3. Dann kommen die Nâgas, [71] die Sarpas, Schlangen oder Seraphs. Diese wieder zeigen ihren Charakter durch die verborgene Bedeutung ihrer Glyphe. In der Mythologie sind sie die halbgöttlichen Wesen mit einem menschlichen Anlitz und dem Schwanze eines Drachen. Sie sind daher unleugbar die jüdischen Seraphim (vergleiche Serapis, Sarpa, Serpens); der Singular ist Saraph, „brennend, feurig“. Die christliche und jüdische Engellehre unterscheidet zwischen den Seraphim und Cherubim oder Cherubs, welcher in zweiter Reihe kommen; esoterisch und kabbalistisch sind sie wesensgleich; die Cherubim sind einfach der Name für die Bilder oder Gleichnisse irgend einer der Abteilungen der himmlischen Scharen. Nun waren, wie zuvor gesagt, die Drachen und Nâgas die Namen, welche den initiierten Einsiedlern wegen ihrer großen Weisheit und Geistigkeit, und weil sie in Höhlen wohnten, gegeben wurden. Wenn also Hesekiel [72] das Beiwort Cherub auf den König von Tyrus anwendet, und ihm sagt, daß es wegen seiner Weisheit und seines Verstandes kein Geheimnis giebt, das vor ihm verborgen sein kann, so zeigt er dem Occultisten, daß es ein „Prophet“ ist, vielleicht noch ein Anhänger des exoterischen Dienstes, welcher gegen einen Initiierten einer anderen Schule donnert, und nicht gegen einen eingebildeten Luzifer, einen Cherub, der von den Sternen und dann aus dem Garten Eden herabgestürzt ist. Somit ist der sogenannte „Krieg“ in einer seiner vielen Bedeutungen auch eine allegorische Aufzeichnung des Kampfes zwischen den zwei Klassen von Adepten - denen des Rechten und denen des Linken Pfades. Es gab drei Klassen von Rishis in Indien, welche die frühesten bekannten Adepten waren; die Königlichen oder Râjarshis, Könige und Fürsten, welche das asketische Leben annahmen; die Göttlichen oder Devarshis, oder die Söhne von Dharma oder Yoga; und die  Brahmarshis, die Abkömmlinge jener Rishis, welche die Begründer der brâhmanischen Gotras oder Kastenrassen waren. Wenn wir nun den mythischen und astronomischen Schlüssel für einen Augenblick beiseite lassen, so zeigen die geheimen Lehren viele Atlantier, welche diesen Abteilungen angehörten; und es gab Streite und Kriege zwischen ihnen, de facto und de jure. Nârada, einer der größten Rishis, war ein Devarshi; und er ist dargestellt in beständiger und immer dauernder Fehde mit Brahmâ, Daksha und anderen Göttern und Weisen. Daher können wir mit Sicherheit behaupten, daß, was immer die astronomische Bedeutung dieser allgemein angenommenen Legende sein mag, ihre menschliche Phase auf wirklichen und geschichtlichen Ereignissen beruht, die zu einem theologischen Dogma nur deshalb entstellt wurden, um kirchlichen Zwecken zu entsprechen. Wie oben, so unten. Gestirnliche Erscheinungen, und das Verhalten der Weltkörper am Himmel wurden zum Muster genommen, und der Plan unten auf der Erde ausgeführt. So wurde der Raum in seinem abstrakten Sinn der „Bereich der göttlichen Erkenntnis“ genannt und von den Chaldäern oder Initiierten Ab Soo, die Wohnung (oder der Vater, d. i. die Quelle) der Erkenntnis, weil im Raume die intelligenten Mächte wohnen, welche unsichtbar das Weltall beherrschen. [73]
Auf dieselbe Art und nach dem Plane des Tierkreises am oberen Ozean oder am Himmel, wurde ein gewisser Bereich auf Erden, ein Inlandmeer geweiht, und „ein Abgrund des Lernens“ genannt. Zwölf Zentren auf demselben, in Gestallt von zwölf kleinen Inseln, welche die Tierkreiszeichen repräsentierten - von denen zwei durch Zeitalter die „Geheimzeichen“ blieben [74] - waren die Wohnungen von zwölf Hierophanten und Meistern der Weisheit. Dieses „Meer der Erkenntnis“ oder des Lernens [75] blieb durch Zeitalter dort, wo sich jetzt die Shamo oder Gobi-Wüste erstreckt. Es existierte bis zur letzten großen Eiszeit, da eine örtliche Umwälzung, welche die  Wasser nach Süden und Westen schwemmte und so die gegenwärtige verödete Wüste bildete, nur eine gewisse Oase zurückließ, mit einem See und einer Insel inmitten desselben, als einen Überreste des Zodiakalringes auf der Erde. Durch Zeitalter war der wässrige Abgrund - welcher bei den Nationen, die den späteren Babyloniern vorangingen, die Wohnung der „Großen Mutter“ war, des irdischen Nachbildes der „Großen Mutter Chaos“ am Himmel, der Mutter von Ea (Weisheit), der selbst das frühe Vorbild von Oannes, dem Mann-Fische der Babylonier war - durch Zeitalter war also der „Abgrund“ oder das Chaos der Aufenthalt der Weisheit und nicht des Bösen. Der Kampf des Bel und dann des Merodach, des Sonnengottes, mit Tiamat, der See und ihrem Drachen - ein „Krieg“, welcher mit der Niederlage des letzteren endete - hat eine rein kosmische und geologische Bedeutung, so gut wie eine geschichtliche. Er ist ein aus der Geschichte der geheimen und heiligen Wissenschaften, ihrer Entwicklung, ihres Wachstums und Todes - für die profanen Massen - herausgerissenes Blatt. Er bezieht sich (a) auf das systematische und allmähliche Auftrocknen unermeßlicher Länderstrecken durch die brennende Sonne zu einer gewissen vorgeschichtlichen Periode, einer von den schrecklichen Dürren, die mit einer allmählichen Verwandlung einstmals fruchtbarer, reich bewässerter Länder in die Sandwüsten, die sie jetzt sind, endete; und (b) auf die ebenso systematische Verfolgung der Propheten des Rechten Pfades durch jene des Linken. Die letzteren, die zur Entstehung und Entwicklung der Priesterkasten den Anstoß gegeben hatten, haben schließlich die Welt in alle jene exoterischen Religionen geführt, die erfunden worden sind, um dem entarteten  Geschmack der „hoi polloi“ und der Unwissenden für ritualistischen Pomp und die Materialisation des ewig immateriellen und unerkennbaren Prinzips zu genügen.


[71] Die Nâgas werden von den Orientalisten als ein geheimnisvolles Volk beschrieben, dessen Merksteine in Indien bis zum heutigen Tage in Fülle gefunden werden, und welche in Nâga-dvîpa wohnten, einem von den sieben Kontinenten oder Teilen von Bhârata-varsha (Altindien); die Stadt Nagpur ist eine der ältesten Städte im Lande.

[72] XXVIII. 3, 4.

[73] Nicht minder bedeutsam sind die Eigenschaften, welche dem Rudra Shiva zugeschrieben werden, dem großen Yogi, dem Vorvater aller Adepten - in der Esoterik einer der größten Könige der göttlichen Dynastien. Genannt der „früheste“ und der „letzte“, ist er der Schutzherr der dritten, vierten und fünften Wurzelrasse .Denn in seinem frühesten Charakter ist er der Asket Dig-ambara, „bekleidet mit den Elementen“, Tri-lochana, der „Dreiäugige“, Pancha-ânana, der „Fünfgesichtige“, eine Anspielung auf die vergangenen vier und die gegenwärtige fünfte Rasse, denn, obwohl fünfgesichtig, ist er doch nur „vierarmig“, da die fünfte Rasse noch lebendig ist. Er ist der „Gott der Zeit“, Saturn-Cronus, wie seine „Trommel“ Damaru in der Gestalt eines Stundenglases zeigt; und wenner angeklagt wird, das fünfte Haupt Brahmâs abgehauen, und ihn nur mit vieren zurückgelassen zu haben, so ist das wiederum eine Anspielung auf einen gewissen Grad in der Initiation und auch auf die Rassen.

[74] Gustav Seiffarth´s Idee, daß der Tierkreiszeichen in alten Zeiten nur zehn waren, ist irrtümlich. Den Profanen waren nur zehn bekannt; die Initiierten jedoch kannten sie alle, seit der Zeit der Trennung der Menschheit in Geschlechter, als die Trennung von Virgo-Scorpio in zwei entstand. Diese Trennung, infolge der Hinzufügung eines geheimen Zeichens und der von den Griechen ersonnenen Wage, anstatt eines geheimen Namens, welcher nicht gegeben wurde, machten zwölf. (Siehe Isis entschleiert, II. 456.)

[75] Das Obige ist vielleicht ein Schlüssel zu dem symbolischen Namen des Dalai-Lama - des „Ozean“ Lama, was den Weisheitsozean bedeutet. Abbé Huc spricht davon