Wenn wir jetzt unsere Aufmerksamkeit dem ägyptischen Kreuz, oder dem Tau zuwenden, so können wir entdecken, daß dieser Buchstabe, welcher so hoch erhoben bei den Ägyptern, Griechen und Juden war, im geheimen Zusammenhange mit der Dekade steht. Das Tau ist das Alpha und das Omega der Geheimen Göttlichen Weisheit, was durch den Anfangs- und den Endbuchstaben von Thot (Hermes) symbolisiert ist. Thot war der Erfinder des ägyptischen Alphabets, und der Buchstabe Tau schloß die Alphabete der Juden und Samariter, welche dieses Schriftzeichen das „Ende“ oder die „Vollendung“, den „Gipfel“ und die „Sicherheit“ nannten. Daher sind, wie Ragon uns sagt, die Worte Terminus, „Ende,“ und Tectum, „Dach,“ die Symbole von Schutz und Sicherheit - was eine ziemlich prosaische Definition ist. Aber das ist das gewöhnliche Schicksal der Ideen und der Dinge in dieser Welt des geistigen Verfalls, wenn auch gleichzeitig des physischen Fortschrittes. Pan war einstmals die Absolute Natur, das Eine und Große All. Aber wo die Geschichte den ersten Schimmer von ihm erfaßt, war Pan bereits zu einem untergeordneten Gotte der Gefilde, zu einem ländlichen Gotte herabgesunken; die Geschichte will ihn nicht anerkennen, während die Theologie aus ihm den Teufel macht! Aber seine siebenpfeifige Flöte, das Emblem der sieben Naturkräfte, der sieben Planeten, der sieben Musiknoten, kurz gesagt, aller siebenfältigen Harmonie, zeigt wohl seinen ursprünglichen Charakter. Ebenso ist es mit dem Kreuze. Viel früher als die Juden ihren goldenen Tempelleuchter mit drei Ansätzen an der einen Seite und vier an der anderen erdachten, und die Zahl sieben zu einer weiblichen Zeugungszahl machten [22] - und so das phallische Element in die Religion einführten - hatten die mehr geistig veranlagten Nationen aus dem Kreuze (als 3 + 4 = 7) ihr heiligstes göttliches Symbol gemacht. Thatsächlich sind Kreis, Kreuz und Sieben - das letztere wurde zu einer Basis der Kreismessung gemacht - die ersten ursprünglichen Symbole. Pythagoras, welcher seine Weisheit aus Indien mitgebracht hatte, hinterließ der Nachwelt einen flüchtigen Blick in diese Wahrheit. Seine Schule betrachtete die Zahl 7 als eine Zusammensetzung der Zahlen 3 und 4, was sie auf doppelte Weise erklärten. Auf der Ebene der noumenalen Welt war das Dreieck, als die erste Vorstellung von der geoffenbarten Gottheit, ihr Bild, „Vater-Mutter-Sohn“; und die Vierheit, die vollkommene Zahl, war die noumenale ideelle Wurzel aller Zahlen und Dinge auf der physischen Ebene. Einige Schüler, in Betrachtung der Heiligkeit der Tetraktys und des Tetragrammaton, mißverstehen die mystische Bedeutung der Vierheit. Die letztere war bei den Alten bloß eine sekundäre „Vollkommenheit“, sozusagen, weil sie sich nur auf die geoffenbarten Ebenen bezog. Hingegen war das Dreieck, das griechische Delta ([Symbolabbildung siehe Buch]), der „Träger der unbekannten Gottheit“. Ein guter Beweis dafür liegt darin, daß der Name der Gottheit mit Delta anfängt. Zeus wurde von den Böotiern [korrekter Abdruck siehe Buch] (Deus) geschrieben, daher der Deus der Lateiner. Dies in Beziehung zu der metaphysischen Vorstellung, mit Rücksicht auf die Bedeutung der Siebenheit in der Erscheinungswelt; aber für Zwecke profaner oder exoterischer Auslegung änderte sich die Symbolik. Drei wurde zum Ideogramm der drei materiellen Elemente - Luft, Wasser, Erde; und vier wurde das Prinzip von allem, was weder körperlich noch wahrnehmbar ist. Aber dies ist niemals von den wirklichen Pythagoräern angenommen worden. Angesehen als eine Zusammensetzung von 6 und 1, der Sechsheit und der Einheit, war die Zahl 7 das unsichtbare Centrum, der Geist von Allem, da kein sechseckiger Körper besteht ohne eine siebente Eigenschaft, welche sich als der Mittelpunkt in ihm findet, wie zum Beispiel bei den Krystallen und den Schneeflocken in der sogenannten „unbelebten“ Natur. Obendrein hat, wie sie sagten, die Zahl sieben alle Vollkommenheit der Einheit, der Zahl der Zahlen. Denn ebenso wie die absolute Einheit ungeschaffen und ungeteilt, daher Zahl-los ist, und keine Zahl sie hervorbringen kann, so ist es auch die sieben; keine der innerhalb der Dekade befindlichen Ziffern kann sie erzeugen oder hervorbringen. Und die vier ist es, die eine arithmetische Teilung zwischen der Einheit und der sieben bildet, denn sie übertrifft die erstere um dieselbe Zahl (drei), um die sie selbst von der sieben übertroffen wird, da vier um ebenso viele Zahlen über eins steht, als sieben über vier. [23]

„Bei den Ägyptern war die Zahl 7 das Symbol des ewigen Lebens,“ sagt Ragon, und fügt hinzu, daß dies der Grund war, warum der griechische Buchstabe Z, welcher bloß eine doppelte 7 ist, der Anfangsbuchstabe ist von Zâo, „ich lebe“, und von Zeus, dem „Vater alles Lebendigen“.

Ferner war die Zahl 6 das Symbol der Erde während der „schlafenden“ Monate des Herbstes und des Winters, und die Zahl 7 während Frühling und Sommer, da der Geist des Lebens, die siebente oder centrale beseelende Kraft - sie zu der Zeit belebte. Wir finden dasselbe in dem ägyptischen Mythos und Symbol von Osiris und Isis, welche metaphysisch Feuer und Wasser personificierten, und physisch die Sonne und den Nil. Die Zahl des Sonnenjahres, in Tagen 365, ist der Zahlenwert des Wort Neilos (Nil). Dies, zusammen mit dem Stier, mit dem Halbmond und dem Henkelkreuz zwischen seinen Hörnern, und die Erde unter ihrem astronomischen Symbol ([korrekter Abdruck siehe Buch]), sind die phallischesten Symbole des späteren Altertums.


[22] Bei Betrachtung des Kreuzes zeigt der Verfasser der Quelle der Maße, daß dieser Leuchter im Tempel „so anegordnet war, daß, wenn man  auf jeder Seite zählte, vier Kerzenhülsen waren; während da an der Spitze eine gemeinsame für beide Seiten war, thatsächlich auf der einen Seite 3 und auf der anderen 4 gezählt werden mußten, was zusammen die Zahl 7 macht, nach eben der selben Idee, wie bei der Entfaltung des Kreuzes eins gemeinsam ist. Man nehme eine Linie in der Breite einer Einheit und der Länge von 3 Einheiten, und lege sie auf eine Abdachung; man nehme eine andere in der Länge von 4 Einheiten, und lehne sie auf diese von einer entgegengesetzen Abdachung, indem man die an der Spitze befindliche Einheit der 4 an Länge habenden zur Ecke oder Scheitel des Dreiecks macht. Dies ist die Entfaltung des Leuchters. Nun nehme man die 3 Einheiten länge Linie und kreuze sie mit der 4 Einheiten langen, und es ergiebt sich die Kreuzform. Dieselbe Idee ist ausgedrückt durch die sechs Wochentage in der Genesis, bekrönt von dem siebenten, welcher an sich selbst als eine Grundlage für ein Kreismaß benützt wurde.“ (p.51)

[23] Aus einem angeblich von „St. Germain“ herstammenden Manuskript, zusammengefaßt von Ragon a. a. O., p. 434.