ABTEILUNG V.

IST DAS PLERÔMA SATAN`S LAGER?

Der Gegenstand ist noch nicht erschöpft, und muß noch von anderen Aspekten aus untersucht werden.
Ob Milton´s großartige Beschreibung des drei Tage währenden Kampfes der Engel des Lichts gegen jene der Finsternis den Verdacht rechtfertigt, daß er von der entsprechenden östlichen Überlieferung gehört haben muß - ist unmöglich zu sagen. Nichtsdestoweniger, wenn er nicht selbst in Verbindung mit irgend einem Mystiker gestanden ist, muß es durch irgend jemand geschehen sein, der Zugang zu den geheimen Werken des Vatikan erlangt hatte. Unter diesen befindet sich eine Überlieferung in Bezug auf die „Beni Shamash“ - die „Kinder der Sonne“ - die sich auf die östliche Allegorie bezieht, mit viel feineren Einzelheiten in ihrer dreifachen Version, als man entweder aus dem Buche Enoch, oder aus der viel jüngeren Offenbarung des St. Johannes in Bezug auf den „alten Drachen“ und seine verschiedenen Besieger entnehmen kann, wie soeben gezeigt worden ist.
Es scheint unerklärlich, bis zum heutigen Tage Schriftsteller zu finden, welche mystischen Gesellschaften angehören, die aber in ihren vorgefaßten Zweifeln im Bezug auf das „angebliche“ Alter des Buches Enoch beharren. Während so der Verfasser der Heiligen Mysterien unter den Mayas und Quiches geneigt ist, in Enoch einen zum Christentum (!!) bekehrten Initiierten zu sehen, [1] ist der englische Kompilator von Éliphas Lévis Werken, den Mysterien der Magie, einer ähnlichen Ansicht. Er bemerkt:

Außer der Gelehrsamkeit des Dr. Kencaly schreibt keine moderne Gelehrsamkeit dem letzteren Werke (dem Buche Enoch) ein höheres Alter zu, als das vierte Jahrhundert v. Chr. [2]

Die moderne Gelehrsamkeit hat sich böserer Irrtümer schuldig gemacht als dieses. Es scheint erst gestern gewesen zu sein, daß die größten Litteraturkritiker in Europa die einfache Echtheit jenes Werkes leugneten, zusammen mit jener der orphischen Hymnen, und selbst des Buches des Hermes oder Thoth, bis ganze Verse aus dem letzteren auf ägyptischen Denkmälern und Gräbern der frühesten Dynastien entdeckt wurden. Die Ansicht des Erzbischofes Laurence ist anderwärts citiert.
Der „alte Drache“ und Satan, die jetzt einzeln und zusammengefaßt das Symbol von, und der theologische Ausdruck für die „Gefallenen Engel“ geworden sind, sind so weder in der ursprünglichen Kabbalah (dem chaldäischen Buch der Zahlen), noch in der modernen beschrieben. Denn der gelehrteste, wenn nicht der größte der modernen Kabbalisten, nämlich Éliphas Lévis, beschreibt den Satan mit folgenden glühenden Ausdrücken:

Das ist jener Engel, der Stolz genug war, sich selbst für Gott zu halten; tapfer genug, seine Unabhängigkeit um den Preis ewiger Leiden und Qualen zu erkaufen; schön genug, sich selbst im vollen göttlichen Licht angebetet zu haben; stark genug, noch immer in Finsternis inmitten von Pein zu herrschen und sich selbst einen Thron aus seinem unauslöschlichen Scheiterhaufen gemacht zu haben. Das ist der Satan des republikanischen und ketzerischen Milton . . . der Fürst der Anarchie, bedient von einer Hierarchie reiner Geister (!!) [3]

Diese Beschreibung - die so geschickt theologisches Dogma und kabbalistische Allegorie versöhnt, und es sogar zu stande bringt, eine politische Artigkeit in ihre Redewendung einzuschließen - ist, wenn im rechten Geiste gelesen, ganz richtig.


[1] P. 16.

[2]   „Biographical and Critical Essay”, p. XXXVIII.

[3] Histoire de la Magie, pp. 16, 17.