ABTEILUNG X.

DAS KREUZ UND DIE PYTHAGORÄISCHE DEKADE.

Die frühen Gnostiker behaupteten, daß ihre Wissenschaft, die Gnosis, auf einem Quadrate ruhe, dessen Winkel beziehungsweise Sigê (Schweigen), Bythos (Tiefe), Nous (Geistige Seele oder Gemüt) und Aletheia (Wahrheit), darstellten.
Sie waren die ersten, welche der Welt das enthüllten, was durch Zeitalter verborgen geblieben war; nämlich das Tau, in der Gestallt eines Prokrustesbettes, und den Christos, welcher sich in Chrestos inkarnierte, der für gewisse Zwecke ein williger Kandidat für eine Reihe von mentalen und physischen Qualen wurde.
Für sie war das Ganze des metaphysischen und materiellen Weltalls enthalten in, und konnte ausgedrückt und beschrieben werden durch die Ziffern, die in der Zahl 10, der pythagoräischen Dekade, enthalten waren.
Diese Dekade, welche das Weltall und seine Entwicklung aus dem Schweigen und den unbekannten Tiefen der Geistigen Seele oder Anima Mundi da nach derrstellte, bot dem Schüler zwei Seiten oder Aspekte. Sie konnte auf den Makrokosmos angewendet werden und wurde es auch zuerst, worauf sie zum Mikrokosmos oder Menschen herabstieg. Es gab also die rein intellektuelle und metaphysische, oder die „Innere Wissenschaft“ und die ebenso rein materialistische oder „oberflächliche Wissenschaft,“ welche beide durch die Dekade dargelegt werden und in ihr enthalten sein konnten. Sie konnte kurz gesagt sowohl dekutiven Methode des Plato, als auch nach der induktiven Methode des Aristoteles studiert werden. Der erstere ging von einem göttlichen Inbegriff aus, wo die Vielheit aus der Einheit hervorging, oder die Ziffern der Dekade erschienen, nur um schließlich wieder aufgesaugt zu werden, verloren in dem unendlichen Kreise. Der letztere stützte sich nur auf die sinnliche Wahrnehmung, wo die Dekade entweder als die Einheit, welche sich vervielfältigt, oder als der Stoff, welcher sich differenziert, betrachtet werden konnte; ihr Studium war beschränkt auf die oberflächliche Ebene, auf das Kreuz, oder die sieben, welche aus der zehn oder der vollkommenen Zahl hervorgeht, auf Erden sowie im Himmel.

Dieses doppelte System wurde zusammen mit der Dekade von Pythagoras aus Indien gebracht. Daß es jenes der Brachmanen und Iranier war, wie sie von den alten griechischen Philosophen genannt wurden, wird uns durch die ganze Reihe der Sanskritlitteratur bestätigt, wie durch die Purânen und die Gesetze des Manu. In diesen Gesetzen oder Anordnungen des Manu heißt es, daß Brahmâ zuerst die „zehn Herren des Daseins“ erschafft, die zehn Prajâpati oder schöpferischen Kräfte; welche zehn sieben andere Manus hervorbringen oder vielmehr, wie einige Handschriften es haben, Munîn (anstatt Manûn) „Fromme“, oder heilige Wesen, welche die sieben Engel der Gegenwart in der westlichen Religion sind. Diese geheimnisvolle Zahl sieben, geboren aus dem oberen Dreieck [Symbolabbildung siehe Buch], das letztere selbst geboren aus seiner Spitze, oder den Schweigenden Tiefen der Unbekannten Universalseele (Sigê und Bythos), in die siebenfältige Saptaparnapflanze, geboren und geoffenbart auf der Oberfläche des Bodens des Geheimnisses, aus der dreifachen Wurzel, die unter jenem undurchdringlichen Boden begraben ist. Diese Idee ist vollständig ausgearbeitet in einer der Abteilungen des Band I, Teil II, Abteilung III, „Ursprüngliche Substanz und Göttlicher Gedanke,“ welche der Leser sorgfältig beachten sollte, wenn er die in dem obigen Symbole eingeschlossene metaphysische Idee erfassen will. Im Menschen sowie in der Natur, nach der cishimâlayischen esoterischen Philosophie, welche jene der Kosmogonie des ursprünglichen Manu ist, ist die siebenfältige Einteilung das, was von der Natur selbst beabsichtigt ist. Das siebente Prinzip (Purusha) ist allein das Göttliche Selbst, genau gesprochen; denn, wie es im Manu heißt: „nachdem er (Brahmâ) die feinen Teile jener sechs von unermeßlicher Helligkeit durchdrungen hatte,“ [1] schuf er sie oder rief sie auf zum „Selbst“-Bewußtsein oder zum Bewußtsein jenes Einen Selbst. Von jenen sechs werden fünf Elemente (oder Prinzipien, oder Tattvas, wie Medhâtithi, der Kommentator denkt) „die atomischen zerstörbaren Elemente genannt;“ [2] diese sind in der obengenannten Abteilung beschrieben. [3]


[1] Die Vorschriften des Manu, I. 16; Burnells Übersetzung (engl.), p. 3, Anm.

[2] Ebenda, 27; p. 5.

[3] Bd. I, pp. 355 ff.