Da die ganze Philosophie des Problems des Bösen von dem richtigen Verständnisse der Zusammensetzung des inneren Wesens von Natur und Mensch, des göttlichen innerhalb des tierischen abhängt, und somit auch die Richtigkeit des ganzen Systems, wie es in diesen Blättern mit Bezug auf die Krone der Entwicklung - den Menschen - gegeben ist, so können wir nicht genug Vorsicht gegen theologische Ausflüchte anwenden. Wenn der gute Sct. Augustin und der feurige Tertullian den Teufel den „Affen Gottes“ nennen, so können wir das der Unwissenheit des Zeitalters zuschreiben, in dem sie lebten. Schwieriger ist es, unsere modernen Schriftsteller aus demselben Grunde zu entschuldigen. Die Übersetzung der altpersischen Literatur hat römisch-katholischen Schriftstellern den Vorwand geliefert, ihren Standpunkt in derselben Richtung neuerdings darzuthun. Sie haben die Gelegenheit der doppelten Natur des Ahura Mazda und seiner Amshaspands im Zend Avesta und im Vendîdâd dazu benützt, ihre phantastischen Theorien noch weiter zu betonen. Satan ist der vorwegnehmende Plagiator und Kopist der Religion, die Zeitalter später kam. Dies war einer der Meisterstreiche der lateinischen Kirche, ihr bester Trumpf nach dem Auftreten des Spiritualismus in Europa. Obwohl nur im allgemeinen ein Achtungserfolg, selbst bei jenen, welche sich weder für Theosophie noch für Spiritualismus interessieren, wird diese Waffe oft von den christlichen (römisch-katholischen) Kabbalisten gegen die östlichen Occultisten benützt.

Nun sind selbst die Materialisten ganz harmlos, und können als die Freunde der Theosophie betrachtet werden, im Vergleiche zu einigen fanatischen „christlichen“ - wie sie sich selber nennen, „sektiererischen“, wie wir sie nennen - Kabbalisten auf dem Kontinent. Diese lesen den Zohar, nicht um in ihm alte Weisheit zu finden, sondern um durch Verderbung der Texte und Bedeutung in seinen Versen christliche Dogmen zu entdecken, wo niemals welche angedeutet sein konnten; und nachdem sie dieselben mit der vereinten Hilfe jesuitischer Kasuistik und Gelehrsamkeit herausgefischt haben, gehen die angeblichen „Kabbalisten“ daran, Bücher zu schreiben und die weniger weitsichtigen Schüler der Kabbalah irrezuführen. [1]

Mag es uns da nicht gestattet sein, die tiefen Ströme der Vergangenheit auszubaggern und dadurch die Wurzelidee an die Oberfläche zu bringen, die zur Umwandlung des Weisheitsgottes, der zuerst als der Schöpfer alles Bestehenden betrachtet worden war, in einen Engel des Bösen geführt hat, einen lächerlichen gehörten Zweifüßer, halb Bock und halb Affe, mit Hufen und Schwanz? Wir brauchen nicht vom Wege abzuweichen, um die heidnischen Dämonen von Ägypten, Indien oder Chaldaea mit dem Teufel der Christenheit zu vergleichen, denn kein solcher Vergleich ist möglich. Aber wir können innehalten, um einen Blick auf die Lebensbeschreibung des christlichen Teufels zu werfen, die ein unbefugter Nachdruck aus der chaldäisch- jüdischen Mythologie ist.

Der erste Ursprung dieser Personifikation beruht auf der akkadischen Vorstellung, daß die kosmischen Mächte - die Himmel und die Erde - in ewigem Streit und Kampf mit dem Chaos liegen. Ihr Silik-Muludag (? Murudug), „der Gott unter allen Göttern“, der „gnadenreiche Schützer der Menschen auf Erden“, war der Sohn des Hea (oder Ea), des großen Gottes der Weisheit, genannt von den Bayloniern Nebo. Bei beiden Völkern, sowie es auch mit den indischen Göttern der Fall ist, waren ihre Gottheiten zugleich wohlthätig und bösartig. Da Übel und Bestrafung die Werkzeuge des Karma sind im Sinne einer absolut gerechten Vergeltung, so war das Böse der Diener des Guten. [2] Die Lesung der chaldäisch-assyrischen Ziegel hat dies jetzt über jeden Schatten eines Zweifels bewiesen. Wir finden dieselbe Idee im Zohar. Satan war ein Sohn und ein Engel Gottes. Bei allen semitischen Nationen war der Geist der Erde ebensosehr der Schöpfer in seinem eigenen Bereich als der Geist der Himmel. Sie waren Zwillingsbrüder und in ihren Verrichtungen vertauschbar, wenn nicht zwei in einem. Nichts von dem, was wir in der Genesis finden, fehlt in den chaldäisch- assyrischen religiösen Glauben, selbst in dem wenigen, was bis jetzt entziffert worden ist. Die große „Fläche der Tiefe“ der Genesis hat ihre Spur in dem Tohu Bohu („Tiefe“ oder „ursprünglichem Raum“) oder Chaos der Babylonier. Weisheit, der große unsichtbare Gott - in der Genesis genannt der „Geist Gottes“ - lebte für die älteren Babylonier, sowie für die Akkadier im Meere des Raumes. Zu den von Berosus beschriebenen Tagen wurde dieses Meer zu den sichtbaren Wassern auf der Fläche der Erde - zur krystallenen Wohnung der Großen Mutter, der Mutter des Ea und aller Götter, welche noch später zum großen Drachen Tiamat, zur Seeschlange wurde. Sein letztes Entwicklungsstadium war der große Kampf des Bel mit dem Drachen - dem Teufel!


[1] Ein solcher Pseudokabbalist war der Marquis de Mirville in Frankreich, welcher den Zohar und andere alte Überreste jüdischer Weisheit unter dem „Chevalier“ Drach, einen alten zur römischen Kirche bekehrten Rabbiner-Kabbalisten studierte, und mit seiner Hilfe ein halbes Dutzend Bände voll Klatscherei und Verleumdungen gegen jeden hervorragenden Spiritualisten und Kabbalisten schrieb. Von 1848 bis 1860 verfolgte er unnachgiebig den alten Count d´Ourches, einen der frühesten östlichen Occultisten in Frankreich, einen Mann, dessen weitreichendes occulten Wissen von seinen Überlebenden niemals richtig gewürdigt werden wird, weil er sein wirkliches Glauben und Wissen unter der Maske des Spiritismus verbarg.

[2] Siehe Hibbert Lectures, 1887, pp. 101-115.