Daß der Gegenstand einen Teil der sabazischen Mysterien bildete, ist durch verschiedene alte Schriftsteller bekannt gemacht; unter andern durch Cicero [198] und durch Klemens von Alexandrien. [199] Die letzteren Schriftsteller sind die einzigen, welche die Thatsache, daß Aischylos von den Athenern der Gotteslästerung angeklagt und zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde, ihrer wahren Ursache zuschrieben. Sie sagen, daß Aischylos, der selbst nicht initiiert war, die Mysterien profaniert hatte, indem er sie in seinen Trilogieen auf öffentlicher Bühne zur Schau gestellt hatte. [200] Aber dieselbe Verurteilung hätte ihn betroffen, wenn er initiiert gewesen wäre; was der Fall gewesen sein muß, da er sonst wie Sokrates einen Dämon gehabt haben müßte, um ihm das geheime und heilige allegorische Drama der Initiation zu enthüllen. Auf jeden Fall war der ,,Vater der griechischen Tragödie“ nicht der Erfinder der Prophezeiung des Prometheus; denn er wiederholte nur in dramatischer Form, was von den Priestern während der Mysterien der Sabazien enthüllt wurde. [201] Die letzteren waren eines der ältesten heiligen Feste, dessen Ursprung bis zum heutigen Tage der Geschichte unbekannt ist. Die Mythologen verbinden es durch Mithras, die Sonne, der auf einigen alten Monumenten Sabazios genannt wird, mit Jupiter und Bacchus. Es war jedoch niemals das Eigentum der Griechen, sondern reicht in unvordenkliche Zeiten zurück.
Die Übersetzerin der Dramas wundert sich, wieso sich Aischylos schuldig machen konnte eines solchen

Widerspruchs zwischen dem Charakter des Zeus, wie er im „Gefesselten Prometheus“ abgebildet, und jenem, wie er in den übrigen Dramen dargestellt wird. [202]

Das ist eben deshalb, weil Aischylos, wie Shakespeare, die intellektuelle „Sphinx“ der Zeitalter war und immer bleiben wird. Zwischen Zeus, der abstrakten Gottheit des griechischen Gedankens, und dem olympischen Zeus lag ein Abgrund. Der letztgenannte repräsentierte in den Mysterien kein höheres Prinzip als den niederen Aspekt der menschlichen physischen Intelligenz - Manas vermählt mit Kâma; während Prometheus - der göttliche Aspekt des sich in Buddhi versenkenden und zu ihr aufstrebenden Manas - die göttliche Seele war. So oft Zeus als seinen niederen Leidenschaften nachgehend dargestellt wird, ist er die menschliche Seele und nichts weiter - der eifersüchtige Gott, rachgierig und grausam in seinem Egoismus oder seiner ,,Ich-bin-heit.“ Daher wird Zeus dargestellt als eine Schlange - der intellektuelle Versucher des Menschen - welche nichtsdestoweniger im Verlaufe der cyklischen Entwicklung den ,,Menschen-Heiland“ erzeugt, den solaren Bacchus oder Dionysos - der mehr ist als ein Mensch.

Dionysos ist eins mit Osiris, mit Krishna, und mit Buddha, dem himmlischen Weisen, und mit dem kommenden (zehnten) Avatâra, dem verherrlichten geistigen Christos, welcher den leidenden Chrestos - die Menschheit oder Prometheus in ihrer Prüfung - erlösen wird. Dies, sagen brâhmanische und buddhistische Legenden, die in den zoroastrischen und jetzt in den christlichen Lehren (in den letzteren nur gelegentlich) ihren Widerhall finden, wird sich am Ende des Kali Yuga ereignen. Erst nach der Erscheinung des Kalki Avatâra oder Sosiosh wird der Mensch vom Weibe ohne Sünde geboren werden. Dann werden Brahmâ, die indische Gottheit, Ahura Mazda (Ormazd), die zoroastrische, Zeus, der griechisch-olympische Don Juan, Jehovah, der eifersüchtige, bereuende, grausame Stammesgott der Israeliten, und alle ihresgleichen in dem universalen Pantheon der menschlichen Phantasie vergehen und in leere Luft verschwinden. Und zugleich mit diesen werden ihre Schatten vergehen, die dunklen Aspekte aller dieser Gottheiten, die immer als ihre ,,Zwillingsbrüder“ und Geschöpfe dargestellt wurden in der exoterischen Legende - als ihr eigener Widerschein auf Erden in der esoterischen Philosophie. Die Ahrimans und Typhons, die Samaels und Satans, müssen alle an jenem Tage entthront werden, an dem jede dunkle böse Leidenschaft unterjocht sein wird.

Es giebt ein ewiges Gesetz in der Natur, eines, das immer die Gegensätze auszugleichen und schließliche Harmonie zu bewirken strebt. Infolge dieses Gesetzes, nach dem die geistige Entwicklung die physische und rein intellektuelle verdrängt, wird die Menschheit von ihren falschen Göttern befreit werden, und sich schießlich - Selbst-erlöst finden.


[198] Tuscui. Quaest., 1. II. 20.

[199] Strom., I. II, Oper., I. 467, Ausg. Potters.

[200] Herodot und Pausanias vermuteten, daß die Ursache der Verurteilung die war, daß Aischylos unter Annahme der Theogonie der Ägypter Diana zur Tochter der Ceres, und nicht der Latona machte. (Siehe Aelian, Var. Hist., I. v. XVIII; I. 433, Ausg. Gronov.) Aber Aischylos war initiiert.

[201] Die Sabazien waren eine periodische Festlichkeit mit Mysterien, die zu Ehren einiger Götter aufgeführt wurden, einer Variante der Mithraischen Mysterien. Die ganze Entwicklung der Rassen wurde in diesen Mysterien dargestellt.

[202] Frau A. Swanwick, a. a. O.