Das Kreuz, sagen die Kabbalisten in Wiederholung der Lehre der Occultisten, ist eines der ältesten - ja vielleicht das allerälteste Symbol. Dies ist gleich am Anfang des Vorwortes in Band I bewiesen worden. Die östlichen Initiierten zeigen es als gleichalt mit dem Kreise der vergöttlichenden Unendlichkeit und der ersten Differentiation der Wesenheit der Vereinigung von Geist und Stoff. Diese Auslegung ist verworfen, und die astronomische Allegorie allein angenommen und künstlich ersonnenen irdischen Ereignissen angepaßt worden. Beweisen wir diese Behauptung. In der Astronomie ist, wie gesagt, Merkur der Sohn von Coelus und Lux - vom Himmel und dem Lichte oder der Sonne; in der Mythologie ist er die Nachkommenschaft von Jupiter und Maia. Er ist der „Bote“ seines Vaters Jupiter, der Messias der Sonne; im griechischen bedeutet sein Name Hermes unter anderem den „Ausleger“ - das Wort, den Logos, oder das Verbum. Nun ist Merkur auf dem Berge wieder Kyllene unter Hirten geboren, und ist der Schutzherr der letzteren. Als Genius Psychopompos führte er die Seelen der Toten zum Hades und brachte sie wieder zurück, ein Amt, das Jesus nach seinem Tode und seiner Wiederauferstehung zugeschrieben wurde. Die Symbole von Hermes-Merkur (Dii Termini) wurden entlang und an den Wendepunkten der Landstraßen aufgestellt, so wie jetzt in Italien Kreuze aufgestellt werden, und sie waren kreuzförmig. [15] Jeden siebenten Tag salbten die Priester diese Termini mit Öl, und einmal im Jahre behingen sie dieselben mit Kränzen, daher waren sie die Gesalbten. Merkur sagt, wenn er durch seine Orakel spricht: Ich bin der, den ihr den Sohn des Vaters (Jupiter) und der Maia nennt. Den König des Himmels (die Sonne) verlassend, komme ich euch zu Hilfe, ihr Sterblichen. Merkur heilt die Blinden und stellt das geistige
und körperliche Gesicht wieder her.
[16] Er wurde oft als dreihäuptig dargestellt undTrikephalos,
Triplex genannt, als eins mit Sonne und Venus. Schließlich wurde Merkur,
wie Cornutus [17]
zeigt, manchmal unter einer Würfelform dargestellt, ohne Arme, weil „die
Kraft des Wortes und der Beredsamkeit ohne den Beistand von Armen oder
Füßen den Sieg davontragen kann.“ Diese Würfelform verbindet die Termini
unmittelbar mit dem Kreuz, und die Beredsamkeit oder die Macht der Sprache
des Merkur veranlaßte den schlauen Eusebius zu der Bemerkung: „Hermes
ist das Emblem des Wortes, welches alles schafft und auslegt,“ denn es
ist das schöpferische Wort; und er zeigt, daß Porphyrius lehrt, daß die
Rede des Hermes - jetzt ausgelegt als „Wort Gottes“ (!) im Pymander
- eine schöpferische Rede (Verbum), das durch das ganze Weltall ausgebreitete
Samenprinzip ist. [18] In der Alchimie ist „Merkur“
das radikale „feuchte“ Prinzip, das ursprüngliche oder elementare Wasser,
welches den Samen des Weltalls, befruchtet durch die Sonnenfeuer, enthält.
Um dieses befruchtende Prinzip auszudrücken, wurde von den Ägyptern dem
Kreuze (der Vereinigung des männlichen und weiblichen oder des vertikalen
und horizontalen) oft ein Phallus beigegeben. Die kreuzförmigen Termini
repräsentierten auch diese duale Idee, welche in Ägypten in dem kubischen
Hermes gefunden wurde. Der Verfasser der Quelle der Maße sagt uns,
warum. [19] Die Fesselung eines Menschen an das Kreuz . . . wurde in dieser Darstellungsform von den Indern benützt. [20] Aber sie wurde „gleichgeordnet“ mit der Idee
von der neuen Wiedergeburt des Menschen durch geistige, nicht durch
körperliche Regeneration. Der Kandidat für Initiation wurde an das Tau
oder astronomische Kreuz mit einer viel großartigeren und edleren Idee
gefesselt, als mit jener vom Ursprunge des rein irdischen Lebens. Das ganze (jüdische) System scheint vor alters betrachtet worden zu sein als eines, das in Natur ruht, und als eines, das von Natur oder Gott angenommen war als die Grundlage oder das Gesetz der praktischen Ausübung schöpferischer Kraft - d. i. es war der Schöpfungsplan, dessen praktische Anwendung die Schöpfung war. Dies scheint durch die Thatsache bekräftigt zu sein, daß unter dem dargelegten System die Maße der Planetenzeiten gleichwertig als Maße der Größe der Planeten und der Besonderheit ihrer Gestalten dienen - d. i. in Bezug auf die Ausdehnung ihrer Äquatorial- und Polardurchmesser. . . . Dieses System (jenes des Schöpfungsplanes) scheint dem ganzen biblischen Aufbau zu Grunde zu liegen, als eine Begründung für seinen Ritualismus und für seine Darstellung der Werke der Gottheit mit Hilfe von Architektur, durch den Gebrauch der heiligen Maßeinheit bei dem Garten von Eden, der Arche des Noah, dem Tabernakel, und dem Tempel des Solomon. [21] [15] Siehe Tafel 77 in Band I von Montfaucon`s Antiquities. Die Schüler des Hermes gehen nach ihrem Tode zu seinem Planeten, dem Merkur - ihrem Himmelreich. [16] Cornutus. [17] Lydus, De Mensibus, IV. [18] Praeparat. Evang., I. III. 2. [19] Aber siehe p. 480, oben, betreffend den gnostischen Priap. [20] a. a. O., p. 52. [21] Ebenda, pp. 3, 4. |