Zweifel´. Tzyphon ist einer der Aleim; wir werden ihn sogleich unter dem Namen des Nach, des ,Versuchers` sehen.“ (Les Oeloim, Bd. II. p. 218.) Er ist jetzt den Symbologen unter dem Namen Jehova bekannt. [62] Dies ist die von allen Kirchen ein- und angenommene Anschauungsweise, aber es ist nicht die wirkliche esoterische Lehre. Der Fluch begann weder mit der Erschaffung des Mannes, noch mit der des Weibes, denn ihre Trennung war eine natürliche Folge der Entwicklung, sondern mit dem Bruche des Gesetzes. [63] Wodurch die menschliche Natur lebt; nicht einmal die tierische – sondern die irregeführte, sinnliche und lasterhafte Natur, welche die Menschen, nicht die Natur, geschaffen haben. Siehe die Abteilung „Kreuz und Kreis.“ [64] Siehe Zohar, I. 172, a und b. |