Meru, der Wohnsitz der Götter, wurde, wie früher erklärt, an den Nordpol versetzt, wahrend Pâtâla, die niedere Region, gegen den Südpol gelegen angenommen wurde. Da jedes Symbol in der esoterischen Philosophie sieben Schlüssel hat, so haben Meru und Pâtâla geographisch eine Bedeutung und stellen Örtlichkeiten vor, während sie astronomisch eine andere haben und die ,,zwei Pole“ bedeuten; die letztere Bedeutung führte dahin, daß sie oft in exoterischer Sektirerei als der ,,Berg“ und der ,,Abgrund“, oder als Himmel und Hölle wiedergegeben wurden. Wenn wir uns für den Augenblick nur an die astronomische und geographische Bedeutung halten, so kann man finden, daß die Alten die Topographie und Natur der arktischen und antarktischen Regionen besser kannten, als irgend welche unserer modernen Astronomen. Sie hatten Gründe, und zwar gute, die eine den ,,Berg“ und die andere den ,,Abgrund“ zu nennen. Wie der soeben angeführte Verfasser zur Hälfte erklärt, bedeuteten Helion und Acheron nahezu dasselbe. „Heli-on ist die Sonne in ihrem höchsten Punkte“, Heli-os oder Eli-os bedeuten der ,,allerhöchste“, und Acheron ist 32 Grade über dem Pole, und 32 unter demselben, womit angenommen ist, daß der allegorische Fluß den nördlichen Horizont in der Breite um 32 Grad berührt. Die weite Wölbung, welche für immer vor unserem Blicke verborgen ist, und welche den Südpol umgab, nannten die ersten Astronomen den Abgrund, während sie gegen den Nordpol hin bemerkten, daß ein gewisser Umkreis am Himmel immer über den Horizont sichtbar war - und diesen den Berg nannten. Da Meru die hohe Wohnung der Götter ist, so hieß es von diesen, daß sie periodisch aufsteigen und absteigen; darunter waren (astronomisch) die Tierkreisgötter gemeint, der Übergang des ursprünglichen Nordpols der Erde zum Südpol des Himmels.

In diesem Zeitalter wäre zu Mittag die Ekliptik dem Meridian parallel, und ein Teil des Tierkreises würde vom Nordpole zum nördlichen Horizont hinabsteigen; kreuzend die acht Windungen der Schlange (acht siderische Jahre, oder über 200 000 Sonnenjahre), was wie eine imaginäre Leiter mit acht Sprossen aussehen würde, die von der Erde hinauf bis zum Pole reicht, d. i. zum Throne des Jupiter. Diese Leiter nun stiegen die Götter, d. i. die Zeichen des Tierkreises auf und ab (Jakobsleiter und die Engel) . . . . Es ist mehr als 400000 Jahre seitdem der Tierkreis die Seiten dieser Leiter bildete. [13]

Dies ist eine geistreiche Erklärung, selbst wenn sie nicht ganz frei von occulter Ketzerei ist. Doch ist sie näher der Wahrheit als viele von mehr wissenschaftlichem und insbesondere theologischem Charakter. Wie gesagt, war die christliche Dreieinigkeit rein astronomisch von ihrem Anbeginn an. Dies war es, was Rutilius zu dem Ausspruch über jene veranlaßte, welche sie euhemerisierten:
Judaea gens, radix stultorum“.
Aber die Profanen und insbesondere die Christlichen Fanatiker, welche immer auf der Suche nach wissenschaftlicher Bestätigung ihrer Toten-Buchstaben-Texte sind, beharren darin, in dem Himmelspole die wirkliche Schlange der Genesis zu sehen, den Satan, den Feind der Menschheit; während es thatsächlich - eine kosmische Metapher ist. Wenn es heilst, daß die Götter die Erde verlassen haben, so bedeutet das nicht nur die Götter, die Schätzer und Unterweiser, sondern auch die kleineren Götter - die Herren der Tierkreiszeichen. Die ersteren, als thatsächliche und existierende Wesenheiten, welche die Menschheit in ihrer frühen Jugend hervorbrachten, aufzogen und unterrichteten, erscheinen in jeder Schrift, in der der Zoroastrier ebensowohl als in den indischen Evangelien. Ormazd, oder Ahura Mazda, der ,,Herr der Weisheit“, ist die Zusammenfassung der Amshaspands, oder Amesha Spentas, der ,,unsterblichen Wohlthäter“, [14] das ,,Wort“ oder der Logos, und seine sechs höchsten Aspekte im Mazdeanismus. Diese ,,unsterblichen Wohlthäter“ werden in Zamyad Yasht beschrieben als:

Die Amesha Spentas, die scheinenden, die mit wirksamen Augen, die großen. hilfreichen . . . unvergänglichen und reinen . . . . welche alle sieben von gleichem Gemüt und gleicher Sprache sind und alle sieben auf gleiche Weise handeln . . . . welche die Schöpfer und Zerstörer der Geschöpfe des Ahura Mazda sind, ihre Schöpfer und Beaufsichtiger, ihre Schützer und Beherrscher.

Diese wenigen Zeilen sind genügend, um den doppelten und selbst den dreifachen Charakter der Amshaspands, unserer Dhyân Chohans oder der ,,Schlangen der Weisheit“ anzudeuten: Sie sind wesensgleich mit, und doch getrennt von Ormazd (Ahura Mazda). Sie sind auch die Engel der Sterne der Christen - die Stern-Yazatas der Zoroastrier - oder wiederum die sieben Planeten (einschließlich der Sonne) einer jeden Religion. [15] Der Bei­name ,,die scheinenden, die mit wirksamen Augen“ beweist das. Dies ist auf der physischen und siderischen Ebene. Auf der geistigen sind sie die göttlichen Kräfte des Ahura Mazda; aber auf der astralen oder psychische Ebene hinwieder sind sie die ,,Bildner“, die ,,Wächter“, die Pitris oder Väter, und die ersten Lehrer der Menschheit.


[13] Ebenda, p. 47.

[14] Auch übersetzt als „selige Unsterbliche“ von Dr. W. Geiger; aber die erste Übersetzung ist richtiger.

[15] Diese „sieben“ wurden die acht, die Ogdoas, der späteren materialisierten Religionen, indem das siebente oder höchste ,,Prinzip“ nicht mehr der durchdringende Geist war, die Synthese, sondern zu einer anthropomorphischen Zahl oder hinzugefügten Einheit wurde.