SCHÖPFUNG GÖTTLICHER WESEN NACH DEN EXOTERISCHEN BERICHTEN.

Im Vishnu Purâna, welches sicherlich die älteste von allen den Schriften dieses Namens ist, finden wir, wie in allen andern, Brahmâ, als den männlichen Gott, für die Zwecke der Schöpfung „vier Körper, bekleidet mit drei Eigenschaften“ annehmen. [31] Es heißt:

Auf diese Art, Maitreya, sind Jyotsnâ (Morgendämmerung), Râtri (Nacht), Ahan (Tag), und Sandhyâ (Abend [Zwielicht]) die vier Körper des Brahmâ. [32]

Wie Parâshara erklärt: wenn Brahmâ die Welt aufs neue zu erschaffen und Nachkommenschaft zu bilden wünscht durch seinen Willen, in vierfältigem Zustand, oder die vier Ordnungen der Wesen, genannt Götter (Dhyân Chohans), Dämonen [33] (d. i. mehr materielle Devas), Vorfahren (Pitris) und Menschen, so „sammelt er yogaartig (yûyuge) sein Gemüt in sich selbst.“
Seltsam zu sagen, beginnt er mit der Erschaffung der Dämonen, welche so den Vorrang von den Engeln oder Göttern einnehmen. Dies ist keine Vernunftwidrigkeit, noch ist es einer Inkonsequenz zuzuschreiben, sondern es hat wie alles übrige eine tiefe esoterische Bedeutung, die einem, der von christlich theologischem Vorurteil frei ist, ganz klar ist. Wer sich vor Augen hält, daß das Prinzip Mahat, oder Intellekt, das „Universalgemüt“ (wörtlich das „Große“), welches die Esoterische Philosophie als die „geoffenbarte Allwissenheit“ erklärt - die „erste Hervorbringung von Pradhâna, der ursprünglichen Materie, wie das Vishnu Purâna sagt, aber der erste kosmische Aspekt von Parabrahman oder das esoterische Sat, die Universalseele [34] , wie der Occultismus lehrt, an der Wurzel des SELBST-Bewußtseins steht, wird den Grund verstehen, warum. Die sogenannten Dämonen - welche esoterisch das sich selbst behauptende und intellektuell thätige Prinzip sind - sind sozusagen der positive Pol der Schöpfung; daher das zuerst hervorgebrachte. Dies ist in kurzem der Vorgang, wie er allegorisch in den Purânen erzählt wird.

Nachdem Brahmâ sein Gemüt in sich konzentriert hatte und die Eigenschaft der Dunkelheit seinen angenommenen Körper durchdrang, wurden zuerst die Asuras hervorgebracht, welche aus seiner Lende hervorging; worauf er seinen Körper vorließ, und dieser in Nacht verwandelt wurde.

Zwei wichtige Punkte sind hierin inbegriffen: (a) Ursprünglich, im Rig Veda, werden die Asuras als geistige göttliche Wesen gezeigt: ihre Etymologie ist abgeleitet von Asu, Atem, der „Hauch Gottes“, und sie bedeuten dasselbe wie der höchste Geist oder der zoroastrische Ahura. Späterhin, für Zwecke der Theologie und des Dogma, läßt man sie aus Brahmâs Lende hervorgehen, und ihr Name begann abgeleitet zu werden von a privativum, und Sura, einem Gott, also „nicht-ein Gott“, und sie wurden zu den Feinden der Götter. (b) Jede alte Theologie ohne Ausnahme - von der ârischen und ägyptischen bis herab zu der des Hesiod - stellt in der Reihenfolge der kosmogonischen Entwicklung die Nacht vor den Tag; sogar die Genesis, in der „Finsternis ist auf der Tiefe“ vor dem „ersten Tage“. Der Grund dafür ist der, daß eine jede Kosmogonie - mit Ausnahme der Geheimlehre - mit der sogenannten „zweiten Schöpfung“ beginnt; nämlich mit dem geoffenbarten Weltall, dessen Schöpfungsgeschichte mit einer ausgesprochenen Differentiation zwischen dem ewigen Lichte der „ersten Schöpfung“, deren Geheimnis für immer „Finsternis“ bleiben muß für de spähende endliche Vorstellung und den Intellekt des Profanen, und der sekundären Entwicklung der geoffenbarten sichtbaren Natur beginnen muß. Der Veda enthält die ganze Philosophie dieser Einteilung, ohne jemals von unseren Orientalisten richtig erklärt worden zu sein, da es von ihnen niemals verstanden worden ist.
Fortfahrend im Erschaffen, nimmt Brahmâ eine andere Form an, die des Tages, und erschafft aus seinem Atem die Götter, welche mit der Eigenschaft der Güte (Passvität) begabt sind. [35] In seinem nächsten Körper herrschte die Eigenschaft der großen Passivität vor, welche auch (negative) Güte ist, und aus der Seite dieser Persönlichkeit gingen die Pitris hervor, die Vorfahren der Menschen, weil, wie der Text erklärt, Brahmâ „sich selbst (während des Vorganges) als den Vater der Welt dachte. [36] Dies ist Kriyâ-shakti - die an anderem Orte erklärte geheimnisvolle Yogakraft. Dieser Körper des Brahmâ wurde, als er abgelegt war, zur Sandhyâ, dem abendländischen Zwielicht, dem Intervall zwischen Tag und Nacht.
Schließlich nahm Brahmâ seine letzte Form an, die von der Eigenschaft der Unreinheit durchdrungen war.

Und daraus wurden die Menschen, in welchen die Unreinheit (oder Leidenschaft) vorherrscht, hervorgebracht.

Dieser Körper wurde abgeworfen zur Dämmerung, oder dem morgenstündlichen Zwielicht - dem Zwielicht der Menschheit. Hier steht Brahmâ esoterisch für die Pitris. Er ist kollektiv der Pitâ, der „Vater“.
Die wahre esoterische Bedeutung dieser Allegorie muß jetzt erklärt werden. Brahmâ symbolisiert hier persönlich die kollektiven Schöpfer der Welt und der Menschen - das Weltall mit seinen zahllosen Hervorbringungen von beweglichen und (scheinbar) unbeweglichen Dingen. [37] Er ist kollektiv die Prijâpatis, die Herren des Seins; und die vier Körper versinnbildlichen die vier Klassen von schöpferischen Mächten oder Dhyan Chohans, die im Kommentare zu Shloka I, Strophe VII, des Band I beschrieben sind. Die ganze Philosophie von der sogenannten „Schöpfung des Guten und Bösen“ in dieser Welt resultiert daraus, und beruht auf dem korrekten Verständnisses dieser Vier Körper des Brahmâ
.


[31] Dies hat in der Esoterik einen unmittelbaren Bezug auf die sieben „Prinzipien“ des geoffenbarten Brahmâ oder Weltalles, in derselben Ordnung, wie im Menschen. Exoterisch sind es nur vier „Prinzipien“.

[32] Wilson´s Übersetzung, I. 81.

[33] Dämonen ist eine sehr unbestimmt gebrauchtes Wort, da es auf eine große Zahl von niederen - d. i. materiellen - Geistern und kleineren Göttern Anwendung findet, die so bekannt werden, weil sie mit den höheren „Krieg führen“; aber sie sind keine Teufe.

[34] Dieselbe Ordnung der Prinzipien im Menschen: Âtmâ (Geist). Buddhi (Seele), sein Vehikel, wie die Materie das Vâhan des Geistes, und Manas (Gemüt), das dritte, oder das fünfte mikrokosmisch. Auf der Ebene der Persönlichkeit ist Manas das erste.

[35] Somit, sagt der Kommentar, ist der Ausspruch: „bei Tage sind die Götter am mächtigsten, und bei Nacht die Dämonen“, rein allegorisch.

[36] Dieses „sich selbst denken“ als dies, das oder etwas anderes, ist der Hauptfaktor in der Hervorbringung einer jeden psychischen oder selbst physischer Phänomene. Die Worte „wer immer zu diesem Berge sagen wird: hebe dich weg und falle in die See, und er wird nicht zweifeln . . . . so wird dies geschehen,“ sind keine leeren Worte. Nur das Wort „Glauben“ sollte mit „Willen“ übersetzt werden. Glaube ohne Willen ist wie eine Windmühle ohne Wind  der Erfolge ermangelnd.

[37] Dieselbe Idee findet sich in den ersten vier Kapiteln der Genesis, mit ihrem „Herrn“ und „Gott“, welche die Elohim und der androgyne Eloha sind.