Éliphas Lévi sucht das Dogma seiner Kirche durch Paradoxen und Metaphern zu erklären, hat aber angesichts der vielen Bände, die von frommen römisch-katholischen Dämonologen unter der Approbation und den Auspizien von Rom geschrieben wurden, in diesem unsern neunzehnten Jahrhundert, sehr wenig Erfolg. Für den wahren römischen Katholiken ist der Teufel oder Satan eine Wirklichkeit. Das Schauspiel, das sich nach Angabe des Sehers von Patmos - welcher vielleicht die Erzählung im Buche Enoch zu verbessern beabsichtigte - im Sternenlicht abspielte, ist ebenso wirklich, und eine ebenso historische Thatsache, wie irgend eine andere Allegorie oder symbolisches Ereignis in der Bibel. Aber die Initiierten geben eine Erklärung, welche verschieden ist von der, die Éliphas Lévi giebt, dessen Genius und verschlagener Verstand sich einem gewissen Kompromiss unterwerfen mußte, der ihm von Rom aus diktiert war.

So gestehen die wahren und „kompromisslosen“ Kabbalisten zu, daß es für alle Zwecke der Wissenschaft und Philosophie genügt, wenn die Profanen wissen, daß das große magische Agens - genannt von den Nachfolgern des Marquis de St. Martin, den Martinisten, das Astrallicht, von den mittelalterlichen Kabbalisten und Alchimisten die siderische Jungfrau und das Mysterium Magnum, und von den östlichen Occultisten der Äther, der Wiederschein von Âkâsha - das ist, was die Kirche Luzifer nennt. Daß die lateinischen Scholastiker mit Erfolg die Universalseele und das Plerôma - den Träger des Lichtes und den Behälter aller Formen, eine Kraft, die durch das ganze Weltall ausgebreitet ist, mit ihren unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen - in Satan und seine Werke verwandelt haben, ist für niemanden etwas Neues. Aber jetzt sind sie dazu bereit, den oben erwähnten Profanen selbst die Geheimnisse mitzuteilen, die von Éliphas Lévi angedeutet sind, ohne entsprechende Erklärung, denn des letzteren Politik der verhüllten Offenbarungen konnte nur zu weiterem Aberglauben und Mißverständnis führen. Was in der That kann ein Schüler des Occultismus, welcher Anfänger ist, aus den folgenden hochpoetischen Sätzen Éliphas Lévis entnehmen, die ebenso apokalyptisch sind, wie die Schriften von irgend einem der Alchimisten?

Lucifer (das Astralicht) . . . ist eine vermittelnde Kraft, die in der ganzen Schöpfung existiert, sie dient zum Schaffen und zum Zerstören, und der Fall Adams war eine erotische Berauschung, welche seine Generation zum Sklaven dieses verhängnisvollen Lichtes gemacht hat, . . . jede geschlechtliche Leidenschaft, welche unsere Sinne überwältigt, ist ein Wirbelwind jenes Lichtes, der uns gegen den Abgrund des Todes zu ziehen versucht. Wahnsinn, Hallucinationen, Visionen, Ekstasen, sind alles Formen einer sehr gefährlichen Erregung, welche diesem inneren Phosphor (?) zuzuschreiben ist. Somit hat das Licht schließlich die Natur des Feuers, dessen verständiger Gebrauch erwärmt und belebt, und dessen Übermaß im Gegenteile auflöst und vernichtet.

Somit ist der Mensch berufen, eine unumschränkte Herrschaft über dieses (Astral-) Licht einzunehmen und dadurch seine Unsterblichkeit zu erobern und ist gleichzeitig davon bedroht, von demselben berauscht, verschlungen und für ewig vernichtet zu werden.

Dieses Licht würde daher, insoferne es verschlingend, rachgierig und verderbenbringend ist, auf diese Art wirklich das Höllenfeuer, die Schlange der Legende sein; die verdrehten Irrtümer, von denen es voll ist, die Thränen und das Zähneknirschen der mißlungenen Wesen, die es verschlingt, das Phantom des Lebens, das jenen entschlüpft, und ihren Todeskampf zu verspotten und zu verhöhnen scheint, all das würde in der That der Teufel oder Satan sein. [13]


[13] Histoire de la Magie, pp. 196, 197.