Samael oder Satan, die verführende Schlange der Genesis, und einer der ursprünglichen Engel, die sich empörten, ist der Name des ,,roten Drachen“. Er ist der Engel des Todes, denn der Talmud sagt, daß ,,der Engel des Todes und Satan dasselbe sind“. Er wird von Michael getötet, und noch einmal von St. Georg getötet, welcher auch ein Drachenerschlager ist. Aber man sehe die Umformungen von dem. Samael ist wesensgleich mit dem Samum, dem heißen Wüstenwind, oder wiederum mit dem vedischen Dämon der Dürre, als Vritra; ,,Samum wird genannt Atabytos“ oder - Diabolos, der Teufel.

Typhon, oder der Drache Apophis - der Ankläger im Totenbuche – wird von Horus besiegt, der das Haupt seines Gegners mit einem Speere durchbohrt; und Typhon ist der alles zerstörende Wüstenwind, das aufrührerische Element, das alles durcheinanderwirft. Als Set ist er die nächtliche Finsternis, der Mörder des Osiris, welcher das Licht des Tages und die Sonne ist. Die Archäologie beweist, daß Horus wesensgleich ist mit Anubis [107] , dessen Bildnis auf einem ägyptischen Denkmal entdeckt wurde, mit einem Harnisch und einem Speer, wie Michael und St. Georg. Anubis wird auch dargestellt, wie er einen Drachen tötet, der das Haupt und den Schwanz einer Schlange hat. [108]

Kosmologisch sind nun alle von ihren ,,Tötern“ besiegten Drachen und Schlangen ihrem Ursprunge nach die ungestümen vermengten Prinzipien im Chaos, die von den Sonnengöttern oder schöpferischen Kräften in Ordnung gebracht werden. Im Totenbuche werden jene Prinzipien die ,,Söhne des Aufruhrs“ genannt. [109]

In jener Nacht ruft der Unterdrücker, der Mörder des Osiris, anders auch die täuschende Schlange genannt. . . . die Söhne des Aufruhrs in der Luft, und als sie im Osten der Himmel anlangen, da ist dort Krieg im Himmel und in der ganzen Welt. [110]

In den skandinavischen Edden ist der ,,Kampf“ der Asen mit den Hrimthursen oder Frostriesen, und der des Asathor mit den Jöten, den Schlangen und Drachen und dem ,,Wolfe“, der aus der Finsternis kommt - die Wiederholung desselben Mythos. Die ,,bösen Geister“ [111] , die anfangs einfach die Embleme des Chaos waren, sind durch den Aberglauben der Menge euhemerisiert worden, bis sie schließlich in den, wie behauptet wird, zivilisiertesten und gelehrtesten Rassen dieser Kugel seit ihrer Erschaffung, das Bürgerrecht gewonnen haben und bei den Christen zu einem Dogma geworden sind. Wie George Smith sagt:

Die bösen Prinzipien (Geister), Embleme des Chaos (in Chaldaea und Assyrien, sowie in Ägypten, wie wir sehen), . . . . widerstehen diesem Wechsel und führen Krieg gegen den Mond, den ältesten Sohn des Bei, indem sie die Sonne, die Venus und den atmosphärischen Gott Vul auf ihre Seite herüberziehen. [112]

Dies ist nur eine andere Lesart des indischen ,,Kampfes im Himmel“ zwischen Soma, dem Mond, und den Göttern; Indra ist der atmosphärische Vul - was deutlich zeigt, daß es sowohl eine kosmogonische, als auch eine astronomische Allegorie ist, verwoben mit und hergeleitet von der frühesten Theogonie, wie sie in den Mysterien gelehrt wurde.

In den religiösen Lehren der Gnostiker können wir am besten die wirkliche Bedeutung des Drachen. der Schlange, des Bockes und aller jener Symbole von Kräften, die jetzt böse genannt werden, sehen; denn sie waren es, die in ihren Lehren die esoterische Natur des ,,jüdischen Stellvertreters für Ain Suph“ veröffentlichten, dessen wahre Bedeutung die Rabbiner verheimlichten, während die Christen mit wenigen Ausnahmen nichts davon wußten. Gewiß würde Jesus von Nazareth schwerlich seinen Aposteln geraten haben, sich so weise zu zeigen, wie die Schlange, wenn die letztere ein Symbol des Bösen gewesen wäre; noch würden die Ophiten, die gelehrten ägyptischen Gnostiker der „Brüderschaft der Schlange“, eine lebendige Schlange in ihren Zeremonien als das Emblem der Weisheit, der göttlichen Sophia, und als einen Typus des ,,Allguten, nicht des Allbösen“ verehrt haben, wenn jenes Reptil so eng mit Satan verbunden gewesen wäre. Die Thatsache ist, daß selbst als gemeine Schlange sie immer ein doppeltes Symbol, und als Drache niemals etwas anderes gewesen ist, als ein Symbol der geoffenbarten Gottheit in ihrer großen Weisheit. Der draco volans, der ,,fliegende Drache“ der frühzeitigen Maler, mag eine übertriebene Abbildung des wirklichen ausgestorbenen vorsintflutlichen Tieres sein, und jene, welche Vertrauen in die occulten Lehren haben, glauben, daß es in alter Zeit solche Geschöpfe gegeben hat, wie fliegende Drachen, eine Art von Pterodactylus, und daß jene riesigen geflügelten Eidechsen als Vorbilder für den Seraph des Moses und seine große eherne Schlange gedient haben. [113] Die Juden verehrten früher das letztere Idol selber, aber nach den von Hiskia zustande gebrachten religiösen Reformen änderten sie ihre Ansichten und nannten jenes Symbol des Großen oder Höheren Gottes einer jeden anderen Nation einen Teufel, und ihren eigenen Usurpator - den ,,Einen Gott“. [114]


[107] Totenbuch, XVII. 62; Anubis ist Horus, welcher ,,in ihn, welcher augenlos ist“, zerschmilzt.

[108] Siehe Lenoir‘s Du Dragon de Metz.

[109] Siehe auch Egyptian Pantheon, pp. 20, 23.

[110] Totenbuch, XVII. 54 u. 49.

[111] Diese ,,bösen Geister“ können keineswegs mit Satan oder dem großen Drachen identifiziert werden. Sie sind die durch Unwissenheit hervorgebrachten oder erzeugten Elementale - kosmische oder menschliche Leidenschaften - oder das Chaos.

[112] Assyrian Discoveries, p. 403.

[113] Siehe Numeri, XXI. 8, 9. Gott befiehlt Moses, eine eherne Schlange (Saraph) zu machen, und das Ansehen derselben hält jene, die von den feurigen Schlangen gebissen waren. Die letzteren waren die Seraphim, von denen ein jeder, wie Jesaja zeigt (VI. 2.), ,,sechs Flügel hatte“; sie sind die Symbole des Jehovah und aller anderen Demiurgen, die aus sich selbst sechs Söhne oder Ebenbilder - sieben mit ihrem Schöpfer - hervorbringen. Die eherne Schlange ist somit Jehovah, das Haupt der ,,feurigen Schlangen“. Und doch wird in II. Könige (XVIII. 4) gezeigt, daß König Hiskia, welcher wie sein Vater David ,,that, was dem Herrn wohlgefiel“ - ,,die eherne Schlange, die Mose gemacht hatte, zerstieß . . . . und hieß sie Nehusthan,“ oder Stück Erz.

[114] ,,Und der Satan stand wider Israel, und gab David ein, daß er Israel zählen ließe)“ (I. Chronika, XXII. 1). ,,Und der Zorn des Herrn (Jehovah) ergrimmte abermals wider Israel, und reizte David . . . daß er sprach: Gehe hin, zähle Israel“ (II. Samuelis, XXIV. 1.). Die zwei sind somit wesensgleich.