Zusammengefaßt ist jeder schöpferische Logos, oder der „Sohn, welcher eins ist mit dem Vater“, die Schar der Rectores Mundi in sich selbst. Selbst in die christliche Theologie macht aus den sieben „Engeln der Gegenwart“ die Tugenden oder die personificierten Attribute Gottes, welche, von ihm erschaffen, so wie die Manus von Brahmâ, zu Erzengeln wurden. die römisch katholische Theodice selbst, die in ihrem schöpferischen Verbum Princeps das Haupt dieser Engel (caput angelorum) und den Engel des großen Rates (magni consilii angelus) anerkennt, anerkennt damit die Identität Christi mit diesen.

„Die Sura werden A-Sura“ - die Götter wurden Nichtgötter - sagt der Text; d. i. Götter wurden Feinde - Satan, wenn buchstäblich gelesen. Aber es wird jetzt gezeigt werden, in der Lehre der Geheimlehre, daß Satan als Gut und als Opfer, als ein Gott der Weisheit, unter verschiedenen Namen allegorisiert ist.

Die Kabbalah lehrt, daß Stolz und Vermessenheit - die zwei Hauptanreizer der Selbstsucht und des Egoismus - die „Ursachen sind, welche den Himmel um ein Drittel seiner göttlichen Bewohner mystisch, und um ein Drittel der Sterne astronomisch leer machte; mit anderen Worten, die ersten Behauptung ist eine Allegorie, und die zweite eine Thatsache. Die erstere hängt jedoch nichtsdestoweniger, wie gezeigt ist, enge mit der Menschheit zusammmen.

Andererseits behielten die Rosenkreuzer, welche mit der geheimen Bedeutung der Überlieferung wohl vertraut waren, dieselbe für sich und lehrten bloß, daß die ganze „Schöpfung die Folge und das Ergebnis war von jenem sagenhaften „Krieg im Himmel“, der durch den Aufruhr der Engel [30] gegen das schöpferische Gesetz oder den Demiurgen herbeigeführt wurde. Die Behauptung ist richtig, aber die innere Bedeutung ist bis zum heutigen Tage ein Geheimnis. Einer weiteren Erklärung der Schwierigkeit dadurch auszuweichen, daß man sich auf ein göttliches Mysterium oder auf die Sündhaftigkeit des Ausspähens der Absichten desselben beruft - heißt überhaupt nicht sagen. Das mag sich als hinlänglich für die Anhänger der Unfehlbarkeit des Papstes erweisen, aber es wird schwerlich das philosophische Gemüt befriedigen. Aber die Wahrheit, obwohl sie den meisten der höheren Kabbalisten bekannt war, ist niemals von irgend einem aus ihrer Zahl gesagt worden. Sämtliche Kabbalisten und Symbologen haben ein außerordentliches Widerstreben gezeigt, die ursprüngliche Bedeutung des Falles der Engel einzugestehen. Bei einem Christen ist ein solches Schweigen natürlich. Weder ein Alchimist noch ein Philosoph hätte während des Mittelalters das aussprechen können, [31] was in den Augen der orthodoxen Theologie eine schreckliche Lästerung war, denn es hätte sie unmittelbar durch das „heilige“ Officium der Inquisition zu Folter und Scheiterhaufen geführt. Aber für unsere Kabbalisten und Freidenker liegt die Sache anders. Bei den letzteren, fürchten wir, ist es bloß menschlicher Stolz, Eitelkeit, die auf einem laut verworfenen, aber ausrottbaren Aberglauben beruht. Seitdem die Kirche in ihrem Kampfe mit dem Manichäismus den Teufel erfunden und dadurch, daß sie ein theologisches Löschhorn über den strahlenden Sternengott, Lucifer, den „Sohn des Morgens“, gestülpt hat, so den großartigesten aller ihrer Widersprüche erschaffen hat, ein schwarzes und finsteres Licht - hat die Fabel ihre Wurzel erschaffen hat, Boden des blinden Glaubens gesenkt, als daß sie in unserem Zeitalter auch nur jenen, welche sich mit ihren Dogmen nicht beruhigen und über ihren gehörnten und pferdefüßigen Satan lachen, gestatten würde, mutig aufzutreten und das hohe Alter der ältesten aller Überlieferungen zu bekennen. Mit ein paar kuren Worten ist es dies. Halb exoterisch wurde den „Erstgeborenen“ des allmächtigen - Fiat Lux - oder den Engeln des ursprünglichen Lichts, befohlen zu „schaffen“; ein Drittteil von ihnen lehnte sich auf und „weigerte sich“; während jene, welche „gehorchten“, wie Fetahil that - ganz vollständig fehlten.


[30] Die Allegorie von dem Feuer des Prometheus ist eine andere Lesart des Aufruhrs des stolzen Lucifer, welcher in den „bodenlosen Abgrund“, oder einfach auf unsere Erde hinabgeschleudert wurde, um als Mensch zu leben. Der indische Lucifer, der Mahâsura, soll auch eifersüchtig auf das glänzende Licht des Schöpfers geworden sein und sich an der Spitze der niederen Asuras (nicht Götter, aber Geister) gegen Brahmâ aufgelehnt haben; dafür schleudert ihn Shiva hinab nach Pâtâla. Da aber in indischen Mythen Philosophie Hand in hand mit allegorischer Dichtung geht, so lässt sie den „Teufel“ bereuen und es wird ihm Gelegenheit zum Fortschritte gewährt: es ist esoterisch ein sündiger Mensch, und kann durch Yoga, Hingabe und Adeptschaft neuerlich seinen Zustand des „Einsseins mit der Gottheit“ erreichen. Herkules, der Sonnengott, steigt in den Hades (die Höhle der Initiation) hinab, um die Opfer von ihren Qualen zu befreien, u. s. w.  Nur die christliche Kirche schafft ewige Qual für den Teufel und die Verdammten, die sie erfunden hat.

[31] Warum sollte zum Beispiel Éliphas Lévi, der sehr fruchtlose und ausgesprochene Kabbalist, gezögert haben, das Geheimnis des sogenannten gefallenen Engel zu veröffentlichen? Daß er die Thatsache und die wirkliche Bedeutung der Allegorie sowohl in ihrem religiösen und mystischen, als auch in ihrem physiologischem Sinne kannte, ist durch seine umfangreichen Schriften und häufigen Anspielungen und Winke erwiesen. Und doch sagt Éliphas, nachdem er hundertmal in seinem früheren Werken darauf angespielt, in seiner späteren Histoire de la Magie (pp. 220, 221): „Wir protestieren mit aller unserer Kraft gegen die Herrschaft und das Überallsein des Satan. Wir beabsichtigen hier die Überlieferung von dem Falle der Engel weder zu leugnen noch zu behaupten . . . . Aber wenn dem so ist . . . dann kann der Fürst der rebellischen Engel im besten Falle der letzte und machtloseste unter den Verdammten sein - nun, da er getrennt ist von der Gottheit - welche das Prinzip jeder Kraft ist.“ Das ist verschwommen und ausweichend genug; aber sehen wir, was Hargrave Jennings in seinem unheimlichen, abgehackten Styl schreibt:
„Beide, St. Michael und St. Georg, sind Typen. Sie sind geheiligte Personen oder erhabene Helden, oder vergöttlichte Kräfte. Sie sind ein jeder mit seinen eigentümlichen Fähigkeiten und Attributen dargestellt. Diese sind reproduciert und stehen vervielfältigt - unterschieden durch verschiedene Namen in allen Mythologien (einschließlich der christlichen). Aber die Idee in Bezug auf einen jeden ist eine allgemeine. Diese Idee und Gedankenvorstellung ist die eines allmächtigen Kämpfers - kindergleich in seiner `jungfräulichen Unschuld´ - so mächtig, daß diese gotterfüllte Unschuld (die Seraphim `wissen am meisten´, die Cherubim `lieben am meisten´) die Welt zerschmettern kann (die artikuliert ist - um das Wort so zu gebrauchen - in der Magie des Lucifer, aber verdammt), im Gegensatz zu den kunstvollen Konstruktionen, erlangt von der Erlaubnis des Allerhöchsten - kunstvollen Konstruktionen, erlangt von der Erlaubnis des Allerhöchsten - kunstvollen Konstruktionen (`Dieseitsleben´) - des herrlichen Apostaten des mächtigen Rebellen, aber doch zur selben Zeit des `Lichtbringers´, des Lucifer - des `Morgensterns´, des `Sohnes des Morgens´ - der allerhöchste Titel `außerhalb des Himmels´, denn im Himmel kann er nicht sein, aber außerhalb des Himmels ist er alles. Mit einer scheinbar unglaublichen Seite seines Charakters - denn der Leser möge sorgfältig bemerken, daß Eigenschaften kein Geschlecht haben - ist dieser Erzengel St. Michael die unbesiegbare, geschlechtlose, himmlische `Energie´ - um ihm mit seinen großen Charakteristiken zu würdigen - der unbesiegbare `jungfräuliche Kämpfer´, bekleidet . . . und zur selben Zeit bewaffnet mit dem verneinenden Panzer der gnostischen `Weigerung zu schaffen´. Dies ist ein anderer Mythos, ein `Mythos innerhalb Mythen´ . . . ein erstaunliches `Geheimnis der Geheimnisse´, weil es so unmöglich und kontradiktorisch ist. Unerklärlich wie die Apokalypse. Unoffenbarlich wie die `Offenbarung´. (Phallicism, pp. 212, 213.)
Nichtsdestoweniger wird dieses unoffenbarliche und unerklärliche Geheimnis jetzt durch die Lehre des Ostens erklärt und offenbar werden. Natürlich so, wie es der sehr gelehrte, aber noch mehr verwirrende Verfasser des Phallicism giebt, würde freilich kein uninitiierter Sterblicher jemals seine wirkliche Absicht verstehen.