Da Prometheus den Menschen, nach Platos Protagoras, mit jener ,,Weisheit, welche der körperlichen Wohlfahrt dienlich ist,“ begabt hat, aber der niedere Aspekt des Manas des Tieres (Kâma) unverändert geblieben ist, anstatt eines ,,reinen Gemütes, des Himmels erster Gabe“, so war der ewige Geier der immer unbefriedigten Begierde, der Reue und Verzweiflung erschaffen, verbunden mit ,,des Tages träumendem Geschlecht, ohnmächtig, blind, gefesselt“ (556), bis zu dem Tage, an dem Prometheus durch seinen vom Himmel bestimmten Befreier Herakles erlöst wird. Nun haben die Christen - insbesondere die römischen Katholiken - versucht, dieses Drama mit der Ankunft Christi in prophetische Verbindung zu bringen. Kein größerer Mißgriff konnte geschehen. Der wahre Theosoph, der Verfolger Göttlicher Weisheit und Verehrer Absoluter Vollkommenheit - der Unbekannten Gottheit, welche weder Zeus noch Jehovah ist - wird eine solche Idee ablehnen. Auf das Altertum verweisend, wird er zeigen, daß es niemals eine Erbsünde gegeben hat, sondern bloß einen Mißbrauch physischer Intelligenz - indem das psychische von dem tierischen gelenkt wird, und beide das Licht des geistigen auslöschen. Er wird sagen: ihr alle, die ihr zwischen den Zeilen lesen könnt, studiert Alte Weisheit in den alten Dramen, den indischen und den griechischen, leset sorgfältig den ,,Gefesselten Prometheus“, der vor 2400 Jahren in den Theatern von Athen aufgeführt wurde! Der Mythos gehört weder dem Hesiod noch dem Aischylos an; sondern wie Bunsen sagt, ist er ,,älter als die Hellenen selbst“, denn er gehört in Wahrheit dem Aufdämmern menschlichen Bewußtseins an. Der gekreuzigte Titan ist das personifizierte Symbol des kollektiven Logos, der ,,Schar“, und der ,,Herren der Weisheit“ oder des Himmlischen Menschen, welcher sich in der Menschheit inkarnierte. Obendrein war, wie sein Name (Pro-me-theus, ,,der vor sich sieht“ oder die Zukunft sieht) zeigt [191] - unter den Künsten, die er erfand und der Menschheit lehrte, psychologische Einsicht nicht die letzte. Denn, wie er den Töchtern des Okeanos klagt:
Indem wir einige Seiten lang
den Hauptgegenstand verlassen, halten wir an und sehen, was die verborgene
Bedeutung dieser sowohl ältesten als auch bedeutsamsten der traditionellen
Allegorien sein mag. Da sie sich unmittelbar auf die frühen Rassen bezieht,
so wird dies keine wirkliche Abschweifung sein.
- bestimmen, daß jene Leiden nur bis zu jenem Tage dauern werden, an dem ein Sohn des Zeus geboren wird.
Dieser ,,Sohn“ wird Prometheus (die leidende Menschheit) von seiner eigenen verderblichen Gabe befreien. Sein Name ist ,,Er, der kommen soll“. [191] Von [korrekter Abdruck siehe Buch], ,,Vorherdenken“ ,,Professor Kuhn“, wird uns in den obenerwähnten Bänden, The Dramas of Aeschylus, gesagt, ,,nimmt an, daß der Name des Titanen hergeleitet ist von dem Sanskritworte Pramantha, ,dem zur Entzündung von Feuer benützten Instrument‘. Die Wurzel mand oder manth schließt Rotationsbewegung in sich, und das Wort manthâni, das zur Bezeichnung des Feueranmachens verwendet ist, erhielt die sekundäre Bedeutung von ,Entreißen‘; daher finden wir ein anderes Wort desselben Stammes, promatha, welches ,Diebstahl‘ bedeutet.“ Das ist sehr scharfsinnig, aber vielleicht nicht ganz richtig; außerdem liegt ein sehr prosaisches Element darinnen. Ohne Zweifel können sich in der physischen Natur die höheren Formen aus den niederen entwickeln, aber das ist schwerlich so in der Welt des Gedankens. Und da uns gesagt wird, daß das Wort manthâmi in die griechische Sprache übergegangen ist und zu dem Worte manthanô ,,lernen“ wurde - d. h., ,,sich Wissen aneignen“; daher prometheia ,,Vorherwissen, Vorherdenken“ - so können wir, wenn wir suchen, einen poetischeren Ursprung für den ,,Feuerbringer“ finden, als den, der in seinem Sanskritursprung zu Tage tritt. Der Svastika. das heilige Zeichen und das Werkzeug zur Entzündung heiligen Feuers kann es besser erklären. ,,Prometheus, der Feuerbringer, ist der personifizierte Pramantha“, fährt die Verfasserin fort, ,,und findet sein Vorbild in den ârischen Mâtarishvan, einer göttlichen . . . Persönlichkeit, die eng verknüpft ist mit Agni, dem Feuergotte der Veden.“ Matih im Sanskrit ist ,,Verstand“, und ein Synonym von Mahat und Manas, und muß von einer gewissen Bedeutung für den Ursprung des Namens sein: Pramatih ist der Sohn von Fohat und hat auch seine Geschichte. [192] Kronos ist „Zeit“, und dadurch wird die Allegorie sehr bedeutsam. |