Woher kommt die christliche Idee, daß Gott den Teufel verfluchte? Der Gott der Juden, wer immer er war, verbietet den Satan zu verfluchen. Philo Judaeus und Josephus stellen beide fest, daß das Gesetz (der Pentateuch und der Talmud) unwandelbar einem untersagt, dem Widersacher, und auch den Göttern der Heiden zu fluchen. „Den Göttern sollst du nicht fluchen“, sprach der Gott des Moses, [3] denn Gott war es, welcher sie „verordnet hat allen Völkern“; [4] und jene, welche übel von den „Herschaften“ (Göttern) sprechen, werden von Judas „Träumer, die das Fleisch beflecken“ genannt. Michael aber, der Erzengel . . . . durfte das Urteil der Lästerung (über den Teufel) nicht fällen, sondern sprach: Der Herr strafe dich! [5] Schließlich wird dasselbe im Talmud wiederholt: [6] Satan erschien eines Tages einem Manne, welcher ihn täglich zu verfluchen pflegte, und sagte zu ihm: „Warum thust du dies? Überlege, daß Gott selbst mich nicht verfluchen wollte, sondern bloß sagte: Der Herr strafe dich Satan.“ [7] Dieses Stück talmudischer Lehre zeigt klar (a), daß Sct. Michael im Talmud „Gott“ genannt wird, und irgend jemand anderer der „Herr“, und (b) daß Satan ein Gott ist, vor dem selbst der „Herr“ sich fürchtet. Alles, was wir im Zohar und anderen kabbalistischen Werken über Satan lesen, zeigt klar, daß diese „Persönlichkeit“ einfach die Personifikation des abstrakten Bösen ist, welches die Waffe des karmischen Gesetzes und des Karma ist. Sie ist unsere menschliche Natur und der Mensch selbst, da es heißt: „Satan ist immer nahe und unentwirrbar verworben mit dem Menschen.“ Die Frage ist nur, ob diese Kraft in uns verborgen oder thätig ist. Es ist eine wohlbekannte
Thatsache - auf jeden Fall für gelehrte Symbologen - daß nach der Darstellung
einer jeden großen Religion des Altertumsder demiurgische Logos - der
zweite Logos, oder die erste Ausstrahlung aus dem Gemüte, Mahat - sozusagen
den Grundton von dem anschlägt, was die Wechselbeziehung von Individualität
und Persönlichkeit in dem folgenden Entwicklungsschema genannt werden
kann. Der Logos spielt, wie in der mystischen Symbolik der Kosmogonie,
Theogonie und Anthropogonie gezeigt wird, zwei Rollen in dem Drama von
Schöpfung und Sein - jene der rein menschlichen Persönlichkeit und der
göttlichen Unpersönlichkeit der sogenannten Avatâras oder göttlichen Inkarnationen,
und jene des Universalgeistes, genannt Christos bei den Gnostikern, und
der Fravarshi (oder Ferouer) des Ahura Mazda in der altpersischen Philosophie.
Auf den niederen Stufen der Theogonie hatten die himmlischen Wesen der
niederen Hierarchien ein jedes einen Fravarshi oder himmlischen „Doppelgänger“.
Es ist die gleiche, nur noch mehr mystische Wiederbehauptung des kabbalistischen
Satzes: „Deus est Demon inversus“; wobei jedoch das Wort „Dämon“,
wie im Falle des Sokrates, und in dem Geiste der Bedeutung, die ihm vom
ganzen Altertume gegeben wurde, für den Schutzgeist steht, einen „Engel“,
und nicht einen Teufel satanischer Abkunft, wie es die Theologie haben
möchte. Die römisch-katholische Kirche zeigt ihre übliche Logik und Folgerichtigkeit,
indem sie den Sct. Michael als den Ferouer Christi annimmt. Dieser Ferouer
war sein „Schutzengel“, wie von Sct. Thomas [8] bewiesen ist, der jedoch
die Vorbilder und Synonyme des Michael, wie z.B. den Merkur, Teufel nennt! Hier haben wir die zwei Helden des alten Testaments, das Verbum [?] (oder den zweiten Jehovah), und sein Angesicht [„Gegenwart“, wie es die Protestanten übersetzen], die beide nur eins ausmachen, und doch zwei sind, ein Geheimnis, das uns unlösbar schien, bevor wir die Lehre von den altpersischen Ferouers studiert, und gelernt hatten, daß der Ferouer die geistige Kraft, zugleich Bild, Angesicht, und Schützer der Seele war, welche schließlich den Ferouer assimiliert. [9] Das ist nahezu richtig. [3] II. Moses, XXII. 28. [4] V. Moses IV. 19. [5] Judas, 8, 9. [6] Siehe Isis Unveiled, II. 487 ff. [7] Traktat Kiddushim, 81. Aber siehe Myer`s Qabbalah, pp. 92, 94. [8] Marangone ruft in seinen Grandezze del Archangelo Sancto Mikaele aus: „O größter Stern, der du der Sonne folgst, welche Christus ist! . . . O lebendiges Bild der Gottheit! O großer Wunderthäter des alten Testamentes! O unsichtbarer Stellvertreter Christi in seiner Kirche! . . .“ Das Werk wird in der lateinischen Kirche sehr in Ehren gehalten. [9] Pneumatologie, V, p. 516. |