Es giebt unter den geheimen Büchern ein Werk, genannt der Spiegel der Zukunft, in welchem alle die Kalpas innerhalb von Kalpas, und Cyklen im Schoße des Shesha oder der unendlichen Zeit aufgezeichnet sind. Dieses Werk wird dem Pesh-Hun-Nârada zugeschrieben. Es besteht ein anderes altes Werk, welches verschiedenen Atlantiern zugeschrieben wird. Diese beiden Aufzeichnungen versehen uns mit den Zahlen unserer Cyklen, und mit der Möglichkeit, das Datum zukünftiger Cyklen zu berechnen. Die chronologischen Berechnungen jedoch, welche gegenwärtig mitgeteilt werden sollen, sind jene der Brâhmanen, wie weiterhin erklärt: aber die meisten derselben sind auch jene der Geheimlehre.
Die Chronologie und die Berechnungen der brâhmanischen Initiierten beruhen auf den indischen Tierkreisaufzeichnungen und auf den Werken des obengenannten Astronomen und Magiers - Asuramaya. Die atlantischen Tierkreisaufzeichnungen können nicht irren, da sie unter der Anleitung jener zusammengestellt wurden, welche der Menschheit unter anderem zum ersten Male die Astronomie lehrten.
Aber hier treten wir neuerlich mit Bedacht und ohne Sorge einer neuen Schwierigkeit entgegen. Man wird uns sagen, daß unsere Behauptung von der Wissenschaft widersprochen wird, in der Person eines Mannes, der (im Westen) als eine große Autorität in Bezug auf alle Gegenstände der Sanskritlitteratur betrachtet wird - Professor Albrecht Weber zu Berlin. Das ist nun einmal zu unserm großen Bedauern nicht anders; und wir sind bereit, das zu vertreten, was jetzt gesagt wird. Asuramaya, auf welchen die epische Überlieferung als auf den ältesten Astronomen in Âryavârta hinweist, als auf einem, dem „der Sonnengott Kenntnis der Sterne mitgeteilt hat,“ in eigener Person, wie Dr. Weber selbst bemerkt, wird von diesem auf eine sehr geheimnisvolle Weise mit dem „Ptolemaios“ der Griechen identifiziert. Kein gewichtigerer Grund wird von ihm für diese Identifikation angeführt als der folgende:

Dieser letztere Name (Ptolemaios) wurde, wie wir aus der Inschrift des Piyadasi ersehen, zum indischen „Turamaya“, woraus der Name „Asura Maya“ sehr leicht entstehen konnte.

Ohne Zweifel „konnte“ er das, aber die Lebensfrage lautet: Giebt es irgendwelche guten Beweise dafür, daß er so entstanden ist? Der einzige Beweis, der dafür geliefert wird, besteht darin, daß es so sein muß:

Weil . . . dieser Maya ausdrücklich nach Romaka-pura im Westen gewiesen wird. [67]

Die Mâyâ ist offenkundig, nachdem kein Sanskritist unter den Europäern sagen kann, wo diese Örtlichkeit Romakapura sich befand, abgesehen davon freilich, daß sie irgendwo „im Westen“ war. Jedenfalls, da kein Mitglied der Asiatischen Gesellschaft oder westlicher Orientalist jemals auf brâhmanische Lehren hören wird, ist es nutzlos, die Einwürfe der europäischen Orientalisten in Erwägung zu ziehen. Romakapura war „im Westen“, gewiß, da es einem wesentlichen Bestandteil des verschwundenen Kontinentes Atlantis bildete. Und es ist gleichermaßen gewiß, daß es Atlantis war, wohin in den indischen Purânen der Geburtsort des Asuramaya verlegt wurde, „der ein ebenso großer Magier als ein großer Astrologe und Astronom war.“ Obendrein weigert sich Prof. Weber, dem indischen Tierkreis irgendwelches hohe Alter zuzuschreiben, und fühlt sich geneigt zu glauben, daß die Inder einen Tierkreis überhaupt nicht kannten, bevor sie nicht

einen solchen von den Griechen entlehnt hatten. [68]

Diese Behauptung widerstreitet den ältesten Überlieferungen von Indien und muß daher übergangen werden. Wir sind umsomehr berechtigt, über sie hinwegzugehen, als der gelehrte deutsche Professor uns in der Einleitung zu seinem Werke selber sagt:

Außer den natürlichen Hindernissen, welche die Forschung (in Indien) erschweren, herrscht noch ein dichter Nebel von Vorurteil und vorgefaßten Meinungen, der über dem Lande lagert und es wie einen Schleier einhüllt. [69]

Kein Wunder, wenn Dr. Weber selber in diesem Schleier gefangen zu unwillkürlichen Irrtümern verleitet worden sein sollte. Hoffen wir, daß er jetzt besser unterrichtet ist.
Einerlei nun, ob Asuramaya als ein moderner Mythos zu betrachten ist, als eine Persönlichkeit, die zur Zeit der makedonischen Griechen blühte, oder als das, wofür ihn die Occultisten ausgeben, auf jeden Fall stimmen seine Berechnungen vollständig mit jenen der geheimen Aufzeichnungen überein.
Aus Bruchstücken unermesslich alter, dem atlantischen Astronomen zugeschriebener und in Südindien gefundener Werke wurde der anderwärts erwähnte Kalender von zwei sehr gelehrten Brâhmanen in den Jahren 1884 und 1885 zusammengestellt. [70] Das Werk wird von den besten Pandits als fehlerlos bezeichnet - vom brâhmanischen Standpunkt - und bezieht sich insoweit auf die Chronologie der orthodoxen Lehren. Wenn wir seine Behauptungen mit jenen vergleichen, die einige Jahre vorher in Isis Unveiled gemacht wurden, ferner mit den bruchstückweisen Lehren, die von einigen Theosophen veröffentlicht wurden, und mit den vorliegenden Angaben, welche aus den heiligen Büchern des Occultismus herstammen, so wird sich das Ganze als vollkommen übereinstimmend erweisen, außer in eingen Einzelheiten, die nicht erklärt werden können; denn es müßten dabei Geheimnisse einer höheren Initiation - die der Schreiberin ebenso unbekannt sind als dem Leser - enthüllt werden, und das kann nicht geschehen.


[67] Siehe The History of Indian Literature, p. 253, von Prof. A. Weber; in Trübner´s Oriental Series

[68] Selbst die Mayaindianer von Guatemala hatten ihren Tierkreis seit unsagbar alter Zeit. Und „der ursprüngliche Mensch handelte in jedem Zeitalter unabhängig von Zeit und Ort auf die gleiche Weise“, bemerkt ein französischer Schriftsteller.

[69] Ebenda, p. 2.

[70] Tirukkanda Panchanga für das Kaliyugajahr 4986, von Chintamany Raghanaracharyam Sohn des berühmten Staatsastronomen zu Madras, und Tartakamala Venkata Krishna Rao.