Nichtsdestoweniger sind nicht einmal die Riesen ohne ihre Zeugen gelassen, und man kann ebensogut beide Seiten der Frage untersuchen. Die drei Wissenschaften - die geologische, die siderische und die schriftmäßige, die letztere in ihrem universalen Charakter - können uns mit den nötigen Beweisen versorgen. Um mit der Geologie zu beginnen: Sie hat bereits eingestanden, daß je älter die ausgegrabenen Gerippe sind, desto größer, höher und mächtiger ihr Bau ist. Damit besitzen obwohl allzufromm an die Bibel und Noahs Arche glaubend, nichtsdestoweniger ein wissenschaftlicher Zeuge ist, schreibt:

Alle jene Knochen, die in dem Departement Gard, in Österreich, in Liége u. s. w. gefunden wurden, jene Schädel, die einen alle an den Negertypus erinnern . . . und die auf Grund ihres Typus irrtümlich für Tiere gehalten werden können, haben alle Menschen von hoher Statur angehört. [112]

Dasselbe wird von Lartet wiederholt, einer Autorität, welche jenen, die in der Sintflut untergingen - nicht notwendigerweise in der des ,,Noah“ - eine ,,hohe Statur“ zuschreibt, und den Rassen, welche in der Folgezeit lebten, eine niedrigere Statur.

Was den von den alten Schriftstellern gelieferten Nachweis anbelangt, so brauchen wir uns mit dem des Tertullian nicht zu bemühen, der uns versichert, daß zu seiner Zeit eine Anzahl von Riesen zu Karthago gefunden wurden - denn, bevor sein Zeugnis angenommen werden kann, müßte zuerst seine eigene Identität, [113] wenn nicht seine thatsächliche Existenz bewiesen werden. Wir können uns jedoch an die Zeitungen von 1858 wenden, welche von einem ,,Riesensarkophag“ sprechen, der in jenem Jahre an der Stelle eben dieser Stadt gefunden wurde. Was die alten heidnischen Schriftsteller anbelangt, so haben wir das Zeugnis des Philostratus, welcher von einem zweiundzwanzig Ellen langen Riesengerippe spricht, sowie auch von einem anderen von zwölf Ellen, das er selber auf dem Vorgebirge von Sigaeum gesehen hatte. Dieses Skelet mag vielleicht nicht, wie Protesilas glaubt, dem von Apollo bei der Belagerung von Troja getöteten Riesen angehört haben; nichtsdestoweniger war es das eines Riesen, sowie es auch das andere, von Messekrates von Stira in Lemnos entdeckte war - schrecklich anzuschauen nach Philostratus. [114] Ist es möglich, daß das Vorurteil die Wissenschaft soweit bringen kann, alle diese Männer entweder unter die Narren, oder unter die Lügner zu rechnen.

Plinius spricht von einem Riesen, in welchem er den Orion zu erkennen glaubte, oder den Otus, den Bruder des Ephialtes. [115] Plutarch erklärt, daß Sertorius das Grabmal des Riesen Antäus gesehen hat; und Pausanias bezeugt die thatsächliche Existenz der Grabmäler des Asterius und des Geryon, oder des Hillus, des Sohnes des Herkules - alle Riesen, Titanen und mächtige Menschen. Schließlich versichert der Abbé Pegues in seinem merkwürdigen Werke Les Volcans de la Grèce:

In der Nachbarschaft der Vulkane der Insel Thera wurden Riesen mit ungeheuren Schädeln gefunden, die unter kolossalen Steinen gelagert waren, deren Aufrichtung an jedem Orte die Anwendung titanischer Kräfte erfordert haben muß, und welche die Überlieferung in allen Ländern mit den Vorstellungen von Riesen, Vulkanen und Magie in Verbindung bringt. [116]

In demselben oben angeführten Werke wundert sich der Verfasser, warum in der Bibel und Überlieferung die Gibborim, die Riesen oder die ,,Mächtigen“ die Rephaim, die Gespenster oder die ,,Phantome“, und die Nephilim oder die ,,Gefallenen“ (irruentes) so dargestellt werden, als ob sie identisch wären, obwohl sie ,,alle Menschen“ sind, nachdem die Bibel sie die Ursprünglichen und die Mächtigen nennt - z. B. Nimrod. Die Geheimlehre erklärt das Geheimnis. Diese Namen, welche rechtmäßig nur den vier vorhergehenden Rassen und dem frühesten Anfange der fünften zugehören, spielen sehr deutlich auf die ersten zwei Phantom-(Astral-)Rassen an, auf die ,,gefallene“ Rasse die dritte, und auf die Rasse der atlantischen Riesen, die vierte, nach welcher ,,die Menschen an Größe abzunehmen begannen.“

Bossuet sieht die Ursache des späteren allgemeinen Götzendienstes in der ,,Erbsünde“. ,,Ihr werdet sein wie Götter“, sagt die Schlange der Genesis zur Eva, und legt so den ersten Samen zur Verehrung falscher Gottheiten. [117] Daher, glaubt er, kam der Götzendienst, oder die Verehrung und Anbetung von Bildern, von anthropomorphisierten oder menschlichen Figuren. Aber, wenn man den Götzendienst auf das begründet, dann sind die zwei Kirchen - die griechische und insbesondere die lateinische so götzendienerisch und heidnisch wie irgend eine andere Religion. [118] Erst in der vierten Rasse geschah es, daß Menschen, welche jedes Recht verloren hatten, als göttlich betrachtet zu werden, sich an Körperverehrung, mit andern Worten an Phallicismus hielten. Bis dahin waren sie wahrhaft Götter gewesen, so rein und göttlich wie ihre Vorfahren, und die Rede der allegorischen ,,Schlange“ bezieht sich, wie auf den vorhergehenden Seiten hinlänglich gezeigt worden ist, überhaupt nicht auf den physiologischen ,,Fall“ der Menschen, sondern auf ihr Erlangen der Erkenntnis von Gut und Böse; und diese Erkenntnis kam früher zu ihnen als ihr Fall. Es darf nicht vergessen werden, daß erst nach seiner gewaltsamen Austreibung aus Eden ,,Adam sein Weib Eva erkannte“. Wir werden jedoch nicht die Lehrsätze der Geheimlehre durch den toten Buchstaben der hebräischen Bibel kontrollieren, sondern vielmehr die großen Ähnlichkeiten zwischen den beiden in ihrer esoterischen Bedeutung aufweisen.

Erst nach seinem Abfalle von den Neuplatonikern begann Clemens von Alexandrien gigantes mit serpentes zu übersetzen, mit der Erklärung, daß ,,Schlangen und Riesen Dämonen bedeuten“. [119]


[112] Histoire de la Terre, p. 154.

[113] Es giebt Kritiker, welche, da sie kein anderes Zeugnis für die Existenz des Tertullian finden, als die Schriften des Eusebius, des „wahrhaften“, geneigt sind, dieselbe zu bezweifeln.

[114] Heroica, p. 35.

[115] Hist. Nat., VII. XVI.

[116] Siehe wegen des obigen De Mirville, Pneumatologie: Des Esprite. III. 46-48.

[117] Élévations, p. 56.

[118] Und das trotz des förmlichen Verbotes auf dem großen Kirchenkonzile zu Elyrus im Jahre 303 n. Chr., wo erklärt wurde: „Die Form Gottes, welcher unkörperlich und unsichtbar ist, soll nicht durch Figur oder Gestalt begrenzt werden.“ Im Jahre 692 verbot auf ähnliche Weise das Konzil von Konstantinopel den Gläubigen, ,,Jesus als ein Lamm zu malen oder darzustellen,‘ sowie auch ,,beim Beten das Knie zu beugen, da dies eine Handlung des Götzendienstes ist.‘ Aber das Konzil von Nicaea (787) brachte diesen Götzendienst wieder zurück, während jenes von Rom (883) Johannes, den Patriarchen von Konstantinopel exkommunicierte, weil er sich als einen Feind der Bilderverehrung zeigte.

[119] Genesis, V. Bei Besprechung des chinesischen Drachen und der Litteratur von China schreibt Herr Charles Gould in seinen Mythical Monsters (p. 212): ,,Seine Mythologieen, Geschichten, Religionen, volkstümlichen Erzählungen, und Sprichwörter wimmeln alle von Bezugnahmen auf ein geheimnisvolles Wesen, welches eine körperliche Natur und geistige Eigenschaften hat. Begabt mit einer angenommenen Form, welche zur Annahme von anderen Formen abzulegen es die übernatürliche Macht hat, hat es die Macht, das Wetter zu beeinflussen, Dürren oder be­fruchtende Regen nach Belieben hervorzubringen, Ungewitter zu erregen und sie zu beruhigen. Bände könnten aus den verstreuten Legenden zusammengestellt werden, die überall in Bezug auf diesen Gegenstand reichlich vorhanden sind.“

Dieses ,,Geheimnisvolle Wesen“ ist der mythische Drache, d. i. das Symbol des geschichtlichen und thatsächlichen Adepten, des Meisters und Professors der occulten Wissenschaften in der alten Zeit. Es wurde bereits anderwärts festgestellt, daß die großen ,,Magier“ der vierten und fünften Rasse allgemein ,,Schlangen“ und ,,Drachen“ nach ihren Vorfahren genannt wurden. Alle diese gehörten der Hierarchie der sogenannten ,,feurigen Drachen der Weisheit“ an, der Dhyân Chohans, welche den Agnishvâtta Pitris, den Maruts und Rudras im allgemeinen entsprechen, als der Nachkommenschaft ihres Vaters Rudra, welcher mit dem Gotte des Feuers identificiert wird. Mehr ist im Texte gesagt. Nun kannte Clemens, ein initiierter Neuplatoniker, natürlich den Ursprung des Wortes ,,Drache“, und wußte, warum die initiierten Adepten so genannt wurden, da er das Geheimnis des Agathodämon, des Christus, der siebenvokaligen Schlange der Gnostiker kannte. Er wußte, daß das Dogma seines neuen Glaubens die Umgestaltung aller Nebenbuhler des .Jehovah erforderte - der Engel, welche angeblich gegen jene ,,Elohim“ sich erhoben hatten, sowie der Titan Prometheus gegen Zeus, den Usurpator des Reiches seines Vaters sich erhob - und daß ,,Drache“ die mystische Bezeichnung der ,,Söhne der Weisheit“ war; aus dieser Erkenntnis kam seine Definition, die ebenso grausam als willkürlich war: ,,Schlangen und Riesen bedeuten Dämonen,“  d. i. nicht ,,Geister“, sondern Teufel, in kirchlicher Sprechweise.