In seiner schließlichen Offenbarung steht der alte Mythos vom Prometheus, dessen Vor- und Gegenbilder sich in jeder alten Theogonie finden, in jeder derselben am ersten Ursprunge des physischen Bösen, weil an der Schwelle des menschlichen physischen Lebens. Kronos ist ,,Zeit“, deren erstes Gesetz jenes ist, daß die Ordnung der aufeinanderfolgenden und harmonischen Phasen in dem Fortschreiten der Evolution während der cyklischen Entwicklung strenge eingehalten werden soll - unter der schweren Strafe abnormen Wachstums mit allen seinen sich ergebenden Folgen. Es lag nicht im Programme der natürlichen Entwicklung, daß der Mensch - obwohl er ein höheres Tier sein mag - auf einmal intellektuell, geistig, und psychisch der Halbgott werden sollte, der er auf Erden ist, während sein körperliches Gerüst schwächer, hilfloser und vergänglicher bleibt, als das von nahezu jedem großen Säugetier. Der Gegensatz ist zu grotesk und gewaltsam; das Zelt viel zu unwürdig seines innewohnenden Gottes. Die Gabe des Prometheus wurde so zum Fluche - obwohl vorausgewußt und vorausgesehen von der Schar, die in jener Persönlichkeit personifiziert ist, wie ihr Name wohl zeigt. [203] Darin ruht zu einer und derselben Zeit ihre Sünde und ihre Erlösung. Denn die Schar, die sich in einem Teile der Menschheit inkarnierte, wenn auch dazu von Karma oder Nemesis geführt, zog den freien Willen der passiven Sklaverei vor, den intellektuellen selbstbewußten Schmerz und selbst Qual, ,,indessen ungezählte Zeit verfließt,“ der leeren, blöden, unwillkürlichen Seeligkeit. in dem Bewußtsein, daß eine solche Inkarnation verfrüht und nicht im Programme der Natur war, opferte doch die himmlische Schar, ,,Prometheus“ sich selbst, um dadurch zum mindesten einem Teile der Menschheit zu nützen. [204] Aber während sie den Menschen aus seiner geistigen Finsternis erlösten, luden sie auf ihn die Qualen des Selbstbewußtseins seiner Verantwortlichkeit - des Ergebnisses seines freien Willens - abgesehen von jedem Übel, dessen Erben der sterbliche Mensch und das Fleisch sind. Diese Qual nahm Prometheus auf sich selbst, da die Schar hinfort mit dem für sie bereiteten Gehäuse verschmolzen wurde, das zu jener Periode der Formenbildung noch unvollendet war. Da die geistige Entwicklung nicht im stande war, mit der physischen gleichen Schritt zu halten, sobald ihre Einheitlichkeit durch die Beimischung unterbrochen war, so wurde die Gabe die Hauptursache, wenn nicht der einzige Ursprung des Bösen. [205] Hochphilosophisch ist die Allegorie, welche zeigt, wie Kronos den Zeus verflucht, weil er ihn entthront hatte, in dem ursprünglichen goldenen Zeitalter des Saturn, da alle Menschen Halbgötter waren, und weil er eine vergleichsweise schwache und hilflose körperliche Menschenrasse erschaffen hatte, und wie er dann den Schuldigen, der die Götter ihres Schöpfungsvorrechtes beraubt und dadurch den Menschen intellektuell und geistig zu ihrer Höhe emporgehoben hatte, seiner (des Zeus) Rache ausliefert. Im Falle des Prometheus repräsentiert Zeus die Schar der ursprünglichen Erzeuger, der Pitaras, der ,,Väter“, welche den Menschen sinnlos und ohne Gemüt schufen; während der göttliche Titan für die geistigen Schöpfer steht, für die Devas, welche in die Zeugung ,,fielen“. Die ersteren sind geistig niedriger, aber physisch stärker, als die ,,Prometheer“; daher werden die letzteren als besiegt gezeigt. ,,Die niedere Schar, deren Werk der Titan verdarb und so die Pläne des Zeus vereitelte“, war auf dieser Erde in ihrer eigenen Sphäre und Wirkungsebene; während die höhere Schar eine Verbannte des Himmels war, die sich in die Schlingen der Materie verstrickt hatte. Die untere Schar waren die Meister aller kosmischen und niederen titanischen Kräfte; der höhere Titan besaß bloß das intellektuelle und geistige Feuer. Dieses Schauspiel des Kampfes des Prometheus mit dem olympischen Gewaltherrscher und Despoten, dem sinnlichen Zeus, sieht man täglich in unserer jetzigen Menschheit aufgeführt. Die niederen Leidenschaften ketten die höheren Bestrebungen an den Felsen der Materie, um in vielen Fällen den Geier der Sorge, des Schmerzes und der Reue zu erzeugen. In jedem solchen Falle sieht man aufs neue -
einen Gott, der selbst jenes höchsten Trostes des Prometheus beraubt ist, welcher in Selbstaufopferung litt -
da der göttliche Titan von Nächstenliebe bewegt ist, aber der sterbliche Mensch jedesmal von Selbstsucht und Egoismus. Der moderne Prometheus ist jetzt ein Epi-metheus geworden, ,,einer, der erst nach dem Geschehnis sieht“; weil die allgemeine Menschenliebe des ersteren schon lange in Selbstsucht und Selbstanbetung entartet ist. Der Mensch wird der freie Titan der alten Zeit wieder werden, aber nicht bevor die cyklische Entwicklung die unterbrochene Harmonie zwischen den zwei Naturen - der irdischen und der göttlichen - wiederhergestellt hat; darnach wird er undurchdringlich für die niederen titanischen Kräfte, unverwundbar in seiner Persönlichkeit und unsterblich in seiner Individualität - aber dies kann nicht geschehen, bevor nicht jedes tierische Element aus seiner Natur ausgemerzt ist. Wenn der Mensch versteht, daß „Deus non fecit mortem“, [206] sondern daß der Mensch selbst den Tod erschaffen hat, so wird er der Prometheus vor seinem Falle wieder werden. Wegen der vollständigen Symbolik des Prometheus und des Ursprungs dieses Mythos in Griechenland, wird der Leser auf Teil II dieses Bandes, Abteilung VI ,,Prometheus, der Titan“ u. s. w. verwiesen. In dem erwähnten Teile - einer Art von Ergänzung zu dem vorliegenden Abschnitte - wird jeder weitere Aufschluß über jene Lehrsätze gegeben, die die umstrittensten und am meisten in Frage gestellten sein werden. Dieses Werk ist, wenn den anerkannten Mustern der Theologie und modernen Wissenschaft gegenübergestellt, so heterodox, daß ein Beweis, der dahin zielt, zu zeigen, daß diese Muster oft eine ungerechtfertigte Autorität sich anmaßen, vernachlässigt werden sollte. [203] Siehe die Fußnote (p. 431) betreffend die Etymologie von [korrekter Abdruck siehe Buch] oder Vorausdenken. Prometheus gesteht es im Drama, wo er sagt:
,,Muß“ steht hier für Karma, oder Nemesis. [204] Die Menschheit ist offenbar geteilt in gottbeseelte Menschen und in niedere menschliche Geschöpfe. Der intellektuelle Unterschied zwischen den ârischen und andern civilisierten Völkern und solchen Wilden, wie den Südsee-Inselbewohnern, ist durch irgend welche andere Gründe nicht zu erklären. Keine Höhe der Kultur, nicht Generationen der Erziehung inmitten der Civilisation könnte Menschenrassen, wie die Buschmänner, die Veddhas von Ceylon, und einige afrikanische Stämme auf dieselbe intellektuelle Ebene bringen, wie die Ârier, die Semiten und die sogenannten Turanier. Der „heilige Funke“ fehlt in ihnen, und sie sind die einzigen niederen Rassen auf Erden, nunmehr glücklicher Weise - infolge der weisen Anordnung der Natur, die immer in jener Richtung arbeitet - im raschen Aussterben begriffen. Wahrhaftig, die Menschheit ist ,,von einem Blut“, aber nicht von derselben Wesenheit. Wir sind die künstlich im Wachstum beschleunigten Treibhauspflanzen in der Natur, indem wir in uns einen Funken haben, der in ihnen verborgen ist. [205] Die philosophische Anschauung indischer Metaphysik versetzt die Wurzel des Bösen in die Differentiation des Gleichartigen in das Ungleichartige, der Einheit in die Vielheit. [206] Sap., I. 13 |