Schöpferische Kräfte im Menschen waren die Gabe göttlicher Weisheit, nicht das Ergebnis von Sünde. Dies ist klar bewiesen durch das widerspruchsvolle Verhalten Jehovahs, der zuerst Adam und Eva (oder die Menschheit) wegen des angeblich begangenen Verbrechens verflucht, und dann sein ,,auserwähltes Volk“ segnet mit den Worten: ,,Seid fruchtbar und mehret euch, und erfüllet die Erde“. [184] Der Fluch war über die Menschheit nicht durch die vierte Rasse gebracht worden, denn die verhältnismäßig sündelose dritte Rasse, die noch riesigeren Vorsintflutler, war auf dieselbe Art zu Grunde gegangen; daher war die Flut keine Bestrafung, sondern einfach ein Ergebnis eines periodischen und geologischen Gesetzes. Auch war der Fluch von Karma nicht dadurch auf sie herabgerufen, daß sie natürliche Vereinigung suchten, wie die ganze gemütlose Tierwelt zu ihren entsprechenden Zeiten thut; sondern dadurch, daß sie die göttliche Gabe entweihten, und die Lebensessenz zu keinem anderen Zwecke, als zur bestialischen persönlichen Befriedigung verschwendeten. Wenn richtig verstanden, wird sich das dritte Kapitel der Genesis als eine Bezugnahme auf Adam und Eva der endenden dritten und beginnenden vierten Rasse erweisen. Im Anbeginn war Empfängnis für das Weib ebenso leicht, wie sie es für die ganze tierische Schöpfung war. Die Natur hatte niemals beabsichtigt, daß das Weib seine Kinder ,,mit Schmerzen“ gebären solle. Seit jener Periode jedoch, während der Entwicklung der vierten Rasse, entstand Feindschaft zwischen ihrem Samen und dem Samen der ,,Schlange“, dem Samen oder Ergebnisse von Karma und göttlicher Weisheit. Denn der Same des Weibes, oder Lust, zertrat den Kopf des Samens der Frucht der Weisheit und Erkenntnis, indem er das heilige Geheimnis der Fortpflanzung in tierische Befriedigung verkehrte; daher ,,stach“ das Gesetz des Karma ,,in die Ferse“ der atlantischen Rasse, indem es allmählich die ganze Natur der vierten Menschheitsrasse physiologisch, moralisch, physisch und mental veränderte, [185] bis der Mensch aus dem gesunden Könige der Tierschöpfung in der dritten Rasse zu einem hilflosen, skrophulösen Wesen in der fünften - in unserer Rasse wurde, und jetzt der reichste Erbe auf Erden in Bezug auf konstitutionelle und erbliche Krankheiten, das am bewußtesten und intelligentesten bestialische unter allen Tieren geworden ist! [186]
Dies ist der wirkliche Fluch vom physiologischen Standpunkt, nahezu der einzige, der in der kabbalistischen Esoterik berührt wird. Von diesem Aspekt aus betrachtet, ist der Fluch unleugbar, denn er ist offenkundig. Die intellektuelle Entwicklung in ihrem Fortschritte Hand in Hand mit der physischen ist sicherlich ein Fluch anstatt eines Segens gewesen - eine von den ,,Herren der Weisheit“ angeregte Gabe, die in das menschliche Manas den frischen Tau ihres eigenen Geistes und ihrer eigenen Wesenheit geträufelt haben. Der göttliche Titan hat somit vergeblich gelitten; und man fühlt sich geneigt, seine der Menschheit erwiesene Wohlthat zu bedauern und nach jenen Tagen zu seufzen, die von Aischylos in seinem ,,Gefesselten Prometheus“ so anschaulich geschildert sind, da am Schlusse des ersten titanischen Zeitalters (des Zeitalters, das auf jenes des aetherischen Menschen folgte, des frommen Kandu und der Pramlochâ) die entstehende physische Menschheit, noch gemütlos und (physiologisch) sinnlos, beschrieben wird als -

Sie waren Blinde ja mit offenen Augen
Und, ob sie hörten, sie vernahmen nichts;
Traumbildern ähnlich mischten regellos
Sie lange Zeit noch Alles durcheinander.“ [187]

Unsere Heilande, die Agnishvâtta und andere göttliche ,,Söhne der Flamme der Weisheit“ - personifiziert von den Griechen in Prometheus [188] - mögen wohl in der Ungerechtigkeit des menschlichen Herzens unerkannt und unbedankt bleiben. Sie mögen in unserer Unkenntnis der Wahrheit mittelbar für die Gabe der Pandôra verflucht werden; aber sich durch den Mund der Klerisei als die Bösen verkündet und erklärt zu finden, ist ein allzuschweres Karma für ,,Ihn“, der, als Zeus ,,feurig begehrte“ das ganze Menschengeschlecht auszurotten, ,,allein es wagte“, jenes ,,sterbliche Geschlecht“ vom Untergange zu erretten, oder, wie es dem leidenden Titanen in den Mund gelegt ist:

Daß sie zerschmettert nicht zum Hades sank.
Drum duld‘ ich nun in diesen Schmerzensbanden,
Traurig zu tragen, jämmerlich zu sehn!
Da ich Erbarmen mit den Menschen hegte.

Der Chor antwortet sehr treffend:

Wie großes Heil den Menschen schenktest du!

Prometheus antwortet:

Dann auch die Flamme teilt‘ ich ihnen mit.
Chor: Die Glut des Feuers hüten sie nun stets?
Prom.: Und viele Künste lernen sie dadurch . . . . .

Aber mit sammt den Künsten, hat sich das empfangene ,,Feuer“ in den größten Fluch verwandelt; das tierische Element, und das Bewußtsein seines Besitzes hat den periodischen Instinkt in chronische Vertiertheit und Sinnlichkeit verwandelt. [189] Diese hängt über der Menschheit wie ein schweres Leichentuch. So entsteht die Verantwortlichkeit des freien Willens; die titanischen Leidenschaften, welche die Menschheit in ihrem dunkelsten Aspekt repräsentieren;

die rastlose Unersättlichkeit der niederen Leidenschaften und Begierden, wenn sie mit anmaßender Frechheit den Einschränkungen des Gesetzes Hohn sprechen. [190]


[184] Genesis, IX. 1.

[185] Wie weise und erhaben, wie weitschauend und moralisch wohlthätig sind die Gesetze des Manu über das eheliche Leben, im Vergleiche zu der Zügellosigkeit, die dem Menschen in zivilisierten Ländern stillschweigend erlaubt ist. Daß jene Gesetze in den letzten zwei Jahrtausenden vernachlässigt worden sind, verhindert uns nicht, ihre Vorsorge zu bewundern. Der Brâhmane war ein Grihasta, ein Hausvater, bis zu einer gewissen Periode seines Lebens, wo er, nachdem er einen Sohn erzeugt hatte, mit dem verheirateten Leben brach und ein keuscher Yogî wurde. Sein eheliches Leben selbst wurde durch seinen brâhmanischen Astrologen in Übereinstimmung mit seiner Natur geregelt. Daher findet man in solchen Ländern, wie z. B. im Punjâb, wo der verderbliche Einfluß muselmanischer, und späterhin europäischer Ausschweifung die orthodoxen ârischen Kasten kaum berührt hat, noch die schönsten Menschen, soweit Bau und körperliche Stärke in Betracht kommen - des ganzen Erdballs; während die mächtigen Menschen der alten Zeit sich im Dekkan, und insbesondere in Bengalen durch Menschen ersetzt sehen, denn Generation mit jedem Jahrhundert - und nahezu mit jedem Jahr - zwerghafter und schwächer wird.

[186] Krankheiten und Übervölkerung sind Thatachen, die niemals geleugnet werden können.

[187] Aus: Aischylos. Verdeutscht von Hans von Wolzogen. Univ.-Bibl. (Der Übers.)

[188] In Frau Anna Swanwick‘s Buche: The Drama of Aeschylus, heißt es vom ,,Gefesselten Prometheus“ (,,Bohn‘s Classical Library“‘ p. 334), daß Prometheus darin thatsächlich erscheint ,,als der Vorkämpfer und Wohlthäter der Menschheit, deren Zustand . . . . als äußerst schwach und elend beschrieben wird . . . . Zeus, heißt es, beabsichtigte, diese schwächlichen Eintagsgeschöpfe zu vernichten, und an ihrer statt eine neue Rasse auf die Erde zu pflanzen“. Wir sehen die Herren des Seins dasselbe thun, und die erste Hervorbringung der Natur und des Meeres ausrotten, in den Strophen. ,,Prometheus repräsentiert sich so, daß er diese Absicht vereitelt bat und infolgedessen um der Sterblichen willen der schmerzlichsten Qual ausgesetzt ist, die von der unbarmherzigen Grausamkeit des Zeus Ober ihn verhängt ist. Wir haben damit den Titanen, das Symbol der endlichen Vernunft und des freien Willens (der intellektuellen Menschheit, oder des höheren Aspektes von Manas) dargestellt als den erhabenen Menschenfreund, während Zeus, die höchste Gottheit von Hellas, als der grausame und hartherzige Gewaltherrscher abgebildet wird - ein dem athenischen Empfinden besonders abstoßender Charakter.“ Der Grund dafür wird weiter unten erklärt. Die ,,höchste Gottheit“ von Hellas weist in jedem alten Pantheon - einschließlich Jens der Juden - einen doppelten Charakter auf, bestehend aus Licht und Schatten.

[189] Die nur von ihrem einfachen Instinkt geleitete Tierwelt hat ihre Fortpflanzungszeiten, und die Geschlechter werden während des übrigen Teiles des Jahres neutralisiert. Daher kennt das freie Tier Krankheit nur einmal in seinem Leben - bevor es stirbt.

[190] Einleitung zu ,,Prometheus Bound“, p. 340.