Unter andern Widersinnigkeiten behaupten die Kabbalisten, daß das Wort Metatron, das sich in meta-thronon ([korrekter Abdruck siehe Buch]) teilt, „nahe dem Throne“ bedeutet. [10] Es bedeutet gerade das Gegenteil, da meta „darüber hinaus“ und nicht „nahe“ bedeutet. Dies ist von großer Wichtigkeit in unserer Beweisführung. St. Michael, „quis ut Deus“, ist also sozusagen der Übersetzer der unsichtbaren Welt in die sichtbare und gegenständliche.

Sie behaupten ferner in Übereinstimmung mit der römisch-katholischen Kirche, daß in der biblischen und christlichen Theologie „nach der Dreieinigkeit keine höhere himmlische Persönlichkeit existiert, als jene des Erzengels oder Seraph Michael.“ Nach ihnen ist der Überwinder des Drachen der Erzsatrap der heiligen Miliz, der Hüter der Planeten, der König der Sterne, der Besieger des Satan und der mächtige Lenker. In der mystischen Astronomie dieser Herren ist er der Überwinder des Ahriman, der, nachdem er den Sternenthron des Usurpators umgestürtzt, sich an seiner statt in den Sonnenfeuern badet; und als Verteidiger der Christus-Sonne nähert er sich so sehr seinen Meister, „daß er eins mit ihm zu werden scheint.“ [11] Infolge dieser Verschmelzung mit dem Worte (Verbum) verloren die Protestanten, und unter ihnen Kalvin, schließlich die Zweiheit ganz aus den Augen, und sahen keinen Michael mehr, „sondern nur seinen Meister“, schreibt der Abbé Caron. Die römischen Katholiken, und insbesondere ihre Kabbalisten wissen es besser; und sie sind es, welche der Welt diese Zweiheit erklären, welche ihnen das Mittel liefert, die Auserwählten der Kirche zu verherrlichen, und alle jene Götter zu verwerfen und zu ächten, welche ihren Dogmen im Wege stehen mögen.

So werden dieselben Titel und dieselben Namen abwechselnd Gott und dem Erzengel gegeben. Beide werden Metatron genannt, „beide haben den Namen Jehovah auf sich angewendet, wenn sie der eine im andern (sic) sprechen“, dann nach dem Zohar bedeutet der Ausdruck gleichermaßen den Meister und den Gesandten. Beide sind der Engel des Angesichtes, weil, wie uns mitgeteilt wird, wenn einerseits „das Wort“ „das Antlitz (oder die Gegenwart) und das Bild der Substanz Gottes“ genannt wird, anderseits „Jesaja (?), wo er vom Heiland zu den Israeliten spricht, ihnen sagt“: „Der Engel seiner Gegenwart rettete sie in ihrer Bedrängnis“ - „darum war er ihr Heiland“. [12] Anderwärts wird Michael sehr deutlich der „Fürst der Antlitze des Herrn“ genannt, wird „Herrlichkeit des Herrn“. Jehovah und Michael sind beide die „Führer von Israel [13] . . . Oberste der Heerschaaren des Herrn, höchste Richter der Seelen und sogar der Seraphim.“ [14]

Die Gesamtheit des obigen ist auf Grund verschiedener Werke von römischen Katholiken gegeben, und muß daher orthodox sein. Einige Ausdrücke sind übersetzt, um zu zeigen, was spitzfindige Theologen und Kasuisten unter dem Ausdrucke Ferouer verstehen, [15] einem Worte, das wie gesagt von einigen französischen Schriftstellern dem Zend Avesta entlehnt ist, und im römischen Katholizismus zu einem Zwecke gebraucht wird, von dessen Vorwegnahme Zoroaster sehr weit entfernt war. In Fargard XIX (Vers 14) des Vendîdâd heißt es:

Rufe an, o Zarathushtra, meinen Fravarshi, der ich bin Ahura Mazda, das größte, das beste, das schönste aller Wesen, das festeste, das intelligenteste, . . . und dessen Seele das heilige Wort (Mâthra Spenta) ist. [16]

Die französischen Orientalisten übersetzen Fravarshi mit Ferouer.
Was ist nun ein Ferouer oder Fravarshi? In einigen altpersischen Werken ist es deutlich einbegriffen, daß Fravarshi der innere, unsterbliche Mensch ist, oder das Ego, welches sich reinkarniert; daß er vor dem physischen Körper existierte und alle derartigen Körper überlebt, in welche er gerade gekleidet ist.

Nicht nur der Mensch ward mit einem Fravarshi begabt, sondern auch die Götter, und der Himmel, das Feuer, die Gewässer, und die Pflanzen. [17]

Dies zeigt so klar, als nur gezeigt werden kann, daß der Ferouer das „geistige Gegenbild“ von entweder Gott, Tier, Pflanze, oder selbst Element ist, d.i. der verfeinerte und reinere Teil der gröberen Schöpfung, die Seele des Körpers, was immer auch der Körper gerade sein mag. Daher empfiehlt Ahura Mazda dem Zarathushtra seinen Fravârshi anzurufen und nicht ihn selbst (den Ahura Mazda); d.h., die unpersönliche und wahre Wesenheit der Gottheit, die eins ist mit Zoroasters eigenem Âtmâ (oder Christos), nicht die falsche und persönliche Erscheinung. Das ist ganz klar.
Nun haben die römischen Katholiken sich dieses göttlichen und ätherischen Vorbildes bemächtigt, um so den angeblichen Unterschied zwischen ihrem Gotte und Engeln und der Gottheit und ihren Apekten oder den Göttern der alten Religionen aufzurichten.
Während sie also Merkur, Venus, und Jupiter (einerlei ob als Götter oder Planeten) Teufel nennen, machen sie gleichzeitig aus demselben Merkur den Ferouer ihres Christus. Diese Thatsache ist unleugbar. Vossius [18] beweist, daß Michael der Merkur der Heiden ist, und Maury und andere französische Schriftsteller bestätigen ihn, und fügen hinzu, daß nach großen Theologen Merkur und die Sonne eins sind, (?) und das ist nicht zu verwundern, denken sie, da Merkur, indem er der Weisheit und dem Verbum der Sonne) so nahe ist, von ihr absorbiert und mit ihr vermengt sein muß. [19]
Diese „heidnische“ Anschauung war vom ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung an angenommen, wie in der ursprünglichen Apostelgeschichte (die englische Übersetzung ist wertlos) gezeigt ist.


[10] Ebenda, p. 515.

[11] Ebenda, p. 514.

[12] Jesaja, LXIII. 8, 9.

[13] Metator und [korrekter Abdruck siehe Buch].

[14] Pneumatologie, p. 515. „La Face et le Représentant du Verbe.“

[15] Das, was im VendÎdâd Fravarshi genannt wird, der unsterbliche Teil eines Individuums; das, was den Menschen überlebt - das Höhere Ich, sagen die Occultisten, oder der Göttliche Doppelgänger.

[16] Darmesteter`s Übers., p. 208.

[17] Orm. Ahr., §§ 112, 113; angeführt von Darmesteter, „Sacred Books of the East“, Bd. IV, Einl., p. LXXIV.

[18] De Idol., II. 373.

[19] Siehe De Mirville, ebenda, p. 515.