Im Timaeus sagt Plato dasselbe. Da die Geheimlehre erklärt, daß die meisten der späteren inselbewohnenden Atlantier zwischen der Zeit vor 850 000 und 700 000 Jahren zu Grunde gingen, und daß die Ârier 200 000 Jahre alt waren, als die erste große „Insel“ oder Kontinent versank, so scheint irgend welche Versöhnung zwischen den Zahlen kaum möglich. Doch in Wirklichkeit ist sie es. Plato mußte als ein Initiierter die verhüllte Sprache des Heiligtums benützen, und dasselbe mußten die Magier von Chaldaea und Persien, durch deren exoterische Enthüllungen die persischen Legenden erhalten wurden und auf die Nachwelt kamen. So finden wir, daß die Hebräer eine Woche „sieben Tage“ nennen, und von einer „Jahreswoche“ sprechen, wo jeder von ihren Tagen 360 Sonnenjahre repräsentiert, und die „ganze Woche“ thatsächlich 2520 Jahre sind. Sie hatten eine Sabbathwoche, ein Sabbathjahr u. s. w., und ihr Sabbath dauerte ununterschieden 24 Stunden oder 24000 Jahre in den geheimen Berechnungen ihrer Sods. Wir in der gegenwärtigen Zeit nennen ein Zeitalter ein „Jahrhundert“. Die Menschen aus Platos Zeit, zum mindesten die initiierten Schriftsteller, verstanden unter einem Jahrtausend nicht 1000, sondern 100 000 Jahre; während die Indier, unabhängiger als alle anderen, ihre Chronologie niemals verheimlicht haben. So werden die Initiierten anstatt 9000 Jahre 900 000 Jahre lesen, während welchen Zeitraumes - d.i. von der ersten Erscheinung der ârischen Rasse an, als die pliocänen Teile der einstmals großen Atlantis allmählich zu sinken [139] und andere Kontinente auf der Oberfläche zu erscheinen begannen, bis herab zum schließlichen Verschwinden von Platos kleiner Insel Atlantis - die ârischen Rassen niemals aufgehört hatten, mit den Abkömmlingen der ersten Riesenrassen zu kämpfen. Dieser Krieg dauerte bis nahezu an das Ende des Zeitalters, das dem Kali Yuga voranging, und war das Mahâbhârata oder der große Krieg, der in Indiens Geschichte so berühmt ist. Ein solches Vermischen der Ereignisse und Epochen, und das Herabmindern von Hundertausenden auf Tausende von Jahren betrifft nicht die Zahl der Jahre, welche nach der von den ägyptischen Priestern an Solon abgegebenen Erklärung seit der Zerstörung des letzten Teiles der Atlantis verflossen waren. Die 9000 Jahre waren die richtigen Ziffern. Das letztere Ereignis ist niemals geheim gehalten worden, und war nur aus dem Gedächtnisse der Griechen entschwunden. Die Ägypter hatten ihre Aufzeichnungen vollständig wegen ihrer Abgesondertheit; von Meer und Wüste umgeben waren sie von anderen Nationen ungefesselt geblieben bis ungefähr ein paar Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung.

Die Geschichte erhascht einen flüchtigen Blick auf Ägypten und seine großen Mysterien zum erstenmale durch Herodot, wenn wir die Bibel und ihre wunderliche Zeitrechnung nicht in Betracht ziehen. [140] Und wie wenig Herodot sagen konnte, wird von ihm selbst eingestanden, indem er bei der Erwähnung eines geheimnisvollen Grabes eines Initiierten zu Sais, in dem heiligen Bezirke der Minerva sagt:

Hinter der Kapelle . . . ist das Grabmal von einem, dessen Namen zu veröffentlichen ich für ehrfurchtslos halte . . . . In der Einfriedung stehen große Obelisken und es ist ein See in der Nähe, der von einer kreisförmig erbauten Steinmauer umgeben ist . . . Auf diesem See stellen sie bei Nacht die Abenteuer jener Person dar, was die Ägypter Mysterien nennen; aber diese Gegenstände jedoch muß ich, obwohl ich genau mit ihren Einzelheiten bekannt bin, vorsichtiges Stillschweigen bewahren. [141]

Anderseits ist es gut zu wissen, daß kein Geheimnis von den Alten so wohl gewahrt wurde und ihnen so heilig war, als jenes ihrer Cyklen und Berechnungen. Von den Ägyptern herab bis auf die Juden wurde es für die größte Sünde gehalten, irgend etwas zur richtigen Zeitabmessung gehöriges zu veröffentlichen. Für die Verbreitung der Geheimnisse der Götter ward Tantalus in die Unterwelt gestürzt; die Bewahrer der heiligen sibyllinischen Bücher waren auf die Veröffentlichung eines Wortes aus denselben mit der Todesstrafe bedroht. Sigalions oder Bilder des Harpokrates waren in jedem Tempel - insbesondere in jenen der Isis und des Serapis - und ein jedes drückte einen Finger auf die Lippen. Und die Hebräer lehrten, daß die Veröffentlichung der Geheimnisse der Kabbalah, nachdem man in die rabbinischen Geheimnisse eingeweiht war, dem Essen der Frucht vom Baume der Erkenntnis gleichkam; sie war mit dem Tode zu bestrafen.

Und trotzdem haben wir Europäer die exoterische Chronologie der Juden angenommen! Was Wunder, daß seither immer alle unsere Vorstellungen von Wissenschaft und der Dauer der Dinge beeinflußt und gefärbt hat!

Die persischen Überlieferungen sind also voll von zwei Nationen oder Rassen, die jetzt gänzlich erloschen sind, wie einige denken. Aber dem ist nicht so; sie sind nur umgewandelt. Diese Überlieferungen sprechen immer von den Bergen von Kaf (Kafaristan?), welche eine von dem Riesen Argeak erbaute Galerie enthalten, in der Standbilder der alten Menschen unter allen ihren Formen aufbewahrt sind. Sie nennen sie Sulimans (Solomons) oder die weisen Könige des Ostens und rechnen zweiundsiebzig Könige dieses Namens. [142] Drei unter ihnen regierten ein jeder 1000 Jahre. [143]

Siamek, der geliebte Sohn des Kaimurath (Adam), ihr erster König, war von seinem riesigen Bruder ermordet worden. Sein Vater hatte ein ewiges Feuer in dem Grabmale unterhalten, welches seine Brandasche enthielt; daher - der Ursprung des Feuerdienstes, wie einige Orientalisten denken!

Dann kam Huschenk, der kluge und weise. Seine Dynastie entdeckte neuerdings die Metalle und kostbaren Steine, nachdem sie von den Devs oder Riesen in den Eingeweiden der Erde verborgen worden waren, und auch die Herstellung von Erzarbeiten, die Grabung von Kanälen, und die Verbesserung des Ackerbaues. Wie üblich wird dem Huschenk wiederum die Verfassung des Werkes, genannt die ewige Weisheit zugeschrieben und selbst die Erbauung der Städte Luz, Babylon und Ispahan, obwohl diese in der That Zeitalter später erbaut wurden. Aber so wie das moderne Delhi auf sechs anderen älteren Städten erbaut ist, so können diese Städte auf den Orten anderer Städte von unermeßlichem Alter aufgebaut sein. Was seinen Zeitpunkt anbelangt, so kann er nur aus einer anderen Legende geschlossen werden.
In derselben Überlieferung wird diesem weisen Prinzen zugeschrieben, einen Kampf gegen die Riesen auf einem zwölfbeinigen Pferde geführt zu haben, dessen Entstehung von den Beziehungen eines Krokodils zu einem weiblichen Flußpferd herrühren soll. Dieser „Dodekapode“ wurde auf der „trockenen Insel“ oder dem neuen Kontinent aufgefunden; viele Kraft und List mußte aufgewendet werden, um dieses wunderbare Tier einzufangen, aber sobald Huschenk dasselbe bestiegen hatte, besiegte er jeden Feind. Kein Riese konnte seiner gewaltigen Kraft widerstehen. Schließlich jedoch wurde dieser König der Könige von einem ungeheuren Felsen getötet, den die Riesen von den großen Bergen des Demavend auf ihn schleuderten. [144]


[139] Der Hauptkontinent ging in der Miocänzeit zu Grunde, wie bereits festgestellt.

[140] Von Beda abwärts sind alle Chronologen der Kirche von einander abgewichen, und haben sich gegenseitig widersprochen. „Die Chronologie des hebräischen Textes ist handgreiflich abgeändert worden, namentlich in dem auf die Sintflut zunächst folgenden Zeitraum“ - sagt Whiston (Old Test., p. 20).

[141] II. 170, 171.

[142] Daher König Solomon, dessen Spuren sich nirgends außerhalb der Bibel finden. Die Beschreibung seines großartigen Palastes und seiner Stadt stimmen vollständig mit jenen der persischen Erzählungen überein, obwohl jene allen heidnischen Reisenden, sogar dem Herodot, unbekannt waren.

[143] Herbelot, a.a.O., p. 829.

[144] Orient. Trad., p. 454. Siehe auch Bailly`s Lettres sur l`Atlantide.