Typhon, der ägyptische Python, die Titanen, die Suras und die Asuras, gehören alle derselben Sage von Geistern, die die Erde bevölkern, an. Sie sind nicht „Dämonen, die beauftragt sind, dieses sichtbare Weltall zu erschaffen und zu organisieren“, sondern die Former oder „Baummeister“ der Welten, und die Vorfahren des Menschen. Sie sind die gefallenen Engel, metaphorisch - die „wahren Spiegel“ der „ewigen Weisheit“.

Was ist die vollkommene Wahrheit sowie die esoterische Bedeutung in Bezug auf diese universale Mythe? Das ganze Wesen der Wahrheit kann nicht von Mund zu Ohr überliefert werden. Auch kann keine  Feder es beschreiben, nicht einmal jene des aufzeichnenden Engels, wenn nicht der Mensch die Antwort in dem Heiligtume seines eigenen Herzens finde, in den innersten Tiefen seiner göttlichen Intuition. Es ist das große SIEBENTE GEHEIMNIS der Schöpfung, das erste und das letzte; und jene, welche die Offenbarung St. Johannis lesen, können seinen Schatten unter dem siebenten Siegel versteckt finden. Es kann nur in seiner augenscheinlichen, gegenständlichen Form dargestellt werden, wie das ewige Rätsel der Sphinx. Wenn die Sphinx sich selbst ins Meer warf und zu Grunde ging, so geschah dies nicht, weil Oedipus das Geheimnis der Zeitalter enträtselt hatte, sondern weil er durch Anthropomorphisieren des Immer-geistigen und des Subjektiven die große Wahrheit für immer entehrt hatte. Daher können wir es nur von seiner philosophischen und intellektuellen Ebene aus geben, aufgeschlossen beziehungsweise mit drei Schlüsseln - denn die letzten vier Schlüssel von den sieben, welche die Thore zu den Geheimnissen der Natur weit öffnen, sind in den Händen der höchsten Initiierten, und können den großen Massen nicht bekannt gemacht werden - zum mindesten nicht in diesem Jahrhundert.

Der tote Buchstabe ist überall dasselbe. Der Dualismus in der altpersischen Religion war aus exoterischer Auslegung hervorgegangen. Der heilige Airyaman, der „Geber des Wohles“, [21] der in dem Gebete mit Namen Airyama-ishyô angerufen wird, ist der göttliche Aspekt des Ahriman, „des tödlichen, des Daêva der Daêvas“, [22] und Angra Mainyu ist der dunkle materielle Aspekt des ersteren. „Bewahre uns vor unserm Hasser, o Mazda und Ârmaita Spenta“, [23] hat als Gebet und Anrufung eine übereinstimmende Bedeutung mit “Führe uns nicht in Versuchung”, und wird vom Menschen an den schrecklichen Geist der Dualität im Menschen selbst gerichtet. Denn Ahura Mazda ist der Geistige, Göttliche und Gereinigte Mensch, und Ârmaita Spenta, der Geist der Erde oder Stofflichkeit, ist dasselbe wie Ahriman oder Angra Mainyu in einem Sinne.

Die Gesamtheit der magischen oder altpersischen Litteratur - oder was jetzt davon übrig ist - ist magisch, occult, daher allegorisch und symbolisch, selbst sein „Geheimnis des Gesetzes“. [24] Nun halten die Mobed und die ParsÎ während des Opfers ihr Auge auf Baresma gerichtet - der göttliche Zweig vom „Baume“ des Ormazd war in ein Bündel metallener Stäbe verwandelt worden - und wundern sich, warum weder die Amesha Spentas, noch „die hohen und schönen goldenen Haômas, noch selbst ihre Vohu-Manô (gute Gedanken), noch ihre Râta (Opfergaben)“ ihnen viel helfen. Sie mögen über den „Baum der Weisheit“ meditieren und durch Studium die Früchte desselben eine nach der andern sich zu eigen machen. Der Weg zum Baume des ewigen Lebens, zum weißen Haôma, zum Gaokerena, führt von einem Ende der Erde zum andern; und Haôma ist im Himmel, sowie auf Erden. Aber um neuerdings ein Priester desselben zu werden, und ein „Heiler“, muß der Mensch sich selber heilen, denn dies muß geschehen, bevor er andere heilen kann.


[21] Vendîdâd, Far. XX. 12; a. a. O., p. 222.

[22] Ebenda, Far. XIX. 43; a. a. O., p. 218.

[23] Aus dem Vendîdâd Sâdah, angeführt von Darmesteter, a. a. O., p. 223.

[24] Siehe den Gâtha in Yasna XLIV.