Aber für den Nachfolger der wahren östlichen archaischen Weisheit, für ihn, der im Geiste nichts verehrt außer der Absoluten Einheit, jenem immerpulsierenden großen Herzen, welches überall, sowie in jedem Atom schlägt, [39] enthält jedes solche Atom den Keim, aus welchem er einen Baum der Erkenntnis hervorwachsen lassen kann, dessen Früchte Ewiges Leben und nicht bloß physisches Leben geben. Das Kreuz und der Kreis, der Baum oder das Tau - selbst nachdem jedes sich darauf beziehende Symbol zugewiesen und gelesen ist, eins nach dem andern - bleiben für ihn noch immer ein tiefes Geheimnis in ihrer Vergangenheit, und auf jene Vergangenheit allein richtet er seinen aufmerksamen Blick. Es kümmert ihn wenig, ob es der Same ist, aus dem der genealogische Baum des Daseins, genannt das Weltall, hervorwächst. Auch ist es nicht die Drei in Eins, der dreifache Aspekt des Samens - seine Form, Farbe und Substanz - was ihn interessiert, sondern vielmehr die Kraft, welche sein Wachstum lenkt, die immer geheimnisvolle, als die immer unbekannte. Denn diese Lebenskraft, welche den Samen keimen, aufbrechen und Schößlinge hervortreiben, dann den Stamm und die Äste bilden läßt, welche ihrerseits sich wie die Zweige des Ashvattha, des heiligen Bodhibaumes herabbeugen, ihren Samen auswerfen, Wurzel fassen und andere Bäume hervorbringen - ist die einzige Kraft, welche für ihn Wirklichkeit hat, als der niemals erlöschende Atem des Lebens. Der heidnische Philosoph suchte nach der Ursache, der moderne ist schon mit den Wirkungen zufrieden und sucht die erstere in den letzteren. Was darüber hinaus liegt, weiß er nicht, noch kümmert sich der moderne Agnostiker darum; er verwirft damit die einzige Kenntnis, auf die er mit voller Sicherheit seine Wissenschaft aufbauen kann. Aber diese geoffenbarte Kraft hat eine Antwort für den, der sie zu ergründen sucht. Wer im Kreuze den durchkreuzten Kreis des Heiden Plato sieht, und nicht das Gegenbild der Beschneidung, wie es der Christ (St.) Augustinus that, [40] wird sofort von der Kirche als Heide betrachtet; von der Wissenschaft als Wahnsinniger. Dies deshalb, weil er sich weigert, den Gott der physischen Zeugung anzubeten, und dabei doch gesteht, daß er nichts von der Ursache wissen kann, welche der sogenannten Ersten Ursache zu Grunde liegt, von der Ursachelosen Ursache dieser Lebensursache. Während er die Allgegenwart des schrankenlosen Kreises stillschweigend zugesteht und daraus das universale Postulat macht, auf dem die Gesamtheit des Geoffenbarten Weltalls begründet ist, verharrt der Weise in ehrfurchtsvollem Stillschweigen in Bezug auf das, worüber zu spekulieren kein sterblicher Mensch wagen sollte. „Der Logos Gottes ist der Offenbarer des Menschen, und der Logos (das Verbum) des Menschen ist der Offenbarer Gottes,“ sagt Éliphas Lévi in einem von seinen Paradoxen. Hierauf würde der östliche Occultist antworten: Unter der Bedingung jedoch, daß der Mensch stumm sein solle über die Ursache, welche sowohl Gott, als auch seinen Logos hervorgebracht hat. Denn sonst wird er ausnahmslos der Schmäher, nicht der Offenbarer der Unerkennbaren Gottheit.
Wir müssen jetzt an ein Geheimnis herantreten - an die Siebenheit in der Natur. Vielleicht wird alles, was wir sagen können, dem Zufalle zugeschrieben werden. Es mag uns gesagt werden, daß diese Zahl in der Natur ganz natürlich ist - wie wir in der That sagen, daß sie es ist - und nicht mehr Bedeutung hat, als die Illusion der Bewegung, welche die sogenannten „wirbelnden Kreise“ bildet. Diesen „seltsamen Illusionen“ wurde keine große Wichtigkeit beigelegt, als Professor Sylvanus Thompson sie bei der Versammlung der British Association in 1877 darlegte.  Nichtsdestoweniger würden wir gerne die wissenschaftliche Erklärung lernen, warum sieben sich immer zu einer hervorragenden Zahl gestalten sollte - sechs koncentrische Kreise rund um einen siebenten, und sieben Ringe einer im andern rund um einen Mittelpunkt, u. s. w. - in dieser Illusion hervorgebracht durch eine schwingende Untertasse oder irgend ein anderes Gefäß. Wir geben die von der Wissenschaft verweigerte Lösung in der folgenden Abteilung.


[39] Nach der ersten Auflage übersetzt. (Der Übers.)

[40] Sermo CLX.