Jenseits aller endlichen Existenzen und sekundären Ursachen, aller Gesetze, Ideen und Prinzipien, ist eine Intelligenz oder ein Gemüt ([korrekter Abdruck siehe Buch]), das erste Prinzip aller Prinzipien, die höchste Idee, auf der alle anderen Ideen gegründet sind, . . . die schließliche Substanz, von der alle Dinge ihr sein und Wesen herleiten, die erste und bewirkende Ursache aller Ordnung und Harmonie, und Schönheit und Vollkommenheit, und Güte, die sich über das Weltall erstrecken. Dieses Gemüt wird vermöge der hervorragendsten und trefflichsten Eigenschaft das Höchste Gut, [49] das „Der Gott“ ([korrekter Abdruck siehe Buch]), und der „Gott über allen“ genannt. Diese Worte beziehen sich, wie Plato selbst zeigt, weder auf den „Schöpfer“ noch auf den „Vater“ unserer modernen Monotheisten, sondern auf die Ideale und Abstrakte Ursache. Denn, wie er sagt: „Dieser [korrekter Abdruck siehe Buch], der Gott über allen, ist nicht die Wahrheit oder der Verstand, sondern ihr Vater,“ und ihre erste Ursache. Sollte Plato, der größte Schüler der archaischen Weisen, und selbst ein Weiser, für den es nur ein einziges Strebensziel in diesem Leben gab - wirkliche Erkenntnis - jemals an eine Gottheit geglaubt haben, welche die Menschheit bei der geringsten Herausforderung für ewig verflucht und verdammt? [50] Sicherlich nicht er, der nur jene als echte Philosophen und Schüler der Wahrheit betrachtete, die im Besitze waren der Erkenntnis des wirklich Existierenden im Gegensatze zum bloß Scheinbaren; des immer Existierenden im Gegensatze zum Vergänglichen: und des dauernd Existierenden im Gegensatze zu dem, das wächst, hinschwindet, und abwechselnd entwickelt und zerstört wird. [51] Speusippos und Xenokrates folgten seinen Fußstapfen. Das Eine, das Ursprüngliche, hatte keine Existenz in dem Sinne, der ihr von sterblichen Menschen beigelegt wird. Das [korrekter Abdruck siehe Buch] (das Ehrwürdige) wohnt im Mittelpunkte sowie im Umkreise, aber es ist nur der Wiederschein der Gottheit - die Weltseele [52] - die Ebene der Fläche des Kreises. Das Kreuz und der Kreis sind eine universale Vorstellung - so alt wie das menschliche Gemüt selbst. Sie stehen zuvorderst auf der Liste der langen Reihe von sozusagen internationalen Symbolen, welche sehr oft große wissenschaftliche Wahrheiten ausdrückten, neben ihrer unmittelbaren Beziehung auf psychologische und selbst physiologische Mysterien. Es ist keine Erklärung, nach dem Vorgange von Éliphas Lévi zu sagen, daß Gott, die universale Liebe, dadurch, daß er die männliche Einheit veranlaßte, einen Abgrund in die weibliche Zweiheit oder das Chaos zu graben, die Welt hervorbrachte. Abgesehen von der Roheit der Vorstellung wird damit nicht die Schwierigkeit behoben, dies ohne Verlust unserer Verehrung für die etwas allzu menschlichen Wege der Gottheit vorzustellen. Um solche anthropomorphische Vorstellungen zu vermeiden, gebrauchten die Initiierten niemals den Ausdruck „Gott“ zur Bezeichnung des „Einen und Zweitlosen Prinzipes im Weltall“; und - darin den ältesten Überlieferungen der über die ganze Welt verbreiteten Geheimlehre getreu - bestreiten sie, daß ein so unvollkommenes und oft nicht sehr reines Werk jemals von der Absoluten Vollkommenheit vollbracht worden sein konnte. Es ist nicht notwendig, hier andere noch größere metaphysische Schwierigkeiten zu erwähnen. Zwischen spekulativem Atheismus und idiotischem Anthropomorphismus muß es einen philosophischen Mittelweg und eine Versöhnung geben. Die Gegenwart des Unsichtbaren Prinzipes durch die ganze Natur, und ihre höchste Offenbarung auf Erden - der Mensch - können allein das Problem lösen helfen, welches das des Mathematikers ist, dessen [korrekter Abdruck siehe Buch] immer den Griffe unserer irdischen Algrebra entschlüpfen muß. Die Hindûs haben es durch ihre Avatâras zu lösen versucht, die Christen glauben dies gethan zu haben - durch ihre eine göttliche Inkarnation. Exoterisch - haben beide unrecht; esoterisch sind beide von ihnen sehr nahe der Wahrheit. Unter den Aposteln der westlichen Religion scheint Paulus allein das uralte Geheimnis des Kreuzes ergründet - wenn nicht thatsächlich geoffenbart - zu haben. Was den Rest jener anbelangt, welche durch Einsmachung und Individualisierung der Universalen Gegenwart sie zu einem Symbol zusammengefaßt haben - zum Mittelpunkte im Kruzifix - so zeigen sie dadurch, daß sie niemals den wahren Geist der Lehre Christi erfaßt, sondern ihn vielmehr auf mehr als eine Art durch ihre irrtümlichen Auslegungen erniedrigt haben. Sie haben den Geist jenes universalen Symbols vergessen und es selbstsüchtig monopolisiert - als ob das Grenzenlose und das Unendliche jemals begrenzt und auf eine in einem einzigen Menschen oder auch in einer Nation individualisierte Offenbarung beschränkt werden könnte! [49] Cocker`s Christianity and Greek Philosophy, XI. p. 377. [50] Der Verzweiflungsschrei, den der Graf von Montlosier in seinen Mystères de la Vie Humaine (p. 117) ausstößt, ist eine Gewähr dafür, daß die Ursache der „Vollkommenheit und Güte“, von denen Plato annahm, daß sie sich über das Weltall erstrecken, weder seine Gottheit ist, noch unsere Welt. „Bei dem Schauspiele von so viel Herrlichkeit im Gegensatze zu dem von so viel Elend stellt sich der Geist, der daran geht, dieses unermeßliche Ganze zu beobachten, eine, ich weiß nicht, welche große Gottheit vor, die eine noch größere und noch strengere Gottheit gleichsam zertrümmert und in Stücke zerschlagen und die Trümmer im ganzen Weltall verstreut hat.“ Die „noch größere und noch strengere Gottheit“ als der Gott dieser Welt, der für so „gut“ gehalten wird - ist Karma. Und diese wahre Gottheit zeigt gut, daß die kleinere, unser innerer Gott (persönlich für die gegenwärtige Zeit) keine Kraft hat, die mächtige Hand dieser größeren Gottheit - der durch unsere Handlungen, welche kleinere Ursachen hervorbringen, erweckten Ursache - welche das Gesetz der Wiedervergeltung genannt wird, aufzuhalten. [51] Siehe Isis entschleiert, I. XII und XVIII. [52] Stobaeus, Ecl., I. 862. |