Nichtsdestoweniger, wie es Faber ausdrückt:

Die Erdichtungen der alten Poesie . . . enthalten, wie man finden wird, einen Teil geschichtlicher Wahrheit.

Wie einseitig auch die Bemühungen des gelehrten Verfassers von A Dissertation on the Mysteries of the Cabiri sind - Bemühungen, die sich durch seine ganzen zwei Bände darauf richten, die klassischen Mythen und Symbole des alten Heidentums zu nötigen, ,,Zeugnis zu geben für die Wahrheit der Schrift“ - so haben doch Zeit und weitere Untersuchungen zum Teile wenigstens doch diese ,,Wahrheit“ gerächt, indem sie dieselbe unverhüllt zeigten. Somit wurden im Gegenteile die geschickten Bearbeitungen der Schrift veranlaßt, Zeugnis zu geben für die große Weisheit des archaischen Heidentums. Und das trotz der unentwirrbaren Verworrenheit, in welche die Wahrheit über die Kabiren — die geheimnisvollsten Götter des Altertums - durch die wilden und widerspruchsvollen Spekulationen von Bischof Cumberland, Dr. Shuckford, Cudworth, Vallancey, u. s. w. und zuletzt von Faber gebracht wurde. Nichtsdestoweniger mußten alle diese Gelehrten, vom ersten bis zum letzten, zu einem gewissen Schlusse kommen, der von den letztgenannten wie folgt gefaßt wurde:

Wir haben keinen Grund, zu denken, daß der Götzendienst der heidnischen Welt eine rein willkürliche Erfindung war; im Gegenteil scheint er nahezu allgemein auf einer traditionellen Erinnerung an gewisse wirkliche Ereignisse aufgebaut gewesen zu sein. Diese Ereignisse fasse ich auf als die Vernichtung der ersten (der vierten in der esoterischen Lehre) Menschenrasse durch die Wasser der Sintflut. [74]

Dem fügt Faber hinzu:

Ich bin überzeugt, daß die Überlieferung von dem Versinken der phlegrischen Insel genau dieselbe ist wie jene von dem Versinken der Insel Atlantis. Beide scheinen mir auf ein großes Ereignis anzuspielen, auf den Untergang der ganzen Welt unter den Wassern der Sintflut, oder, wenn wir annehmen, daß das Erdgewölbe in seiner ursprünglichen Lage geblieben ist, auf das Emporsteigen des centralen Wassers über dasselbe. Herr Bailly bemüht sich thatsächlich in seinem Werke über die Atlantis des Plato, dessen Zweck es offenbar ist, die Autorität der Chronologie der Schrift zu entwerten, zu beweisen, daß die Atlantier eine sehr alte nördliche Nation waren, lange vor den Indern, den Phöniziern und den Ägyptern. [75]

Hierin ist Faber in Übereinstimmung mit Bailly, der sich als gelehrter und intuitiver erweist, als jene, welche die biblische Chronologie annehmen. Auch hat der letztgenannte nicht unrecht, wenn er sagt, daß die Atlantier dasselbe waren wie die Titanen und die Giganten. [76] Faber adoptiert um so bereitwilliger die Ansicht seines französischen Kollegen, als Bailly den Cosmas Indicopleustes erwähnt, welcher eine alte Tradition über Noah aufbewahrte - daß er ,,zuerst die Insel Atlantis bewohnte.“ Ob diese Insel die im Geheimbuddhismus erwähnte ,,Poseidonis“ ist, oder der Kontinent Atlantis, thut nicht viel zur Sache. Die Überlieferung ist da, aufgezeichnet von einem Christen.

Kein Occultist würde jemals daran denken, den Noah seines Vorrechtes zu berauben, wenn er ein Atlantier genannt wird; denn dies würde einfach zeigen, daß die Israeliten die Geschichte vom Vaivasvata Mann, Xisuthrus, und so vielen anderen wiederholten, und daß sie bloß den Namen veränder­ten, wozu sie dieselbe Berechtigung hatten, wie jede andere Nation oder Stamm. Wir wenden uns bloß gegen die buchstäbliche Annahme der biblischen Zeitrechnung, da diese unsinnig ist, und weder mit den geologischen Daten noch mit der Vernunft übereinstimmt.

Obendrein, wenn Noah ein Atlantier war, dann war er ein Titan, ein Gigant, wie Faber zeigt; und wenn er ein Gigant war, warum wird er dann nicht in der Genesis als solcher angeführt? [77]

Baillys Irrtum war, das Untertauchen der Atlantis zu verwerfen, und die Atlantier einfach eine nördliche und nachsintflutliche Nation zu nennen, welche jedoch, wie er sagt, sicherlich vor der Gründung der indischen, ägypti­schen und phönizischen Reiche blühte. Auch hierin wäre er wieder im Recht ge­wesen. wenn er nur von dem Dasein dessen gewußt hätte, was wir Lemurien zu nennen übereingekommen sind. Denn die Atlantier waren nachsintflutlich gegenüber den Lemuriern, und Lemurien war nicht untergetaucht wie Atlantis, sondern ward unter die Wogen versenkt, infolge von Erdbeben und unterirdischen Feuern, wie es auch mit Großbritannien und Europa eines Tages geschehen wird. Die Unwissenheit unserer Männer der Wissenschaft, welche weder die Ueberlieferung annehmen wollen, daß verschiedene Kontinente bereits versunken sind, noch das periodische Gesetz welches durch den ganzen manvantarischen Cyklus wirkt - diese Unwissenheit ist die Hauptursache aller Verwirrung. Auch hat Bailly nicht unrecht, wenn er uns versichert, daß die Inder, Ägypter und Phönizier nach den Atlantiern kamen, denn die letzteren gehörten der vierten Rasse an, während die Ârier und ihr semitischer Zweig zur fünften Rasse gehörten. Wenn Plato die Geschichte als dem Solon von den ägyptischen Priestern erzählt wiederholt, so vermischt er absichtlich - wie jeder Initiierte thun würde - die zwei Kontinente, und schreibt der kleinen zuletzt versunkenen Insel alle Ereignisse zu, welche den zwei ungeheuren Kontinenten, dem prähistorischen und dem traditionellen - angehören. Daher beschreibt er das erste Paar, von dem die ganze Insel bevölkert wurde, als aus Erde gebildet. Mit diesen Worten meint er weder Adam und Eva, noch auch seine eigenen hellenischen Vorväter. Seine Sprache ist einfach allegorisch, und wenn er auf die ,,Erde“ anspielt, so meint er die Materie, da die Atlantier in Wirklichkeit die erste rein menschliche und irdische Rasse waren - da jene, welche ihr vorangingen, mehr göttlich und ätherisch als menschlich und fest waren.


[74] a. a. O., I. 9.

[75] Ebenda, II. 283, 284.

[76] Siehe seine Lettres sur l´Atlantide.

[77] Dies ist gezeigt von Faber, wieder einem frommen Christen, welcher sagt, „Auch die noachische Familie . . .  . trug die Beinamen der Atlantier und Titanen; und der große Patriarch selbst wurde vorzugsweise Atlas und Titan genannt.“ (Ebenda, II. 285.) Und wenn so, dann muß nach der Bibel Noah der Nachkomme der Söhne Gottes gewesen sein, der gefallenen Engel, nach derselben Autorität, und der Töchter der Menschen, welche schön waren.“ (Siehe Genesis, VI) Und warum nicht, nachdem sein Vater Lamech einen Menschen erschlug, und mit allen seinen Söhnen und Töchtern, welche in der Sintflut zugrunde gingen, ebenso schlecht war, wie die übrige Menschheit.