Lemurien sollte nicht mehr mit dem atlantischen Kontinent verwechselt werden, als Europa mit Amerika. [39]
Das obige, das aus einer von der orthodoxen Wissenschaft für so unzuverlässig gehaltenen Quelle kommt, wird natürlich als eine mehr oder weniger glückliche Erdichtung betrachtet werden. Selbst das bereits erwähnte treffliche Werk von Donnelly wird unberücksichtigt gelassen, trotzdem seine Behauptungen alle in einem Rahmen streng wissenschaftlicher Beweise eingeschlossen sind. Aber wir schreiben für die Zukunft. Neue Entdeckungen in dieser Richtung werden die Behauptung der asiatischen Philosophen rechtfertigen, daß die Wissenschaften - Geologie, Ethnologie und Geschichte inbegriffen - von den vorsintflutlichen Nationen gepflegt wurden, welche vor ungezählten Zeitaltern lebten. Zukünftige ,,Funde“ werden die Richtigkeit der gegenwärtigen Beobachtungen so scharfsinniger Geister, wie H. A. Taine und Renan rechtfertigen. Der erstere zeigt, daß die Civilisation solcher archaischer Nationen, wie der Ägypter, der indischen Ârier, der Chaldaeer, Chinesen und Assyrier das Ergebnis vorhergegangener Civilisationen sind, die durch ,,Myriaden von Jahrhunderten“ dauerten; [40] und der letztere weist auf folgende Thatsachen hin:

Ägypten erscheint am Anbeginne reif, alt, und gänzlich ohne mythische und heroische Zeitalter, als ob das Land niemals eine Jugend gekannt hätte. Seine Civilisation hat keine Kindheit, und seine Kunst keine archaische Periode. Die Civilisation des alten Reiches begann nicht mit Kindheit. Sie war bereits reif. [41]

Professor R. Owen fügt dem hinzu:
Ägypten war nach der Überlieferung ein civilisiertes und beherrschtes Gemeinwesen vor der Zeit des Menes.

Und Winchell sagt:
Zur Zeit des Menes waren die Ägypter bereits ein civilisiertes und zahlreiches Volk. Manetho erzählt uns, daß Athotis, der Sohn des ersten Königs Menes, den Palast von Memphis erbaute; daß er ein Arzt war und anatomische Bücher hinterließ.

Das ist ganz natürlich, wenn wir der Behauptung des Herodot Glauben zu schenken haben, welcher in Euterpe (CXLII) berichtet, daß die geschriebene Geschichte der ägyptischen Priester ungefähr 12 000 Jahre vor seine Zeit zurückreichte. Aber was sind 12 000 oder selbst 120 000 Jahre im Vergleich zu den Millionen von Jahren, welche seit der lemurischen Periode verstrichen sind? Die letztere ist jedoch nicht ohne Zeugnisse geblieben, trotz ihres grauenhaften Alters.
Die vollständigen Aufzeichnungen des Wachstums, der Entwicklung, des sozialen und selbst des politischen Lebens der Lemurier sind in den geheimen Annalen aufbewahrt worden. Unglücklicherweise giebt es nur wenige, welche sie lesen können; und jene, welche es könnten, würden noch immer nicht im stande sein, die Sprache zu verstehen, wenn sie nicht, mit allen sieben Schlüsseln ihrer Symbolik vertraut sind. Denn das Verständnis der occulten Lehre beruht auf jenem der sieben Wissenschaften, und diese Wissenschaften finden ihren Ausdruck in den sieben verschiedenen Anwendungen der geheimen Urkunden auf die exoterischen Texte. So haben wir mit Denkarten auf sieben gänzlich verschiedenen Ebenen der Idealität zu thun. Jeder Text bezieht sich auf einen der folgenden Standpunkte und muß von demselben aus wiedergegeben werden:

1. Die realistische Ebene des Gedankens.

2. Die idealistische.

3. Die rein göttliche oder geistliche.

Die anderen Ebenen überschreiten zu weit das durchschnittliche Bewußtsein, insbesondere das des materialistischen Gemütes, als daß sie auch nur ihre Symbolisierung in Ausdrücken der gewöhnlichen Sprechweise ge­statten würden. Es giebt kein rein mythisches Element in irgend einem der alten religiösen Texte; aber die Denkart, in der sie ursprünglich geschrieben wurden, muß herausgefunden und während des Vorganges der Auslegung sorgfältig festgehalten werden. Denn sie ist entweder symbolisch - die archaische Denkart; emblematisch - eine spätere, aber auch sehr alte Denkart; parabolisch oder allegorisch; hieroglyphisch; oder wiederum logogrammatisch - die schwierigste Methode von allen, indem jeder Buchstabe, wie in der chinesischen Sprache, ein ganzes Wort repräsentiert. So ist fast ein jeder Eigenname, einerlei ob in den Veden, dem Totenbuche, oder, bis zu einem gerade, in der Bibel aus solchen Logogrammen zusammengesetzt. Keiner, der nicht in das Geheimnis der occulten religiösen Logographie initiiert ist, darf sich einbilden, zu wissen, was ein Name in irgend einem alten Bruchstück bedeutet, bevor er nicht die Bedeutung eines jeden Buchstabens, der denselben zusammensetzt, ergründet hat. Wie ist es zu erwarten, daß der rein profane Denker, wie groß auch seine Kenntnisse in der sozusagen orthodoxen Symbolik sind - d. i. in jener Symbolik, welche niemals aus der alten Schablone des Sonnenmythos und des Geschlechtsdienstes herauskommen kann - wie ist es .zu erwarten, daß der profane Gelehrte in die Geheimnisse hinter dem Schleier eindringen kann? Jemand, der sich mit der Hülse oder Schale des toten Buchstabens beschäftigt, und sich der kaleidoskopartigen Umwandlung unfruchtbarer Wortsymbole widmet, darf niemals erwarten, über die Schrullen moderner Mythologen hinauszukommen.

So liefern Vaivasvata, Xisuthrus, Deukalion, Noah, u. s. w., - all die Hauptgestalten, der universellen und partiellen, astronomischen oder geologischen Weltfluten alle in ihren bloßen Namen die Nachrichten von den Ursachen und Wirkungen, welche zu dem Ereignis führten, wenn man sie nur vollständig lesen kann. Alle solche Fluten beruhen auf Ereignissen, welche in der Natur stattfanden, und stehen daher als historische Berichte - einerlei ob sie siderisch, geologisch, oder selbst einfach allegorisch sind - eines moralischen Ereignisses auf anderen und höheren Daseinsebenen. Dies ist, wie wir glauben, jetzt hinlänglich gezeigt worden während der langen Erklärung, die durch die allegorischen Strophen notwendig war.


[39] Esoteric Buddhism, p. 58.

[40] History of English Literature, p. 23.

[41] Angeführt in Atlantis, p. 132.