Der Leser wird jetzt vorbereitet sein, die wirkliche, die esoterische Bedeutung des Folgenden zu verstehen. Obendrein muß ein wichtiger Punkt aufgeklärt werden. Indem die Christliche Theologie willkürlich festgestellt und beschlossen hatte, daß Satan mit seinen gefallenen Engeln der frühesten Schöpfung angehörte, indem Satan der erstgeschaffene, der weiseste und schönste von Gottes Erzengeln war, ward das Wort ausgegeben, der Grundton angeschlagen. Hinfort ließ man alle heidnischen Schriften denselben Sinn ergeben, und alle wurden als dämonisch aufgewiesen, und es wurde und wird behauptet, daß Wahrheit und Thatsächlichkeit dem Christentum angehören und erst mit ihm beginnen. Selbst die Orientalisten und Mythologen, von denen einige überhaupt keine Christen sind, sondern „Ungläubige“, oder Männer der Wissenschaft, traten, sich selbst unbewußt und vermöge der bloßen Kraft der Ideenassociation und Gewohnheit, in die theologisiche Schablone ein.

Rein brâhmanische Erwägungen, die auf Machtgier und Ehrgeiz beruhten, ließen die Massen in Unwissenheit über große Wahrheiten verbleiben; und dieselben Gründe führen die Initiierten unter den Christen dahin, stillschweigend zu bleiben, während jene, welche die Wahrheit niemals gekannt hatten, die Ordnung der Dinge entstellten, indem sie die Hierarchie der „Engel“ nach ihrer exoterischen Form beurteilten. Somit wurde, ebenso wie die Asuras in den populären Glauben zu den aufrührerischen niedern Göttern wurden, die die höheren bekämpften, auch der höchste Erzengel, in Wahrheit der Agathodämon, der älteste wohlwollende Logos, in der Theologie zum „Widersacher“ oder Satan. Aber wird dies durch die richtige Auslegung irgend einer alten Schrift bestätigt? Die Antwort lautet: gang gewiß nicht. So wie die altpersischen Schriften des Zend Aveste, der Vendîdâd und andere die spätere schlaue Verschiebung der Götter im indischen Pantheon richtigstellen und aufdecken, und durch Ahura die Asuras in ihre rechtmäßige stelle in der Theogonie wieder einsetzen, so behaupten die neuen Entdeckungen der chaldäischen Täfelchen den guten Namen der ersten göttlichen Emanationen. Dies ist leicht bewiesen. Die christliche Engellehre ist unmittelbar und ausschließlich hergeleitet von jener der Pharisäer, welche ihre Lehrsätze aus Babylon brachten. Die Sadducäer, die wirklichen Hüter der Gesetze des Moses, wußten nichts von irgendwelchen Engeln, indem sie sogar die Unsterblichkeit der menschlichen Seele (nicht des persönlichen Geistes) bestritten. In der Bibel sind die einzigen Engel, von denen gesprochen wird, die in Genesis VI erwähnten „Söhne Gottes“ - welche jetzt als die Nephilim, die gefallenen Engel betrachtet werden - und verschiedene Engel in menschlicher Form, die „Boten“ des jüdischen Gottes, dessen eigener Rang eine schärfere Untersuchung, als bisher gegeben wurde, erheischt. Wie oben gezeigt, nannten die alten Akkadier Ea Weisheit, welche von den späten Chaldäern und Semiten entstellt wurde zur Tiamat, Tisalat, und der Thatlatth des Berosus, dem weiblichen Meerdrachen, jetzt Satan. Fürwahr - „Wie bist du gefallen (durch die Hand des Menschen), o heller Stern und Sohn des Morgens“!
Was sagen uns nun die babylonischen „Schöpfungs“-Berichte, wie sie sich auf den assyrischen Ziegelbruchstücken finden; eben jene Berichte, auf welche die Pharisäer ihre Engellehre begründeten? Man vergleiche Herrn George Smith´s Assyrische Entdeckungen [38] und seinen Chaldäischen Schöpfungsbericht. [39] Die Tafeln mit der Geschichte der sieben verruchten Götter oder Geister enthält den folgenden Bericht; wir drucken die wichtigen Stellen cursiv:

1. In den ersten Tagen die bösen Götter,
2. die Engel, die in Aufruhr waren, welche in dem niederen Teile des Himmels
3. geschaffen worden waren,
4. sie verursachten ihr böses Werk
5. nachsinnend mit verruchten Häuptern . . . . u. s. w.

Somit wird uns so klar als möglich gezeigt, auf einem Stücke, welches unzerbrochen blieb, so daß keine zweifelhafte Leseart sein kann, daß die „aufrührerischen Engel in dem niedrigeren Teile des Himmels“ geschaffen worden waren, d. i. daß sie einer materiellen Entwicklungsebene angehörten und angehören, obwohl dieselbe, da sie nicht die Ebene ist, mit der wir durch unsere Sinne bekannt gemacht werden, im allgemeinen für uns unsichtbar bleibt, und daher als subjektiv betrachtet wird. Hatten die Gnostiker darnach so unrecht, wenn sie behaupten, daß diese unsere sichtbare Welt, und insonderheit die Erde von niedrigeren Engeln, den unteren Elohim erschaffen wurde, deren einer, wie sie lehrten, der Gott von Israel war? Diese Gnostiker waren den Aufzeichnungen der archaischen Geheimlehre der Zeit nach näher, und mal sollte ihnen daher eine bessere Kenntnis des Inhaltes zugestehen als den nichtinitiierten Christen, welche Jahrhunderte später es auf sich nahmen, das, was gesagt war, umzugestalten und zu korrigieren. Aber sehen wir, was dieselbe Tafel weiter sagt:

7. Es waren ihrer sieben (die verruchten Götter).

Dann folgt die Beschreibung derselben. Der vierte ist eine „Schlange“, das phallische Sinnbild der vierten Rasse in der menschlichen Entwicklung.

15. Sie, ihrer sieben, Sendboten des Gottes Anu, ihres Königs.

Nun gehört Anu der chaldäischen Trinität an, und ist in einem Aspekte wesensgleich mit Sin, dem „Monde“. Und der Mond in der hebräischen Kabbalah ist die Argha des Samens alles materiellen Lebens und ist kabbalistisch noch enger verbunden mit Jehovah, welcher doppelgeschlechtlich ist, ebenso wie Anu. Sie sind beide in der Esoterik dargestellt und betrachtet von einem doppelten Aspekte aus: männlich oder geistig, weiblich oder materiell, oder Geist und Materie, die zwei antagonistischen Prinzipien. Daher wird in den Zeilen 28 bis 41 gezeigt, wie die „Sendboten des Anu“, welcher Sin, der „Mond“ ist, schließlich von eben demselben Sin mit Hilfe von Bel, der Sonne, und Ishtar, der Venus, überwältigt werden. Dies wird von den Assyriologen als ein Widerspruch betrachtet, aber es ist einfach Metaphysik in der esoterischen Lehre.


[38] P. 398 (engl.).

[39] P. 107 (engl.).