Aber wer bildete die noch kolossaleren Statuen von Bamian, die höchsten und riesenhaftesten in der ganzen Welt? - denn Bartholdi‘s ,,Statue der Freiheit“, jetzt zu New York, ist ein Zwerg im Vergleich mit den. größten von den fünf Bildern. Burnes, und verschiedene gelehrte Jesuiten sprechen von einem Berge ,,ganz durchlöchert mit riesigen Zellen“, mit zwei gewaltigen Riesen, die aus demselben Felsen ausgehauen sind. Sie bezeichnen sie als die modernen Miaotse (siehe oben das Zitat aus dem Shu-king), die letzten übriggebliebenen Zeugen der Miaotse, welche ,,die Erde beunruhigt“ hatten; die Jesuiten haben Recht, und die Archäologen, welche Buddhas in den größten von diesen Statuen sehen, sind im Irrtum. Denn alle jene zahllosen gigantischen Ruinen, welche eine nach der anderen zu unserer Zeit entdeckt werden, alle jene ungeheuren Straßen kolossaler Ruinen, welche Nordamerika entlang und jenseits des Felsengebirges durchqueren, sind das Werk der Cyklopen, der wirklichen und thatsächlichen Riesen der alten Zeit. ,,Massen ungeheurer menschlicher Knochen“ wurden gefunden ,,in Amerika, nahe bei Munte (?)“, sagt uns ein berühmter moderner Reisender, genau an jener Stelle, auf welche die örtliche Überlieferung hinweist als auf den Landungspunkt jener Riesen, welche Amerika überfluteten, als es kaum sich aus den Wassern erhoben hatte. [47]

Centralasiatische Überlieferungen sagen dasselbe von den Bamianstatuen. Was sind sie, und was ist der Platz, wo sie durch ungezählte Zeitalter gestanden sind, trotzend den Umwälzungen rund um sie herum, und selbst der Hand des Menschen, wie z. B. den Horden des Timur und den Vandalenkriegern des Nadir Shah? Bamian ist eine kleine, elende, halbzerfallene Stadt in Centralasien, halben Wegs zwischen Kabul und Balkh, am Fuße des Koh-i-baba, eines großen Berges der paropamisischen oder Hindu-Kushischen Kette, etwa 8 500 Fuß über dem Meeresniveau. In alter Zeit war Bamian ein Teil der alten Stadt Djuljul, die von Tchengis-Khan im dreizehnten Jahrhundert in Trümmer gelegt und bis auf den letzten Stein zerstört wurde. Das ganze Thal ist von kolossalen Felsen umgeben, welche voll teilweise natürlicher und teilweise künstlicher Höhlen und Grotten sind, einstmals die Wohnungen buddhistischer Mönche, welche in ihnen ihre Vihâras gegründet hatten. Solche Vihâras trifft man bis zum heutigen Tage in Fälle in den Felsentempeln in Indien und in den Thälern von Jellalabad. Vor einigen dieser Höhlen wurden fünf ungeheure Statuen - welche man als Buddhabilder betrachtet - entdeckt, oder vielmehr in unserem Jahrhundert wiederentdeckt, denn der berühmte chinesische Reisende Hiuen Thsang spricht davon, sie gesehen zu haben, als er Bamian im siebenten Jahrhundert besuchte.

Die Behauptung, daß es auf der ganzen Erdkugel keine größeren Standbilder giebt, wird leicht bewiesen durch das Zeugnis aller Reisenden, welche sie besucht und ihre Maße genommen haben. So ist das größte 173 Fuß hoch, oder siebzig Fuß höher als die jetzt in New York befindliche ,,Statue der Freiheit“, da die letztere bloß 105 Fuß oder 34 Meter hoch ist. Der berühmte Koloß von Rhodos selbst, zwischen dessen Beinen die größten Schiffe jener Zeit mit Leichtigkeit hindurchfuhren, maß bloß 120—130 Fuß in Höhe. Die zweitgrößte Statue, welche ebenso wie die erste in den Felsen gehauen ist, ist bloß 120 Fuß oder fünfzehn Fuß höher als die erwähnte ,,Freiheit“. [48] Die dritte Statue ist bloß 60 Fuß hoch, die zwei anderen sind noch kleiner, wobei die letzte nur ein wenig größer ist als ein durchschnittlich großer Mensch unserer gegenwärtigen Rasse. Der erste und größte der Kolosse stellt einen in eine Art von ,,Toga“ gekleideten Mann dar; Herr de Nadeylac meint, daß das allgemeine Aussehen der Gestalt, die Kopfbildung, die Gewandung, und insbesondere die großen hängenden Ohren unleugbare Anzeichen dafür sind, daß eine Darstellung des Buddha beabsichtigt war. Aber sie beweisen in Wirklichkeit nichts. Trotz der Thatsache, daß die meisten der jetzt existierenden Figuren des in der Haltung von Samadhi dargestellten Buddha große hängende Ohren haben, ist dies eine spätere Neuerung und ein nachträglicher Einfall. Die ursprüngliche Idee war der esoterischen Allegorie angemessen. Die unnatürlich großen Ohren symbolisieren die Allwissenheit der Weisheit und hatten die Absicht, an die Kraft von Ihm zu erinnern, der alles weiß und hört, und dessen wohlwollender Liebe und Beachtung aller Geschöpfe nichts entgehen kann. Wie ein Shloka sagt:

Der mitleidvolle Herr, unser Meister, hört den Schmerzensschrei des kleinsten der Kleinen, über Thal und Berg, und eilt zu seiner Erlösung.

Gautama Buddha war ein ârischer Hindû, und eine Annäherung an solche Ohren findet sich bloß bei den mongolischen Birmanen und Siamesen, welche, wie in Cochin, ihre Ohren künstlich verzerren. Die buddhistischen Mönche, welche die Grotten der Miaotse in Vihâras und Zellen verwandelten, kamen ungefähr im, oder im fünften Jahrhunderte selbst, der christlichen Zeitrechnung nach Centralasien. Daher sagt Hiuen Thsang, wo er von der Kolossalstatue spricht, dass ,,der Glanz der Goldausschmückung, welche die Statue überzog“, zu seiner Zeit ,,die Augen blendete“; aber von einer solchen Vergoldung ist in neuerer Zeit keine Spur mehr übrig. Die Gewandung ist im Gegensatze zur Gestalt selbst, welche aus dem anstehenden Felsen gehauen ist, aus Stuck gemacht und über das Steinbild modelliert. Talbot, welcher die sorgfältigste Untersuchung angestellt hat, fand, daß diese Gewandung einer viel späteren Epoche angehörte. Die Statue selbst muß daher einer viel früheren Periode als dem Buddhismus zugeschrieben werden. In einem solchen Falle kann gefragt werden: Wen stellt sie dar?


[47] De la Vega, IX. IX, angeführt in De Mirville´s Pneumatologie, III. 55.

[48] Die erste und zweite haben, ebenso wie Bartholdi‘s Statue einen Eingang am Fuße, welche durch eine in den Felsen gehauene Wendeltreppe in die Köpfe hinaufführt. Der hervorragende französische Archäologe und Anthropologe, der Marquis de Nadeylac bemerkt in seinem Werke mit Recht, daß niemals in alter und neuer Zeit eine kolossalere menschliche Figur gebildet worden sei, als die erste von den beiden.