Eine Verfügung war in der That gekommen; die Verfügung der Natur und des Entwicklungsgesetzes, daß die Erde ihre Rasse verändern solle, und daß die vierte Rasse vernichtet werden solle, um Platz für eine bessere zu machen. Das Manvantara hatte seinen Wendepunkt von dreiundeinhalb Runden erreicht, und die riesige physische Menschheit hatte den Höhepunkt grober Stofflichkeit erreicht. Daher der apokalyptische Vers, der von einem ergangenen Befehl spricht, daß sie vernichtet werden sollen, „daß ihr Ende sein möge“ - das Ende der Rasse:

Denn sie wußten (wahrhaftig) jedes Geheimnis der Engel, jede drückende und geheime Kraft der Satane, und jede Kraft jener, welche Zauberei verüben, sowie auch jener, welche gegossene Bilder machen auf der ganzen Erde. [22]

Und nun eine natürliche Frage. Wer konnte den apokryphen Verfasser dieser mächtigen Vision - einerlei welchem Zeitalter vor den Tagen des Galileo er zugeschrieben werden mag - belehrt haben, daß die Erde gelegentlich ihre Achse neigen könne? Woher leitete er solche astronomische und geologische Kenntnis her, wenn die geheime Weisheit, von der die alten Rishis und Pythagoras getrunken hatten, bloß eine Einbildung ist, eine Erfindung späterer Zeitalter? Hat Enoch vielleicht prophetisch in Friedrich Klees Werk über die Sintflut die Zeilen gelesen:

Die Stellung der Erdkugel in Bezug auf die Sonne ist offenbar in Urzeiten anders gewesen, als sie jetzt ist; und diese Verschiedenheit muß durch eine Lageveränderung der Rotationsachse der Erde bewirkt worden sein.

Dies erinnert einen an jene unwissenschaftliche Behauptung, welche die ägyptischen Priester dem Herodot gegenüber gemacht hatten, daß nämlich die Sonne nicht immer dort aufgegangen sei, wo sie jetzt aufgeht und daß in früheren Zeiten die Ekliptik den Äquator unter einem rechten Winkel geschnitten habe. [23]
Es giebt viele solche „dunkle Reden“ zerstreut durch die ganzen Purânen, die Bibel und andere Mythologien, und dem Occultisten enthüllen sie zwei Thatsachen: (a) daß die Alten ebenso gut und vielleicht noch besser als die Modernen Astronomie, Geognosie und Kosmographie im allgemeinen kannten; (b) daß das Verhalten der Erdkugel sich mehr als einmal seit dem ursprünglichen Zustand der Dinge geändert hat. Xenophantes - im blinden Glauben an seine „unwissende“ Religion, welche lehrte, daß Phaeton, in seiner Begierde, die verborgene Wahrheit zu lernen, die Sonne von ihrem gewöhnlichen Laufe abweichen ließ - behauptet so irgendwo, daß „die Sonne sich nach irgend einem anderen Lande wendete;“ was ein Seitenstück ist - ein wenig wissenschaftlicher jedoch, wenn auch nicht so kühn - zu Joshua, welcher den Lauf der Sonne gänzlich aufhält. Doch mag es die Lehre der nördlichen Mythologie erklären, daß vor der gegenwärtigen Ordnung der Dinge die Sonne im Süden aufging, und den Umstand, daß jene die kalte Zone (Jeruskoven) nach dem Osten verlegt, während sie jetzt im Norden ist. [24]
Das Buch Enoch ist, kurz gesagt, eine Übersicht, eine Zusammensetzung der Hauptzüge der Geschichte der dritten, vierten und fünften Rasse; eine ganz geringe Anzahl von Prophezeiungen des gegenwärtigen Weltzeitalters; eine lange rückblickende, einblickende und prophetische Zusammenfassung universaler und ganz historischer - geologischer, ethnologischer, astronomischer und psychischer - Ereignisse, mit ein wenig Theogonie aus den vorsintflutlichen Aufzeichnungen. Das Buch dieser geheimnisvollen Persönlichkeit wird erwähnt und ausführlich citiert in der Pistis Sophia, und auch im Zohar und seinen ältesten Midrashim. Origenes und Klemens von Alexandrien hielten es in höchster Wertschätzung. Zu sagen, daß es eine nachchristliche Fälschung ist, heißt daher einen Unsinn aussprechen und sich eines Anachronismus schuldig machen, denn unter andern erwähnt es Origenes, der im zweiten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung lebte, als ein altes und ehrwürdiges Buch. Der geheime und heilige Name und seine Kraft sind in dem alten Buche gut und klar, wenn auch allegorisch beschrieben. Vom achtzehnten bis zum fünfzigsten Kapitel sind die Visionen des Enoch alle Beschreibungen der Mysterien der Initiation, von denen eines das brennende Tahl der „Gefallenen Engel“ ist.
Vielleicht hatte der heilige Augustin ganz recht, wenn er sagte, daß die Kirche das Buch Enoch wegen seines allzuhohen Alters (ob nimiam antiquitatem) aus ihrem Kanon verworfen habe. [25] Es war kein Platz für die darin beschriebenen Ereignisse innerhalb der Grenze der 4004 Jahre v. Chr., welche der Welt seit ihrer „Erschaffung“ zugeteilt sind!


[22] Ebenda, a. a. O., v. 6.

[23] Bailly, Astronomie Ancienne, I. 203; De Mirville, ebenda, p. 79.

[24] De Mirville, ebenda, p. 80.

[25] De civitate Die, XV. XXIII.