Die wahre Bedeutung der alten Lehre von den „gefallenen Engeln“, in ihrem anthropologischen und evolutionären Sinne, ist in der Kabbalah enthalten, und erklärt die Bibel. Sie findet sich in hervorragender Weise in der Genesis, wenn die letztere in einem Geiste des Suchens nach Wahrheit gelesen wird, ohne Rücksicht auf Dogma, und ohne voreingenommene Stimmung. Dies ist leicht zu beweisen. In der Genesis (VI) verlieben sich die „Söhne Gottes“ - B´ne Aleim - in die Töchter der Menschen, heiraten, und enthüllten ihren Weibern die Geheimnisse, die sie, nach Enoch, unrechtmäßiger Weise im Himmel gelernt hatten, und dies ist der „Fall der Engel“. [10] Aber was ist in Wirklichkeit das Buch Enoch selbst, aus dem der Verfasser der Offenbarung und sogar St. Johannes des vierten Evangeliums [11] so ausführlich citiert hat? Einfach ein Buch der Initiation, welches, in Allegorie und vorsichtiger Ausdrucksweise das Programm gewisser archaischer Mysterien, die in den innern Tempeln vollzogen wurden veröffentlicht. Der Verfasser der Heiligen Mysterien bei den Mayas und Quiches vermutet sehr richtig, daß die sogenannten „Gesichte“ des Enoch sich auf seine (Enochs) Erfahrung bei der Initiation, und was er in den Mysterien lernte, beziehen; indeß er sehr irrtümlich die Ansicht ausspricht, daß Enoch sie kennen gelernt hatte, bevor er zum Christentum bekehrt war (!!); ferner glaubt er, daß dieses Buch geschrieben wurde „am Beginne der christlichen Zeitrechnung, als . . . . die Gebräuche und Religion der Ägypter in Verfall gerieten!“ Dies ist kaum möglich, nachdem Judas in seiner Epistel [12] aus dem Buche Enoch citiert; weshalb es, wie Erzbischof Laurence, der Übersetzer des Buches Enoch aus der äthiopischen Version bemerkt, „nicht das Erzeugnis eines Schriftstellers gewesen sein kann, der später als . . . . oder gleichzeitig mit“ den Schreibern des Neuen Testamentes lebte, wenn nicht in der That Judas und die Evangelien, und alles was folgt, auch das Erzeugnis der bereits gegründeten Kirche waren - was, wie einige Kritiker sagen, nicht unmöglich ist. Aber wir haben jetzt vielmehr mit den „gefallenen Engeln“ des Enoch zu thun, als mit Enoch selber.

In der indischen Exoterik werden diese Engel (Asuras) auch als die „Feinde der Götter“ geschmäht; als jene, welche sich dem den Devas dargebrachten Opferdienst wiedersetzen. In der christlichen Theologie werden sie weitläufig erwähnt als die „gefallenen Geister“, die Helden verschiedener widerstreitender und widersprechender Legenden, die aus heidnischen Quellen gesammelt sind. Der coluber tortuosos, die „gewundene Schlange“ - eine Bezeichnung - die bei den Juden entstanden sein soll - hatte einen ganz andern Sinn, bevor die Kirche sie entstellte; unter anderen eine rein astronomische Bedeutung.


[10] Im allgemeinen sind die sogenannten orthodoxen christlichen Vorstellungen über die „gefallenen“ Engel oder Satan ebenso merkwürdig als unsinnig. Ungefähr ein Dutzend könnten angeführt werden, von verschiedensten Charakter in Bezug auf die Einzelheiten, und alle aus den Federn gebildeter Laienschriftsteller, „akadamisch Graduierter“, des gegenwärtigen Viertels unseres Jahrhunderts. So widmet der Verfasser von den Urzeitaltern der Erde, G. H. Pember, M. A., einen dicken Band dem Beweise, daß die Theosophen, Spiritualisten, Agnostiker, Mystiker, Metaphysiker, Dichter, und jeder zeitgenössische Schriftsteller über orientalische Spekulationen ergebene Diener des „Fürsten der Luft“ und unwiderruflich verdammt sind. Er beschreibt Satan und seinen Antichrist wie folgt:
„Satan ist der `gesalbte Cherub´ des Altertums . . . . Gott schuf den Satan, den schönsten und weisesten aller Seiner Geschöpfe in diesem Teile Seines Weltalls, und macht ihn zum Fürsten der Welt, und der Macht der Luft . . . . Er wurde in ein Paradies versetzt, das sowohl viel früher war als das Paradies der Genesis . . . . als auch von einem ganz verschiedenen und mehr substanziellen Charakter, ähnlich dem Neuen Jerusalem. Da somit Satan vollkommen an Weisheit und Schönheit ist, so ist sein weites Reich unsere Erde, wenn nicht das ganze Sonnensystem . . . . Sicherlich ist keine andere englische Macht von größerer oder auch nur gleicher Würde uns geoffenbart worden. Judas erwähnt, wie der Erzengel Michael selber gegenüber dem Fürsten der Finsternis, die einem Höherstehenden gebührende Achtung bewahrt, wie verrucht er auch sein mag, bis Gott formell seine Absetzung befohlen hat.“ Dann wird uns mitgeteilt, daß „Satan vom Augenblicke seiner Schöpfung an von den Abzeichen der Königswürde umgeben war“ (!!): daß er „zum Bewußtsein erwachte, um die Luft erfüllt zu finden mit der freudigen Musik jener, die Gott dazu bestimmt hatte“. Denn geht der Teufel „von der Königswürde zu seiner priesterlichen Würde über“ (!!!). „Satan war auch ein Priester des Allerhöchsten,“ u. s. w., u. s. w. Und jetzt - „wird der Antichrist der inkarnierte Satan sein.“ (Kap. III. und pp. 56-59.) Die Vorläufer des kommenden Apollyon sind bereits erschienen - es sind dies die Theosophen, die Occultisten, die Verfasser von dem Perfect Way, der Isis Unveiled, des Mystery of the Ages, und selbst des Light of Asia!! Der Verfasser bemerkt die „eingestandene Herkunft“ der Theosophie von den „herabsteigenden Engeln“, von den „Nephilim“, oder den Engeln der Genesis (VI), und den Riesen. Er sollte auch seine eigene Abstammung von diesen bemerkten, wie unsere Geheimlehre zu zeigen versucht - wenn er es nicht ablehnt, zur gegenwärtigen Menschheit zu gehören.

[11] Vergleiche X. 8, wo dasselbe von allen, die vor Jesus gekommen sind, als von „Dieben und Mördern“ spricht.

[12] Vers 14.