Wir haben anderwärts gesagt, daß das Dogma vom ersten Falle auf ein paar Versen der Offenbarung beruhte, welche jetzt von einigen Gelehrten als ein Plagiat nach Enoch nachgewiesen worden sind. Diese haben endlose Theorien und Spekulationen entstehen lassen, die allmählich die Wichtigkeit von Dogma und inspirierter Überlieferung erlangten. Jedermann versuchte, den Vers von dem siebenköpfigen Drachen mit seinen zehn Hörnern und sieben Kronen zu erklären, dessen Schwanz „den dritten Teil der Sterne zog, und sie auf die Erde warf“, und dessen Stätte, samt der seiner Engel, „nicht mehr gefunden ward im Himmel.“ Was die sieben Häupter des Drachen (oder Cyklus) bedeuten, sowie auch seine fünf verruchten Könige, kann aus den Zusätzen gelernt werden, welche den dritten Teil dieses Bandes beschließen.
Von Newton bis Bossuet wurden unaufhörlich in christlichen Gehirnen Spekulationen mit Bezug auf diese dunklen Verse entwickelt. Bossuet sagt:

Der fallende Stern ist der Heresiarch Theodosius . . . . Die Rauchwolken sind die Ketzereien der Montanisten. . . . Der dritte Teil der Sterne sind die Märtyrer, und insbesondere die Doktoren der Theologie.

Bossuet hätte jedoch wissen sollen, daß die in der Offenbarung beschriebenen Ereignisse nicht originell waren, und, wie gezeigt, in anderen und zwar heidnischen Überlieferungen gefunden werden können. Es gab keine Scholastiker noch Montanisten während der vedischen Zeiten, noch auch viel früher in China. Aber die Christliche Theologie mußte geschützt und gerettet werden.
Das ist nur natürlich. Aber warum sollte die Wahrheit geopfert werden, um die Nachtarbeiten christlicher Theologen vor dem Untergange zu schützen?
Der „princeps aeris huius“, der „Fürst der Luft“ des Sct. Paulus ist nicht der Teufel, sondern die Wirkungen des Astrallichtes, wie Éliphas Lévi richtig erklärt. Der Teufel ist nicht der „Gott dieser Periode“, wie er sagt, denn es ist die Gottheit eines jeden Zeitalters und einer jeden Periode, seitdem der Mensch auf Erden erschien, und die Materie in ihren zahllosen Formen und Zuständen mußte um ihr vergängliches Dasein gegen andere zersetzende Kräfte kämpfen.
Der „Drache“ ist einfach das Symbol des Cyklus und der „Söhne der manvantarischen Ewigkeit“, welche während einer bestimmten Epoche ihrer Bildungsperiode auf die Erde herabgestiegen waren. Die „Rauchwolken“ sind geologische Phänomene. Der „dritte Teil der Sterne des Himmels“, der auf die Erde herabgeworfen wurde, bezieht sich auf die göttliche Monaden - die Sternengeister in der Astrologie - welche unsere Kugel umwandeln; d.i. auf die menschlichen Egos, welche bestimmt sind, den ganzen Cyklus der Inkarnationen durchzumachen. Der Satz „qui circumambulat terram“ wird jedoch wiederum auf den Teufel in der Theologie bezogen, indem es heißt, daß der mystische Vater des Bösen „wie ein Blitz herabfällt“. Zum Unglück für diese Erklärung wird der „Menschensohn“ oder Christus nach dem persönlichen Zeugnisse Jesu auf gleiche Weise auf die Erde herabsteigend erwartet, „gleich wie der Blitz ausgehet vom Anfang“, [26] gerade in derselben Gestalt und unter demselben Symbol wie Satan, den man fallen sieht „vom Himmel. . . als einen Blitz“. [27] Der Ursprung aller dieser Metaphern und Redefiguren, die ihrem Charakter nach höchst orientalisch sind, muß im Osten gesucht werden. In allen alten Kosmogonien kommt das Licht aus der Finsternis. In Ägypten, wie anderwärts, war die Finsternis „das Prinzip aller Dinge“. Daher kommt Pymander, der „Göttliche Gedanke“, hervor wie das Licht aus der Finsternis. Behemoth [28] ist das Prinzip der Finsternis, oder Satan, in der römisch-katholischen Theologie, und doch sagt Hiob von ihm, daß Behemoth „ist der Anfang (das Prinzip) der Wege Gottes“ - „Principium viarum Domini Behemoth! [29]

Folgerichtigkeit scheint nicht eine Lieblingstugend irgend eines Teiles der sogenannten göttlichen Offenbarung zu sein - auf jeden Fall nicht so, wie sie von den Theologen erklärt wird.

Die Ägypter und die Chaldäer führten die Geburt ihrer göttlichen Dynastien auf jene Periode zurück, da die schöpferische Erde in ihren letzten Schlußwehen ihre vorgeschichtlichen Bergketten hervorbrachte, die seither verschwunden sind, ihre Seen und Kontinente. Ihr Anlitz war bedeckt mit „tiefer Finsternis und in jenem (sekundären) Chaos war das Prinzip aller Dinge“, das sich später auf der Kugel entwickelte. Unsere Geologen haben jetzt festgestellt, daß ein solcher Erdbrand in den frühen geologischen Perioden, vor verschiedenen hundert Millionen Jahren stattfand. [30] Was die Überlieferung selbst anbelangt, so hatte jedes Land und Volk eine solche, ein jedes unter seiner bezüglichen nationalen Form.

Nicht nur Ägypten, Griechenland, Skandinavien oder Mexiko hatte seinen Typhen, Python, Loki oder seinen „fallenden“ Dämon, sondern auch China. Die Himmlischen haben eine ganze Literatur über den Gegenstand. Es heißt, daß infolge des Aufruhrs gegen Ti seitens eines stolzen Geistes, welcher sagte, er selber sei Ti, sieben Chöre himmlischer Geister auf die Erde verbannt wurden, was eine „Veränderung in der ganzen Natur hervorbrachte, indem sich der Himmel selbst herabbeugte und sich mit der Erde vereinigte.“

Im Y-King liest man:

Der fliegende Drache, der hochmütige und aufrührerische, leidet nun und sein Stolz wird bestraft. Er dachte, er werde im Himmel regieren, und er regiert nun auf der Erde.

Wiederum heißt es im Tchun-Tsieu allegorisch:

Eines Nachts hörten die Sterne auf, in der Dunkelheit zu scheinen, und verließen sie, indem sie wie ein Regen auf die Erde herabfielen, wo sie jetzt verborgen sind.

Diese Sterne sind die Monaden.
Die chinesischen Kosmogonien haben ihren „Herrn der Flamme“ und ihre „Himmlische Jungfrau“, mit kleinen „Geistern, um ihr zu helfen und zu dienen; und mit großen Geistern, um jene zu bekämpfen, welche die Feinde anderer Götter sind“. Aber all dies beweist nicht, daß die erwähnten Allegorien Vorahnungen [31] oder prophetische Schriften sind, die sich alle auf die christliche Theologie beziehen.


[26] Matthäus, XXIV. 27.

[27] Lukas, X. 18.

[28] Die protestantische Bibel definiert Behemoth unschuldig - „der Elephant, wie einige denken“; siehe die Randbemerkung (Hiob, XL. 15) in der autorisierten Übersetzung.

[29] Hiob, XL. 14.

[30] Die Astronomie weiß jedoch nichts von den Sternen, die verschwunden sind, ausgenommen einfach für das Sehvermögen; aber niemals aus dem Dasein, seitdem die Wissenschaft der Astronomie bekannt wurde. Zeitweilige Sterne waren einfach veränderliche Sterne, und man glaubt, daß selbst die neuen Sterne des Kepler und Tycho Brahe noch gesehen werden können.

[31] „Vorahnungen“ (presentiments) angenommen statt „Darstellungen“ (presentments) des Originals. (Der Übersetzer.)