Die „Schlange“, die von oben herabfiel (de orsum fluens) soll im Besitze der Schlüssel des Reiches des Todes [korrekter Abdruck siehe Buch] gewesen sein, bis zum Tage, da Jesus sie herabfallen sah „wie ein Blitz . . . . vom Himmel“, [13] ungeachtet der römisch-katholischen Auslegung von „cadebat ut fulgur“. Es bedeutet in der That, daß selbst „die Teufel unterworfen sind“ dem Logos - welcher Weisheit ist, aber zur selben Zeit, als der Gegner der Unwissenheit, Satan oder Lucifer. Diese Bemerkung bezieht sich auf die göttliche Weisheit, welche wie ein Blitz auf die Intellekte jener, welche die Teufel der Unwissenheit und des Aberglaubens bekämpften, herabfährt und sie begeistert. Bis zu der Zeit, da die Weisheit in der Gestalt der inkarnierenden Geister von Mahat von oben herabsteigen, um die dritte Rasse zu beseelen und zu wirklichem bewußten Leben zu rufen - war die Menschheit, wenn sie in ihrem tierischen, sinnlosen Zustand so genannt werden kann, natürlich ebenso zum moralischen wie zum physischen Tode verdammt. Die in die Zeugung verfallenen Engel werden sinnbildlich als Schlangen und Drachen der Weisheit erwähnt. Andererseits, im Lichte des Logos betrachtet, kann gesagt werden, daß der christliche Heiland, wie Krishna, sei es al Mensch oder Logos, jene, welche an die geheimen Lehren glaubten, vom „ewigen Tode“ errettet, und das Reich der Finsternis oder die Hölle besiegt habe, wie jeder Initiierte thut. Dies ist die menschliche, irdische Form der Initiierten, und auch - weil der Logos Christos ist - jenes „Prinzip“ unserer inneren Natur, welches sich in uns zum geistigen Ego entwickelt - zum Höheren Selbst - das aus der unauflöslichen Vereinigung von Buddhi, dem sechsten, und der geistigen Blüte des Manas, des fünften „Prinzipes“ gebildet ist. [14] „Der Logos ist passive Weisheit im Himmel und bewußte, selbstthätige Weisheit auf Erden,“ wird uns gelehrt. Es ist die Vermählung des „himmlischen Menschen“ mit der „Jungfrau der Welt“ oder der Natur, wie im Pymander beschrieben; deren Ergebnis ihr Nachkomme - der unsterbliche Mensch ist. Es ist dies dasselbe, was in der Offenbarung [15] St. Johannis die Hochzeit des Lammes mit seiner Braut genannt wird. Dieses Weib wird jetzt mit der römischen Kirche identificiert, infolge der willkürlichen Auslegungen ihrer Anhänger. Aber diese scheinen zu vergessen, daß ihr „Linnen“ äußerlich „rein und weiß“ sein mag, wie das „übertünchte Grab“; aber die Fäulnis, mit der sie innerlich erfüllt ist, nicht die „Gerechtigkeit der Heiligen“, [16] sondern vielmehr das Blut der Heiligen, die sie „auf Erden erwürgt“ hat. [17]

So wurde die Bemerkung, die der große Initiierte bei Lukas macht - welche sich allegorisch auf den Strahl der Erleuchtung und Vernunft bezieht, der wie ein Blitz vom Himmel fällt in die Herzen und Gemüter derjenigen, die sich zur alten Weisheitsreligion bekehrt haben, die damals in einer neuen Form von dem weisen galileischen Adepten [18] vorgebracht wurde - bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit entstellt, wie auch seine eigene Persönlichkeit, und wurde mit einem der grausamsten und gefährlichsten aller theologischen Dogmen in Übereinstimmung gebracht.

Aber wenn westliche Theologie allein das Patent und Urheberrecht des Satan hält - in dem ganzen dogmatischen Schrecken dieser Erdichtung - so haben andere Nationalitäten und Religionen gleiche Irrtümer durch ihre falsche Auslegung des Lehrsatzes begangen, welcher einer der am tiefsten philosophischen und idealen Vorstellung des alten Denkens ist. Sie haben die richtige Bedeutung desselben in ihren zahlreichen Allegorieen über den Gegenstand sowohl entstellt, als auch angedeutet. Auch haben die halbesoterischen Dogmen des purânischen Hindûtums nicht verfehlt, sehr bedeutsame Symbole und Allegorieen in betreff der aufrührerischen und gefallenen Götter zu entwickeln. Die Purânen sind voll davon und wir finden einen unmittelbaren Hinweis auf die Wahrheit in den häufigen Anspielungen auf Parâshara im Vishnu Purâna, auf alle jene Rudras, Rishis, Asuras, Kumâras und Munis, welche in einem jeden Zeitalter geboren werden müssen - um in jeden Manvantara zu reinkarnieren. Dies kommt esoterisch dem Ausspruche gleich, daß die aus dem Universalgemüte oder Mahat geborenen „Flammen“ infolge des geheimnisvollen Wirkens des karmischen Willens und des Antriebes des Entwicklungsgesetzes - ohne irgend welchen stufenweisen Übergang - auf dieser Erde gelandet seien, nachdem sie, wie in Pymander, die „sieben Feuerkreise“, oder kurz gesagt, die sieben dazwischen liegenden Welten durchbrochen hatten.

Es giebt ein ewiges cyklisches Gesetz der Wiedergeburten, und an der Spitze der Reihe stehen mit jeder neuen manvantarischen Dämmerung jene, welche nach den Reinkarnationen in früheren Kalpas durch unzählbare Aeonen ihre Ruhe genossen hatten, die höchsten und die frühesten Nirvânîs. Diese „Götter“ waren an der Reihe, sich in dem gegenwärtigen Manvantara zu inkarnieren. Daher ihre Gegenwart auf Erden und die daraus sich ergebenden Allegorieen; daher auch die Verdrehung der ursprünglichen Bedeutung. [19] Die Götter, welche „in die Zeugung gefallen“ waren, deren Sendung es war, den göttlichen Menschen zu vollenden, finden sich später dargestellt als Dämonen, böse Geister, und Feinde, in Fehde und Krieg mit den Göttern, oder den unverantwortlichen Werkzeugen des einen ewigen Gesetzes. Aber niemals war eine Vorstellung von solchen Geschöpfen wie die Teufel und der Satan der christlichen, jüdischen und muhammedanischen Religion durch jene tausend und eine ârische Allegorieen angedeutet. [20]


[13] Lukas, X. 18.

[14] Es ist nicht richtig, Christus - wie es einige Theologen thun - als Buddhi, das sechste Prinzip im Menschen, aufzufassen. Das letztere an sich ist ein passives und latentes Prinzip, der geistige Träger von Âtmâ, untrennbar von der geoffenbarten Universalseele. Nur in Vereinigung mit Selbstbewußtsein wird Buddhi das Höhere Selbst und die Göttliche unterscheidende Seele. Christos ist das siebente Prinzip, wenn irgend etwas.

[15] XIX. 7.

[16] Ebenda, Vers 8.

[17] XVIII. 24.

[18] Um dies klarer zu machen, so wird jeder, der die Stelle im Lukas liest, sehen, daß die Bemerkung dem Berichte der Siebenzig folgt, welche sich freuen, daß „auch die Teufel (der Geist des Streites und des Rechtens, oder der Widerstandskraft, da Satan einfach `Widersacher´ oder `Gegner´ bedeutet) uns unterthan sind in deinem Namen.“ (Lukas, X. 17.) Nun offenbart „dein Name“, den Namen Christos, oder Logos, oder den Geist der wahren göttlichen Weisheit, zum Unterschiede von dem Geiste der intellektuellen und rein materialistischen Urteilskraft - kurz gesagt, das Höhere Selbst. Und wenn Jesus hierauf bemerkt, daß er „sah den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz“, so ist dies eine bloße Behauptung seiner hellsehenden Kräfte, welche ihnen bekannt giebt, daß er dies bereits kannte, und eine Bezugnahme auf die Inkarnation des göttlichen Strahles - der Götter oder Engel - welcher in die Zeugung verfällt. Denn durchaus nicht alle Menschen haben Nutzen aus dieser Inkarnation, und bei einigen bleibt die Kraft während des ganzen Lebens latent und tot. Wahrlich „niemand weiß, wer der Sohn sei, denn nur der Vater; noch wer der Vater sei, denn nur der Sohn“, wie Jesus damals und dort (Vers 22) hinzufügte - die „Kirche Christi“ weniger als sonst irgend jemand.
Die Initiierten allein verstanden die geheime Bedeutung der Ausdrücke „Vater“ und „Sohn“, und wussten, daß sie sich auf Geist und Seele auf Erden bezog. Denn die Lehren Christi waren occulte Lehren, welche nur bei der Initiation erklärt werden konnten. Sie waren niemals für die Massen berechnet, denn Jesus verbat den Zwölfen, zu den Heiden und zu den Samaritanern zu gehen (Matthäus X. 5) und wiederholte seinen Schülern, daß das „Geheimnis des Reiches Gottes“ für sie allein sei, und nicht für die Menge (Markus, IV. 11).

[19] So hatte zum Beispiel in den Purânen Pulastya, ein Prajâpati oder Sohn des Brahmâ - der Vorfahr der Râkshasas und der Großvater des Râvanam des großen Königs von Lankâ im Râmâyana - in einer früheren Geburt einen Sohn Namens Dattoli, „welcher jetzt bekannt ist als der Weise Agastya,“ sagt das Vishnu Purâna (Wilsons Übers., I. 154). Dieser Name Dattoli allein hat noch sechs weitere Varianten, oder sieben Bedeutungen. Er heißt beziehungsweise Dattoli, Dattâli, Dattotti, Dattotri, Dattobhri, Dambhobhi, Dambholi. Diese sieben Varianten haben eine jede einen geheimen Sinn, und beziehen sich in den esoterischen Kommentaren auf verschiedene ethnologische Klassifikationen, und auch auf physiologische und anthropologische Geheimnisse der ursprünglichen Rassen. Denn sicherlich sind die Râkshasas kein Dämonen, sondern einfach die ursprünglichen und wilden Riesen der Atlantier, welche über die Erdoberfläche zerstreut waren, wie es jetzt die fünfte Rasse ist. Vasishtha ist eine Gewähr dafür, wenn anders seine Worte, die er an Parâshara richtete, welcher zur Vernichtung der Râkshasas ein bischen Jadoo (Zauberei) versuchte, was er „Opfer“ nennt, irgend etwas bedeuten. Denn er sagt: „Vernichte nicht mehr von diesen harmlosen `Geistern der Dunkelheit´.“ (Wegen der Einzelheiten siehe Mahâbhârata, Âdi Parvan, s. 176; auch Linga Purâna, Pûrvârdha, s. 64; Wilson, ebenda, I. 8, 9.)

[20] Wir haben eine Stelle aus dem Briefe eines Meisters, welcher sich unmittelbar auf diese inkarnierende Engel bezieht. Der Brief sagt: „Nun giebt es, und es muß solche geben, Mißerfolge in den ätherischen Rassen der vielen von Dhyân Chohans, oder Devas (vorgeschrittene Wesenheiten aus einer früheren planetarischen Periode), so gut wie unter den Menschen. Da jedoch diese Mißerfolge zu weit fortgeschritten und vergeistigt sind, als daß sie mit Gewalt aus ihrer Dhyân-Chohanschaft in den Strudel einer neuen ursprünglichen Entwicklung durch die niederen Reiche geworfen werden könnten, so geschieht folgendes. Wo ein neues Sonnensystem entwickelt werden soll, werden diese Dhyân Chohans durch Einströmen `an die Spitze´ der Elementale (Wesen . . . die in einer zukünftigen Zeit zur Menschheit entwickelt werden sollen) getragen und bleiben als eine verborgene oder unthätige geistige Kraft in der Aura einer entstehenden Welt . . . bis der Zustand der menschlichen Entwicklung erreicht ist. . . . Dann werden sie eine thätige Kraft und vermengen sich mit den Elementalen, um allmählich den vollen Typus der Menschheit zu entwickeln.“ Das heißt, sich im Menschen zu entwickeln, und ihn mit seinem selbstbewußtem Gemüt oder Manas zu begaben.