Die Nabathäische Agrikultur ist in der That eine Kompilation; sie ist kein Apokryph, sondern die Wiederholung der Lehrsätze der Geheimlehre unter der exoterisch-chaldäischen Form nationaler Symbole, zum Zwecke der „Bemäntelung“ der Lehrsätze, geradeso wie die Bücher des Hermes und die Purânen ähnliche Versuche der Ägypter und Hindûs sind. Das Werk war im Altertum ebenso wohlbekannt wie während des Mittelalters. Maimonides spricht davon, und bezieht sich mehr als einmal auf diese chaldäisch-arabische Handschrift, indem er die Nabathäer mit dem Namen ihrer Glaubensgenossen, der „Sternverehrer“ oder Sabäer bezeichnet, aber noch verfehlt, in dem entstellten Worte „Nabathäer“ den mystischen Namen der dem Nebo, dem Gotte der geheimen Weisheit, gewidmeten Kaste zu sehen, der auf den ersten Blick zeigt, daß die Nabathäer eine occulte Brüderschaft waren. [7] Die Nabathäer, welche, nach dem Perser Yezidi, ursprünglich nach Syrien aus Busrah kamen, waren die entarteten Mitglieder jener Bruderschaft; dabei war ihre Religion, selbst zu jener späten Zeit, rein kabbalistisch. [8] Nebo ist die Gottheit des Planeten Merkur, und Merkur ist der Gott der Weisheit, oder Hermes, oder Budha, welchen die Juden Kokab ([korrekter Abdruck siehe Buch]) nannten, „den Herrn in der Höhe, den begeisternden“, und die Griechen Nabo ([korrekter Abdruck siehe Buch]), daher Nabathäer. Trotzdem Maimonides ihre Lehren „heidnischen Unsinn“ und ihre archaische Litteratur „Sabaeorum foetum“ nennt, stellt er doch ihre „Agrikultur“, die Bibel des Qû-tâmy, in die erste Reihe der archaischen Litteratur; und Abarbanel preist sie in maßlosen Ausdrücken. Spencer, [9] der letzteren anführt, spricht von ihr als von jenem „höchst ausgezeichneten orientalischen Werk“, indem er hinzufügt, daß unter Nabathäern die Sabäer, die Chaldäer und die Ägypter, kurz gesagt all jene Nationen zu verstehen sind, gegen welche die Gesetze des Moses am strengsten sich wendeten.

Nebo, der älteste Gott der Weisheit von Babylonien und Mesopotamien, war wesensgleich mit dem indischen Budha und dem Hermes-Merkur der Griechen. Ein kleiner Wechsel in den Geschlechtern der Eltern ist die einzige Veränderung. Wie Budha der Sohn des Soma (des Mondes) in Indien war, und des Weibes des Brihaspati (Jupiter), so war Nebo der Sohn der Zarpanitu (des Mondes) und des Merodach, welcher Jupiter wurde, nachdem er ein Sonnengott gewesen war. Als der Planet Merkur war Nebo der „Aufseher“ unter den sieben Planetengöttern; und als die Personifikation der geheimen Weisheit war er Nabin, ein Seher und Prophet. Moses ließ man auf dem dem Nebo geweihten Berge sterben und verschwinden. Dies zeigt, daß er ein Initiierter, und ein Priester jenes Gottes unter einem andern Namen gewesen ist; denn dieser Gott der Weisheit war die große schöpferische Gottheit und wurde als solche verehrt. Und dies nicht nur zu Borsippa in seinem glänzenden Tempel oder Planetenturm; er wurde gleicherweise angebetet von den Moabiten, den Kanaaniten, den Assyrern, und durch ganz Palästina. Warum also nicht von den Israeliten? „Der Planetentempel von Babylon“ hatte sein „Allerheiligstes“ innerhalb der Kapelle des Nebo, des Prophetengottes der Weisheit. Es wird uns in den Hibbert-Vorlesungen gesagt:

Die alten Babylonier hatten einen Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern .... und Nebo war der „Verkünder“ oder „Prophet“, da er den Wunsch seines Vaters Merodach bekannt machte. [10]

Nebo ist ein Schöpfer, wie Budha, der vierten und auch der fünften Rasse. Denn der erstere läßt eine neue Rasse von Adepten beginnen, und der letztere die Sonnen und Monddynastie, oder die Menschen dieser Rassen und Runde. Beide sind die Adame ihrer bezüglichen Geschöpfe. Adam-Adami ist eine Personifikation des dualen Adam: des vorbildlichen Adam-Kadmon, des Schöpfers, und des niederen Adam, des irdischen, welcher, nach den syrischen Kabbalisten, nur Nephesh hatte, den „Lebensatem“, aber keine lebendige Seele, bis nach seinem Falle.

Wenn daher Renan fortfährt, die chaldäischen Schriften - oder was vo ihnen übrig ist - als apokryph zu betrachten, so ist dies der Wahheit und Thatsache gegenüber ganz gleichgültig. Es giebt andere Orientalisten, die verschiedener Ansicht sein mögen, und selbst wenn sie es nicht wären, so würde dies doch in Wirklichkeit sehr wenig ausmachen. Diese Lehren enthalten die Lehrsätze der esoterischen Philosophie, und dies muß genügen. Für jene, welche nichts von Symbologie verstehen, mag es als reiner und einfacher Sternendienst erscheinen, oder für den, der die esoterische Wahrheit verbergen möchte, selbst als „heidnische Thorheit“. Während aber Maimonides seiner Geringschätzung der Esoterik in der Religion anderer Nationen Ausdruck gab, gab er Esoterik und Symbologie in seiner eigenen zu, predigte Stillschweigen und Geheimnis in betreff der wahren Bedeutung der mosaischen Aussprüche, und kam so zu Falle. Die Lehren des Chaldäers Qû-tâmy sind kurz gesagt die allegorische Wiedergabe der Religion der frühesten Nationen der fünften Rasse.

Warum sollte also Herr Renan den Namen „Adam-Adami“ mit solcher akademischen Verachtung behandeln? Der Verfasser der Ursprünge des Christentums weiß offenbar nichts weder von dem Ursprunge der heidnischen Symbolik, noch von dem der Esoterik, denn andernfalls würde er gewußt haben, daß der Name Adam-Adami eine Form eines universalen Symbols war, das sich selbst bei den Juden nicht auf einen einzelnen Menschen bezog, sondern auf vier verschiedene Menschheiten oder Menschengeschlechter. Dies ist sehr leicht bewiesen.


[7] „Auch werde ich dir Schriften anführen .... von dem Glauben und den Satzungen der Ssabier“, sagt er. „Die berühmteste unter ihnen ist das Buch: Die Agricultur der Nabathäer, welches von Ibn Wa`hschîjah übersetzt worden ist. ... Dieses Buch ist voll von heidnischem Unsinn. ... Es spricht von Verfertigung der Talismane, Herabziehen der Kräfte der Geister, Zauberei, Dämonen und Gaulen, welche sich in Wüsten aufhalten.“ (Maimonides, angeführt von Dr. D. Chwolsohn; Die Ssabier und der Ssabismus, II. 457-458.) Die Nabathäer des Berges Libanon glaubten an die sieben Erzengel, wie ihre Vorväter an die sieben großen Sterne geglaubt hatten, als die Wohnungen und Körper dieser Erzengel, woran bis zum heutigen Tage die römischen Katholiken glauben, wie anderwärts gezeigt ist.

[8] Siehe Isis Entschleiert, II. 197.

[9] I. 351

[10] Sayce; vgl. p. 115, 2. Ausg.