Wie immer nun der Sturm auf die „Reihenfolge der Schöpfung“ in der Genesis sich gestalten möge – und ihre buchstäbliche Erzählung eignet sich sicherlich bewundernswürdig für Kritik [55] – so werden doch die indischen Purânen trotz ihrer allegorischen Übertreibungen in vollständigere Übereinstimmung mit der Naturwissenschaft befunden werden.

Selbst das, was oberflächlich betrachtet, als gänzlich unsinnig erscheint, die Allegorie von Brahmâ, welcher die Gestalt eines Ebers annimmt, und die Erde aus dem Grunde des Wassers zu befreien, findet eine vollkommen wissenschaftliche Erklärung in den geheimen Kommentaren, da sie sich thatsächlich auf die vielen Erhebungen und Senkungen bezieht, auf den beständigen Wechsel von Wasser und Land von den frühesten bis zu den spätesten geologischen Perioden unserer Erde; denn die Wissenschaft lehrt uns jetzt, daß neun Zehntel der geschichteten Formationen der Erdkruste allmählich unter dem Wasser auf dem Meeresgrund aufgebaut worden sind. Man glaubt, daß die alten Ârier von Naturgeschichte, Geologie u. s. w. durchaus nichts gewußt haben. Von der jüdischen Rasse behauptet selbst ihr strengster Kritiker, ein unnachgiebiger Gegner der Bibel, daß sie das Verdienst habe, die Idee des Monotheismus „früher erfaßt und fester behalten zu haben, als irgend eine der weniger philosophischen und mehr unmoralischen Religionen (!!) der alten Welt.“ [56] Nur, während wir in der biblischen Esoterik physiologische sexuelle Mysterien symbolisiert finden, und sehr wenig mehr, wozu sehr wenig wirkliche Philosophie erforderlich ist – kann man in den Purânen den höchst wissenschaftlichen und philosophischen „Schöpfungsmorgen“ finden, welcher unparteiisch analysiert und aus seinen märchenartigen Allegorieen in einfache Sprache übersetzt, zeigen würde, daß die moderne Zoologie, Geologie, Astronomie und nahezu alle Zweige der modernen Kenntnis von der alten Wissenschaft vorweggenommen und den alten Philosophen in ihren allgemeinen Zügen, wenn nicht bis in solche Einzelheiten, wie gegenwärtig, bekannt waren.
Die purânische Astronomie, mit aller ihrer absichtlichen Verhüllung und Verwirrung zum Zwecke der Ablenkung des Profanen von der wirklichen Spur, ist selbst von Bentley als eine wirkliche Wissenschaft nachgewiesen worden; und jene, welche mit den Mysterien der indischen astronomischen Abhandlungen vertraut sind, werden bestätigen, daß die modernen Theorieen von der fortschreitenden Verdichtung der Nebelflecke, Nebelsterne und Sonnen zugleich mit den allergenauesten Einzelheiten über das cyklische Fortschreiten der Sternbilder für chronologische und andere Zwecke – viel richtiger, als sie die Europäer jetzt haben – in Indien bis zur Vollkommenheit bekannt waren.
Wenn wir uns der Geologie und Zoologie zuwenden, so finden wir dasselbe. Was sind alle  die Mythen und endlosen Genealogien von den sieben Prajâpatis, ihren Söhnen, den sieben Rishis oder Manus, und ihren Weibern, Söhnen und Nachkommen anders, als ein großer ausführlicher Bericht über die fortschreitende Entwicklung du Evolution der tierischen Schöpfung, einer Art nach der anderen? Waren die hochphilosophischen und metaphysischen Ârier – die Verfasser des vollkommensten philosophischen Systems transcendentaler Psychologie, von Gesetzbüchern der Ethik, einer Grammatik, wie der des Pânini, des Sânkhya und Vedântasystems, eines Moralkodex (des Buddhismus, den Max Müller für den vollkommensten der Erde erklärte – waren die Ârier Narren oder Kinder genug, um ihre Zeit mit dem Schreiben von „Feenmärchen“ zu verlieren, als welche die Purânen jetzt von jenen betrachtet zu werden scheinen, die nicht die entfernteste Idee von der geheimen Bedeutung haben? Was ist die „Fabel“, die Genealogie und der Ursprung des Kashyapa, mit seinen zwölf Weibern, von welchen er eine zahlreiche und verschiedenartige Nachkommenschaft von Schlangen (Nâgas), Reptilien, Vögeln, und allen Arten lebendiger Dinge hatte, welcher also der „Vater“ aller Arten von Tieren war, anders, als eine verschleierte Aufzeichnung der Reihenfolge der Entwicklung in dieser Runde? Bis jetzt sehen wir nicht, daß irgend ein Orientalist jemals auch nur die entfernteste Vorstellung von den unter den Allegorieen und Personifikationen verborgenen Wahrheiten gehabt hat. Das Shatapatha Brâhmana, sagt einer, giebt „einen nicht sehr verständlichen Bericht“ von Kashyapas Ursprung.


[55] Herrn Gladstone´s unglücklicher Versuch, den Bericht der Genesis mit der Wissenschaft zu versöhnen (siehe seinen „Schöpfungsmorgen“ und „Vorrede zur Genesis“ in The Nineteenth Century, 1886) hat über ihn den von Herrn Huxley geschleuderten Jovischen Blitz gebracht. Der buchstäbliche Bericht rechtfertige keinen solchen Versuch; und seine vielfältige Ordnung oder Einteilung der belebten Schöpfung hat sich in den Stein verwandelt, der anstatt die Fliege auf der Stirne des schlafenden Freundes zu töten, den Mann selbst getötet hat. Herr Gladstone hat die Genesis für immer getötet. Aber dies beweist nicht, daß in der letzteren keine Esoterik ist. Die Thatsache, daß die Juden und alle Christen, die modernen sowohl wie die frühen Sekten, die Erzählung durch zweitausend Jahre buchstäblich genommen haben, beweist nur ihre Unwissenheit, und zeigt den großen Scharfsinn und die Geschicklichkeit in der Konstruktion seitens der initiierten Rabbiner, welche die zwei Berichte - den Elohistischen und Jehovistischen - esoterisch aufbauten und absichtlich die Bedeutung der unvokalisierten Glyphen oder Wortzeichen in dem Urtexte verwirrten. Die sechs Tage (Yom) der Schöpfung bedeutet sechs Perioden der Entwicklung, und der siebente Tag ist der des Höhepunktes, der Vollendung - nicht der Ruhe. Diese beziehnen sich auf die sieben Runden und die sieben Rassen mit einer bestimmten „Schöpfung“ in einer jeden derselben; obwohl der Gebrauch der Worte Boker „Dämmerung“ oder „Morgen“, und Ereb „Abenddämmerung“ - welche esoterisch dieselbe Bedeutung haben, wie Sandhyâ, „Zwielicht“, im Sanskrit – zum Vorwurfe der gröblichsten Unwissenheit in Bezug auf die Reihenfolge der Entwicklung geführt haben.

[56] Modern Science and Thought, p. 337.