Melia, denkt Decharme, ist die Personifikation des „Eschenbaumes“, aus dem, nach Hesiod, das Geschlecht des ehernen Zeitalters hervorgegangen ist, [9] und welcher der aller ârischen Mythologie gemeinsame himmlische Baum bei den Griechen ist. Diese Esche ist die Yggdrasil der nordischen Mythologie, welche die Nornen täglich mit den Wasser aus der Quelle der Urd besprengen, damit sie nicht verwelke. Er bleibt grünend bis in die letzten Tage des goldenen Zeitalters. Dann geben die Nornen - die drei Schwestern, welche beziehungsweise in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft blicken - den Beschluß des Orlog oder Schicksals (Karma) bekannt, aber die Menschen sind sich nur der Gegenwart bewußt. (Aber wenn) Gullweig (Golderz) kommt, die behexende Zauberin . . . welche, dreimal ins Feuer geworfen, jedes Mal schöner hervorgeht als zuvor, und die Seelen der Götter und Menschen mit nicht zu besänftigendem Verlangen erfüllt, da treten die Nornen . . . ins Dasein, und der selige Friede des Kindheitstraumes entschwindet, und die Sünde kommt ins Dasein mit allen ihren bösen Folgen (und Karma). [10] Das dreimal geläuterte Gold ist - Manas, die bewußte Seele. Bei den Griechen versinnbildlichte der Eschenbaum dieselbe Idee. Seine üppigen Zweige sind der Sternenhimmel, golden bei Tage und mit Sternen besäet bei Nacht - mit den Früchten der Melia und Yggdrasil, unter deren schützendem Schatten die Menschheit während des goldenen Zeitalters ohne Begierde, sowie ohne Furcht lebte. „Jener Baum hatte eine Frucht, oder einen brennenden Zweig, welcher der Blitz war“ - vermutet Decharme. Und hier setzt der ertötende Materialismus des Zeitalters ein, jene sonderbare Verkehrtheit im modernen Gemüt, die wie ein Nordsturm alles ihr im Wege stehende niederbeugt und jede Intuition erfrieren läßt, indem sie ihr auf die physischen Spekulationen des Tages keinen Einfluß gestattet. Nachdem der gelehrte Verfasser der Mythologie de la Grèce Antique in Prometheus nichts anderes gesehen hat, als „Feuer durch Reibung“, nimmt er in dieser „Frucht“ eine Kleinigkeit mehr denn eine Anspielung auf irdisches Feuer und seine Entdeckung wahr. Es ist nicht länger das Feuer, entstanden durch den Fall eines Blitzes, der etwas trockenen Brennstoff in Brand setzt, und so alle seine unschätzbaren Wohlthaten den paläolithischen Menschen offenbart - sondern diesmal etwas Geheimnisvolleres, obwohl ebenso irdisches! Ein göttlicher Vogel, der in den Ästen (des himmlischen Eschenbaumes) nistete, stahl jenen Zweig (oder die Frucht) und trug ihn in seinem Schnabel hinab auf die Erde. Nun ist das griechische Wort [korrekter Abdruck siehe Buch] das genaue Äquivalent des Sanskritwortes [korrekter Abdruck siehe Buch], “der eilige“, ein Beiname des Agni, betrachtet als der Träger des göttlichen Funkens. Phoroneus, Sohn der Melia oder der himmlischen Esche, entspricht somit wahrscheinlich einer viel älteren Vorstellung, als jener, welche den pramantha (der alten ârischen Hindûs) in den griechischen Prometheus verwandelte. Phoroneus ist der (personificierte) Vogel, der den himmlischen Blitz zur Erde bringt. Überlieferungen, welche sich auf die Geburt der ehernen Rasse beziehen, und jene, die aus Phoroneus den Vater der Argiver machten, sind für uns ein Beweis, daß dieser Donnerkeil (oder Blitz), sowie in der Sage vom Hephaistos oder Prometheus, der Ursprung des Menschengeschlechtes war. [11] Dies bietet uns noch nicht
mehr als die äußere Bedeutung der Symbole und der Allegorie. Es wird nun
angenommen, daß der Name Prometheus enträtselt worden ist. Aber die modernen
Mythologen und Orientalisten sehen darin nicht länger mehr, was ihre Väter
auf Grund des gesamten klassischen Altertums sahen. Sie finden darin nur
etwas, was dem Geiste des Zeitalters viel angemessener ist, nämlich ein
phallischen Element. Aber der Name Phoroneus, sowie jener des Prometheus,
trägt nicht eine, auch nicht bloß zwei, sondern eine Reihe von esoterischen
Bedeutungen. Beide beziehen sich auf die sieben himmlischen Feuer;
auf Agni Abhimânin, seine drei Söhne, und ihre fünfundvierzig Söhne, die
die Neunundvierzig Feuer bilden. Beziehen sich alle diese Zahlen bloß
auf die irdische Art des Feuers und auf die Flamme der geschlechtlichen
Leidenschaft? Erhob sich das indische ârische Gemüt niemals über solche
reinsinnliche Vorstellungen; jenes Gemüt, welches von Prof. Max Müller
für das am geistigsten und mystischesten veranlagte des ganzen Erdballes
erklärt wird? Die Zahl jener Feuer hätte allein schon eine Andeutung der
Wahrheit an die Hand geben sollen. die sich auf die scheinbare Analogie von [korrekter Abdruck siehe Buch] mit dem Zeitworte [korrekter Abdruck siehe Buch] beriefen, sahen in ihm den Typus des „voraussehenden“ Menschen, welchem der Symmetrie halber ein Bruder beigeben wurde - Epimetheus, oder „der, welcher nach dem Ereignis Rat annimmt.“ [12] [9] Opera et Dies, 142-145. Nach der occulten Lehre vergingen drei Yugas während der Zeit der dritten Wurzelrasse, d. i. das Satya, das Tretâ, und das Dvâpara Yuga - entsprechend dem goldenen Zeitalter in ihrer ersten Unschuld; dem Silbernen, als sie ihre Reife erlangte; und dem ehernen Zeitalter, als sie, sich in Geschlechter trennend, zu den mächtigen Halbgöttern der alten Zeit wurde. [10] Asgard and the Gods, pp. 11, 13. [11] a. a. O., p. 266. [12] Ebenda, p. 258. |