ABTEILUNG III.

DAS „ALLERHEILIGSTE“. SEINE ERNIEDRIGUNG.

Das Sanctum Sanctorum der Alten, auch genannt das Adytum – die Nische am westlichen Ende des Tempels, die an drei Seiten von undurchbrochenen Mauern umschlossen war und ihre einzige Öffnung oder Thüre mit einem Vorhange verhängt hatte - war allen alten Nationen gemeinsam.
Ein großer Unterschied findet sich jetzt zwischen der geheimen Bedeutung dieses symbolischen Platzes, wie sie in der Esoterik der Heiden und in jener der späteren Juden gegeben wird, obwohl seine Symbolik ursprünglich bei allen alten Rassen und Nationen dieselbe war. Die Heiden stellten in das Adytum einen Sarkophag, oder ein Grabmal (taphos), in welchem der Sonnengott, welchem der Tempel geweiht war, sich befand, und erwiesen ihm als Pantheisten die größte Verehrung. Sie betrachteten es in seiner esoterischen Bedeutung als das Symbol der kosmischen, solaren, oder täglichen und menschlichen Auferstehung. Es umfaßte den weiten Bereich periodischer und (in der Zeit) pünktlicher Manvantaras, oder der Wiedererwachungen von Kosmos, Erde und Menschen zu neuen Existenzen; indem die Sonne das poetischeste  und auch das großartigste Symbol solcher Cyklen am Himmel ist, und der Mensch – in seinen Reinkarnationen – auf Erden. Die Juden – deren Realismus, wenn man ihn nach dem toten Buchstaben beurteilt, in den Tagen des Moses ebenso praktisch und roh war, wie er es heute ist [1] - haben im Verlaufe ihrer Entfremdung von den Göttern ihrer heidnischen Nachbarn eine nationnale und levitische Verfassung durchgeführt durch den Einfall, ihrer Allerheiligstes als das feierlichste Zeichen ihres Monotheismus hinzustellen - exoterisch, während sie darin nur ein universales, phallisches Symbol sahen - esoterisch. Während die Kabbalisten nur Ain Suph und die „Götter“ der Mysterien kannten, hatten die Leviten kein Grabmal, keinen Gott in ihrem Adytum außer die „sakrale“ Bundeslade - ihr „Allerheiligstes“.
Wenn jedoch die esoterische Bedeutung dieser Nische klar gemacht ist, so wird der Profane besser im stande sein zu verstehen, warum David „entblößt“ vor der Arche des Bundes tanzte, und so bestrebt war, gering zu erscheinen um seines „Herrn“ willen, und niedrig in seinen eigenen Augen. [2]
Die Arche ist die schifförmige Argha der Mysterien. Parkhurst, welcher eine lange Abhandlung darüber in seinem griechischen Wörterbuch hat, und der niemals ein Wort darüber in seinem hebräischen Lexikon verlauten läßt, erklärt sie so:

Archê ([korrekter Abdruck siehe Buch]) in dieser Anwendung entspricht der hebräischen Rasît oder Weisheit, ... einem Worte, welches die Bedeutung des Emblems des weiblichen Zeugungsvermögens hatte, der Arg oder Arca, in welcher, wie man annahm, der Keim der ganzen Natur über dem großen Abgrunde schwebte und brütete, während der Pause, welche nach jedem Weltcyklus stattfand.

Ganz so; und die jüdische Arche des Bundes hatte genau dieselbe Bedeutung; mit dem  weiteren Zusatze, daß sie, anstatt eines schönen und keuschen Sarkophages (dem Symbole des Schoßes der Natur und der Auferstehung), wie er in dem Sanctum Sanctorum der Heiden war, die Arche in ihrem Aufbaue noch realistischer gemacht hatte durch die zwei Cherubim, die auf die Lade oder Arche des Bundes aufgesetzt waren, einander gegenüber, und ihre Schwingen auf solche Art ausgebreitet hatten, daß sie eine vollständige Yoni bildeten (wie man sie jetzt in Indien sieht). Abgesehen davon hatte dieses Zeugungssymbol seine Bedeutung bekräftigt durch die vier mystischen Buchstaben des Jehovahnamens, nämlich I H V H ([korrekter Abdruck siehe Buch]); Jod ([korrekter Abdruck siehe Buch]) bedeutet das membrum virile; He ([korrekter Abdruck siehe Buch]) die Gebärmutter; Vau ([korrekter Abdruck siehe Buch]) einen Haken oder eine Klammer, einen Nagel, und He ([korrekter Abdruck siehe Buch]) wiederum bedeutete auch „eine Öffnung“; und das Ganze bildete das vollkommene zweigeschlechtige Emblem oder Symbol oder I (e) H (o) V (a) H, das männliche und weibliche Symbol.
Vielleicht auch mag, wenn man die wahre Bedeutung des Amtes und Titels der Kadesh Kadeshim, der „Heiligen“, oder der „dem Tempel des Herrn Geweihten“ sich vergegenwärtigt - das „Allerheiligste“ dieser „Heiligen“ ein sehr wenig erbauliches Aussehen erhalten.
Iacchus wiederum ist Iao oder Jehovah; und Baal oder Adon war, wie Bacchus, ein phallischer Gott.


[1] Aber er war nicht so in Wirklichkeit, wie ihre Propheten bezeugen. Die späteren Rabbiner und das talmudistische  System sind es, die jegliche Geistigkeit aus dem Körper ihrer Symbole austrieben, und nur ihre Schriften zurückließen - eine tote Hülle, aus der die Seele entwichen war.

[2] Siehe II. Samuel, VI. 16-22.