Wir haben nur die Sonnengötter eines jeden Landes zu vergleichen, um zu finden, daß ihre Allegorien vollkommen mit einander übereinstimmen, und je occulter ein allegorisches Symbol ist, desto mehr stimmt sein entsprechendes Symbol in den exoterischen Systemen mit ihm überein. So werden, wenn aus drei dem Anscheine nach weit von einander verschiedenen Systemen - der alten ansehen, der alten griechischen und der modernen christlichen Darstellung - verschiedene Sonnengötter und Drachen nach Belieben ausgewählt werden, dieselben sich als einander nachgebildet erweisen.

Nehmen wir Agni den Feuergott, Indra das Firmament und Kârttikeya von den Hindûs; den griechischen Apollo; und Michael, den ,,Engel der Sonne“, den ersten der Aeonen, von den Gnostikern der ,,Heiland“ genannt - und gehen der Reihe nach vor.

1. Agni, der Feuergott, wird im Rig Veda Vaishvânara genannt. Nun ist Vaishvânara ein Dânava, ein Riesen-Dämon, [90] dessen Töchter Pulomâ und Kâlakâ die Mütter zahlloser Dânavas (30 Millionen) durch Kashyapa wurden, [91] und in Hiranyapura, „der goldenen Stadt, die in der Luft schwebt“, leben. [92] Daher ist Indra gewissermaßen der Stiefsohn dieser beiden als ein Sohn des Kashyapa; und Kashyapa ist in diesem Sinne wesengleich mit Agni, dem Feuergotte oder der Sonne (Kashyapa-Âditya). Zu derselben Gruppe gehört Skanda oder Kârttikeya, der Kriegsgott, der sechsgesichtige Planet Mars astronomisch, ein Kumâra oder jungfräulicher Jüngling, geboren durch Agni [93] zum Zwecke der Vernichtung des Târaka, eines Dânavadämons, des Enkels des Kashyapa durch seinen Sohn Hiranyâksha. [94] Târakas Yogabußen waren so außerordentlich, daß sie zum Schrecken der Götter wurden, welche einen solchen Nebenbuhler an Macht fürchteten. [95] Während Indra, der lichte Gott des Firmamentes, den Schlangendämon Vritra oder Ahi tötet - für welche That er Vritra-han, der ,,Vernichter des Vritra“ genannt wird - führt er die Scharen der Devas (Engel oder Götter) gegen andere Götter, welche sich gegen Brahma empören, wofür er den Beinamen Jishnu, ,,Führer der himmlischen Schar“, erhält. Kârttikeya erweist sich auch als im Besitze derselben Titel. Wegen der Tötung des Târaka, des Dânavas, wird er genannt: Târaka-jit, ,,Besieger des Târaka“, [96] Kumâra Guha, der ,,geheimnisvolle jungfräuliche Jüngling“, Siddha-sena, ,,Führer der Siddhas“ und Shaktidhara, ,,Speerhalter“.

2. Man nehme nun Apollo, den griechischen Sonnengott, und sehe durch Vergleich der über ihn gegebenen mythischen Berichte, ob er nicht sowohl dem Indra, Kârttikeya und selbst Kashyapa-Âditya entspricht, und gleichzeitig dem Michael (als der englischen Form des Jehovah), dem ,,Engel der Sonne“, welcher ist ,,gleich“, und ,,eins mit, Gott“. Spätere geschickte Erklärungen zu monotheistischen Zwecken, wie sehr sie auch zu nicht zu bezweifelnden Kirchendogmen erhöht sein mögen, beweisen nichts, ausgenommen vielleicht den Mißbrauch menschlicher Autorität und Macht.

Apollo ist Helios, die Sonne, Phoibos-Apollo, das ,,Licht des Lebens und der Welt“, [97] der sich aus der goldenbeschwingten Schale (der Sonne) erhebt; somit ist er der Sonnengott im wahrsten Sinne des Wortes. Im Augenblicke seiner Geburt verlangt er seinen Bogen, um Python, den dämonischen Drachen, zu töten, welcher seine Mutter vor seiner Geburt anfiel, [98] und den zu vernichten er den göttlichen Auftrag hat - wie Kârttikeya, welcher zu dem Zweck geboren wird, den Târaka zu töten, den allzu heiligen und weisen Dämon. Apollo wird geboren auf einer siderischen Insel mit Namen Asteria - die ,,goldene Sterneninsel“, die ,,Erde, welche in der Luft schwebt“, was das indische goldene Hiranyapura ist; er wird genannt der reine ([korrekter Abdruck siehe Buch]), Agnus Dei, der indische Agni, wie Dr. Kenealy meint, und in der ursprünglichen Mythe ist er frei ,,von aller sinnlichen Liebe“. [99] Er ist daher ein Kumâra, wie Kârttikeya, und wie Indra war in seinem früheren Leben und seinen früheren Biographien. Python obendrein, der ,,rote Drache“, verbindet Apollo mit Michael, welcher mit dem apokalyptischen Drachen streitet, der das Weib, das gebären sollte, anzufallen sucht, wie Python Apollos Mutter anfällt. Kann irgend jemand verfehlen, die Wesensgleichheit zu sehen? Hätte der sehr ehrenwerte W. E. Gladstone, welcher sich seiner griechischen Gelehrsamkeit und seines Verständnisses, des Geistes der homerischen Allegorien rühmt, jemals eine wirkliche Witterung von der esoterischen Bedeutung der Ilias und Odyssee gehabt, so würde er die Offenbarung des St. Johannes, und selbst den Pentateuch besser verstanden haben, als er es thut. Denn der Weg zur Bibel geht durch Hermes, Bei und Homer, sowie der Weg zu diesen durch die indischen und chaldäischen religiösen Symbole geht.


[90] Unter diesem Namen ist er in die Liste der Dânavas im Vdyu Purâna eingereiht; der Kommentator des Bhâgavata Purâna nennt ihn einen Sohn des Dann, aber der Name bedeutet auch ,,Geist der Menschheit“.

[91] Kashyapa wird der Sohn des Brahmâ genannt, und ist der ,,Selbstgeborene“‘ dem ein großer Teil des Schöpfungswerkes zugeschrieben wird. Er ist einer von den sieben Rishis; exoterisch der Sohn des Marîchi, des Sohnes des Brahmâ; während der Âtharva Veda sagt: ,,der selbstgeborene Kashyapa entspring aus der Zeit“, und esoterisch Zeit und Raum Formen der Einen unerkennbaren Gottheit sind. Als ein Âditya ist Indra Sohn des Kashyapa, sowie auch Vaivasvata Manu, unser Vorfahr. In dem im Texte gegebenen Beispiele ist er Kashyapa-Âditya‘ die Sonne und der Sonnengott, aus dem alle ,,kosmischen“ Dämonen, Drachen (Nâgas), Schlangen oder Schlangengötter, und Dânavas oder Riesen geboren sind. Die Bedeutung der oben gegebenen Allegorien ist rein astronomisch und kosmisch, wird aber zum Beweise der Wesensgleichheit aller dienen.

[92] Vishnu Purâna, Wilsons Übers., II. 72.

[93] Alle solchen Geschichten sind in den exoterischen Texten verschieden. Im Mahâbhârata ist Kârttikeya, ,,der sechsgesichtige Mars“, der Sohn des Rudra oder Shiva, selbstgeboren ohne eine Mutter aus dem ins Feuer geworfenen Samen des Shiva. Doch wird Kârttikeya gewöhnlich Agnibhû, der ,,Feuergeborene“, genannt.

[94] Hiranyâksha ist der Beherrscher oder König der fünften Region von Pâtâla, ein Schlangengott.

[95] Die Elohim fürchteten auch die Kenntnis des Guten und Bösen bei Adam, und werden daher dargestellt als ihn aus dem Paradiese treibend oder ihn geistig tötend.

[96] Die erzählte Geschichte ist die, daß Târaka (auch Kâlanâbha genannt), infolge seiner außerordentlichen Yogakräfte die ganze göttliche Kenntnis der Yoga-vidyâ und die occulten Kräfte der Götter erlangt hatte, die gegen ihn sich verschwuren. Hier sehen wir die ,,gehorsame Schar“ der Engel oder kleineren Götter sich gegen die (zukünftigen) gefallenen Engel verschwören, die Enoch des großen Verbrechens anklagt, der Welt alle ,,im Himmel geschehenen geheimen Dinge“ aufgedeckt zu haben. Michael, Gabriel, Raphael, Suryal und Uriel waren es, die bei Gott dem Herrn jene ihrer Brüder anklagten, von denen es hieß, daß sie die göttlichen Geheimnisse ausgespäht und dieselben den Menschen gelehrt hatten; auf diese Weise entgingen sie selber einer ähnlichen Bestrafung. Michael wurde beauftragt, den Drachen zu bekämpfen, und ebenso Kârttikeya, und zwar unter denselben Umstände. Beide sind ,,Führer der himmlischen Schar, beide jungfräulich, beide Führer der Heiligen“, ,,Speerhälter“ (Shaktidharas), u. s. w. Kârttikeva ist ebenso sicher das Urbild von Michael und St. Georg, wie Indra das Vorbild von Kârttikeya ist.

[97] Das ,,Leben und das Licht“ der materiellen physischen Welt, die Freude der Sinne - nicht der Seele. Apollo ist in hervorragender Weise der menschliche Gott der Gott des zum Gefühl sprechenden, prunkliebenden und theatralischen Kirchenrituals mit Lichtern und Musik.

[98] Siehe Offenbarung (XII), wo wir Apollos Mutter vom Python, dem roten Uneben, verfolgt sehen, welcher auch Porphyrion, der scharlachene oder rote Titan, ist.

[99] Book of God, p. 88.