ABTEILUNG II.

ADAM - ADAMI.

Solche Namen, wie Adam-Adami, gebraucht von Dr. Chwolsohn in seiner Nabatheischen Agrikultur und verspottet von Herrn Renan, mögen dem Profanen wenig beweisen. Für den Occultisten jedoch beweist der Ausdruck sehr viel, sobald er in einem Werke von so außerordentlichem Alter, wie es das oben angeführte ist, sich findet. Er beweist zum Beispiel, daß Adami ein mannigfaltiges Symbol war, das bei dem ârischen Volke seinen Ursprung nahm, wie das Wurzelwort zeigt, von dem es die Semiten und die Turanier übernahmen - wie viele andere Dinge.
Adam-Adami ist ein generischer zusammengesetzter Name so alt, wie die Sprache ist. Die Geheimlehre lehrt, daß Ad-i der Name war, den die Ârier der ersten sprechenden Menschheitsrasse in dieser Runde gaben. Daher die Ausdrücke Adonim und Adonai (die alte Pluralform des Wortes Adon), welche die Juden auf ihren Jehovah und ihre Engel anwendeten, welche einfach die ersten geistigen und ätherischen Söhne der Erde waren, und der Gott Adonis, welcher in seinen vielen Variationen für den „Ersten Herrn“ stand. Adam ist im Sanskrit Âdi-Nâth, was auch Erster Herr bedeutet, so wie Âd-Îshvara, oder irgend ein Ad (der Erste), vorgesetzt einem Adjektiv oder Substantiv. Der Grund dafür ist der, daß solche Wahrheiten ein gemeinsames Erbteil waren. Es war eine Offenbarung, die von der ersten Menschheit vor jener Zeit empfangen wurde, welche in biblischer Ausdrucksweise „die Zeit von einerlei Lippe und Wort“ oder Sprache genannt wird; das Wissen erweiterte sich später durch die eigene Intuition des Menschen, und wurde noch später unter einer passenden Symbologie vor Entweihung geborgen. Der Verfasser der Qabbalah, nach den philosophischen Schriften des Ibn Gebirol, zeigt, daß die Israeliten Ad-onaî (A Do Na Y), „Herr“ gebrauchten an Stelle von Eh`yeh, „Ich bin“, und YHVH, und fügt hinzu, daß, während AdonaÎ in der Bibel mit „Herr“ wiedergegeben wird,

die niederste Bezeichnung, oder die Gottheit in der Natur, der mehr allgemeine Ausdruck Elohim mit „Gott“ übersetzt wird. [1]

Ein seltsames Werk wurde ungefähr im Jahre 1860 von dem Orientalisten Chwolsohn übersetzt, und dem immer ungläubigen und seichten Europa unter dem unschuldigen Titel Nabatheische Agrikultur vorgelegt. Nach der Ansicht des Übersetzers ist jenes archaische Buch eine vollständige Initiation in die Mysterien der voradamitischen Nationen, auf Grund unleugbar authentischer Dokumente. Es ist ein unschätzbares Kompendium, der vollständige Abriß der Lehren, Künste und Wissenschaften nicht nur der Chaldäer, sondern auch der Assyrer und Kanaaniten der vorgeschichtlichen Zeitalter. [2] Diese Nabatheer waren - wie einige Kritiker dachten - einfach die Sabäer oder chaldäischen Sternverehrer. Das Werk ist eine Rückübersetzung aus dem Arabischen, in welche Sprache es zuerst aus dem Chaldäischen übersetzt worden war.
Masoudi, der arabische Geschichtschreiber, spricht von diesen Nabatheern, und erklärt ihren Ursprung auf folgende Weise:

Nach der Sintflut (?) siedelten sich die Völker in verschiedenen Ländern an. Unter diesen waren die Nabatheer, welche die Stadt Babylon gründeten, und jene Nachkommen des Ham vorhanden, welche sich in derselben Provinz unter Führung des Nimrod niederließen, des Sohnes des Chus, welcher der Sohn des Ham und der Großenkel des Noah war. Dies fand zu der Zeit statt, als Nimrod die Statthalterschaft von Babylonien als der Gesandte von Dzahhak mit Namen Biourasp erhielt. [3]

Der Übersetzer Chwolsohn findet, daß die Behauptungen dieses Geschichtschreibers in vollkommener Übereinstimmung mit jenen des Moses in der Genesis sind; während unehrerbietigere Kritiker die Meinung aussprechen dürften, daß aus eben diesem Grunde ihrer Wahrheit mißtraut werden solle. Es ist jedoch nutzlos, die Sache zu erörtern, die in der vorliegenden Frage ohne Wert ist. Das verwitterte, schon lange begrabene Problem, und die Schwierigkeit, auf irgend welcher logischen Grundlage, die außerordentliche Abstammung von Millionen Leuten verschiedener Rassen, vieler civilisierter Nationen und Stämme von drei Paaren - Noahs Söhnen und ihren Weibern - in 346 Jahren [4] nach der Sintflut zu erklären, mag dem Karma des Verfassers der Genesis überlassen bleiben, heiße er nun Moses oder Ezra. Was jedoch in dem erwähnten Werke interessant ist, ist sein Inhalt, die darin verkündeten Lehren, von denen wiederum nahezu alle, wenn esoterisch gelesen, mit den geheimen Lehren identisch sind.
Quatremère gab der Vermutung Ausdruck, daß dieses Buch einfach eine unter Nebuchadnezzar II. nach einer hamitischen Abhandlung, die „unendlich älter“ war, hergestellte Kopie gewesen sein könne, während der Verfasser aus inneren und äußeren Beweisgründen behauptet, daß seine chaldäische Urschrift nach den mündlichen Vorträgen und Lehren eines reichen babylonischen Grundbesitzers mit Namen Qû-tâmy ausgeschrieben worden sei, der für jene Vorlesungen noch ältere Materialien benützt hatte. Die erste arabische Übersetzung wird von Chwolsohn bis in das dreizehnte Jahrhundert v. Chr. zurückversetzt. Auf der ersten Seite „dieser Offenbarung“ erklärt der Verfasser oder Amanuensis Qû-tâmy, daß „die darin vorgelegten Lehren ursprünglich von Saturn ... dem Monde erzählt wurden, welcher diesselben seinem Idole mitteilte“, und das Idol enthüllte sie seinem Verehrer, dem Schreiber - dem Adept-Schreiber jenes Werkes - Qû-tâmy.


[1] Myer`s Qabbalah, p. 175.

[2] Siehe De Mirville, Pneumatologie, III. pp. 218ff.

[3] a. a. O., ebenda.

[4] Siehe die Genesis und die autorisierte Chronologie. In Kapitel VIII „verläßt Noah die Arche“ - 2348 v. Chr. In Kapitel X steht „Nimrod, der erste Monarch“ über 1998 v. Chr.