Dieser Irrtum der alten griechischen und lateinischen Schriftsteller wurde reich an Wirkungen in Europa. Am Schlusse des vergangenen und am Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts bauten Bailly, Dupuis, und andere im Vertrauen auf die absichtlich verstümmelten Berichte indischer Chronologie, die von gewissen skrupellosen und übereifrigen Missionären aus Indien gebraucht waren, eine ganz phantastische Theorie über den Gegenstand auf. Weil die Hindûs aus dem halben Mondumlauf ein Zeitmaß gemacht hatten; und weil ein aus nur fünfzehn Tagen zusammengesetzter Monat, wovon Quintus Curtius spricht, [98] sich in der indischen Litteratur erwähnt findet, deshalb wird es eine festgestellte Thatsache, das ihr Jahr nur ein halbes Jahr war, wenn es nicht ein Tag genannt wurde! Auch die Chinesen teilten ihren Tierkreis in vierundzwanzig Teile und daher das Jahr in vierundzwanzig vierzehntägige Perioden, aber eine solche Berechnung hinderte und hindert sie nicht, ein astronomisches Jahr zu haben, das genau dasselbe ist, wie das unsere. Sie haben auch eine Periode von 60 Tagen - den südindischen Rûdû - bis zum heutigen Tage in einigen Provinzen. Obendrein nennt Diodorus Siculus [99] dreißig Tage ein ägyptisches Jahr“, oder jene Periode, während welcher der Mond einen vollständigen Umlauf vollbringt. Plinius und Plutarch [100] sprechen beide davon; aber es ist vernunftgemäß, daß die Ägypter, welche Astronomie ebenso gut verstanden wie irgend eine andere Nation, den Mondmonat aus 30 Tagen bestehen ließen, wenn er bloß 28 Tage und Bruchteile lang ist? Diese lunare Periode hatte sicherlich ebensowohl eine occulte Bedeutung, als das Ayanam und der Rûdû der Hindûs sie auch hatten. Das Jahr von zweimonatlicher Dauer, und auch die Periode von 60 Tagen, war ein allgemeines Zeitmaß im Altertume, wie Bailly selbst in seinem Traité de l´Astronomie Indienne et Orientale zeigt. Die Chinesen teilten, nach ihren eigenen Büchern, ihr Jahr in zwei Teile, von einer Tages- und Nachtgleiche zur andern; [101] die Araber teilten vor alters das Jahr in sechs Jahreszeiten, welche eine jede aus zwei Monaten zusammengesetzt war; in dem chinesischen astronomischen Werk mit Namen Kui-tche heißt es, daß zwei Monde ein Zeitmaß ausmachen, und sechs Maße ein Jahr; und bis zum heutigen Tage haben die Eingeborenen von Kamtschatka ihre Jahre von sechs Monaten, wie damals, als Abbé Chappe sie besuchte. [102] Aber ist all dies irgend ein Grund für die Behauptung, daß die indischen Purânen, wenn sie von einem Sonnenjahr sprechen, einen Sonnentag meinen!

Die Kenntnis der Naturgesetze, welche sieben sozusagen zur Wurzel-Naturzahl in der geoffenbarten Welt, oder zum mindesten in unserem gegenwärtigen irdischen Lebenscyklus machen, und das wunderbare Verständnis ihrer Wirkungen enthüllen den Alten soviele von den Geheimnissen der Natur. Diese Gesetze wieder, und ihre Wirkungen auf der siderischen, irdischen und moralischen Ebene befähigten die alten Astronomen, die Dauer der Cyklen und ihre bezüglichen Einwirkungen auf den Gang der Ereignisse richtig zu berechnen; den Einfluß, den sie auf die Laufbahn und die Entwicklung der Menschengeschlechter haben werden, im vorhinein aufzuzeichnen - zu prophezeien, wie es genannt wird. Da Sonne, Mond und Planeten die niemals irrenden Zeitmesser sind, deren Kraft und Periodizität wohl bekannt waren, so wurden sie beziehungsweise der große Beherrscher und die großen Beherrscher unseres kleinen Systems in allen seinen sieben Bereichen oder „Wirkungssphären“. [103]

Dies war so offenbar und auffällig, daß selbst viele moderne Männer der Wissenschaft, Materialisten sowohl als Mystiker, ihre Aufmerksamkeit auf dieses Gesetz gelenkt sahen. Ärzte und Theologen, Mathematiker und Psychologen haben zu wiederholten Malen die Aufmerksamkeit der Welt auf die Thatsache der Periodizität im Verhalten der „Natur“ gelenkt. Diese Zahlen werden in den Kommentaren mit folgenden Worten erklärt:

Der Kreis ist nicht die „Eins“, sondern das „All“.

In dem höheren (Himmel), dem undurchdringlichen Rajah [104] , wird er (der Kreis) eins, weil (er ist) der unteilbare, und kein Ton in ihm sein kann.

Im zweiten (von den drei Rajamsi, oder den drei „Welten“) wird die Eins zur Zwei (männlich und weiblich), und Drei (mit dem Sohn oder Logos), und zur Heiligen Vier (der Tetraktys oder dem Tetragrammaton).

In der dritten (der niederen Welt oder unserer Erde) wird die Zahl zur Vier, und Drei, und Zwei. Nimm die ersten zwei, und du erhältst die Sieben, die heilige Zahl des Lebens; vereinige (die letztere) mit dem mittleren Rajah, und du wirst die Neun haben, die heilige Zahl des Seins und Werdens. [105]

Wenn die westlichen Orientalisten die wirkliche Bedeutung der rigvedischen Einteilungen der Welt - die zweifältige, dreifältige, sechs- und siebenfältige, und insbesondere die neunfältige Einteilung - erfaßt haben werden, wird das Geheimnis der auf Himmel und Erde, Götter und Menschen angewendeten cyklischen Einteilungen ihnen klarer werden, als es jetzt ist. Denn:

Es giebt eine Harmonie der Zahlen in der ganzen Natur; in der Schwerkraft, in den Planetenbewegungen, in den Gesetzen von Wärme, Licht, Elektricität und chemischer Verwandtschaft, in den Formen der Tiere und Pflanzen, in den Wahrnehmungen des Gemütes. In der That haben die moderne Naturwissenschaft und Physik eine Richtung nach einer Verallgemeinerung, welche die Grundgesetze von allem durch ein einfaches Zahlenverhältnis ausdrücken wird. Wir möchten auf Professor Whewells Philosophie der induktiven Wissenschaften hinweisen, und auf Herrn Hays Untersuchungen über die Gesetze der harmonischen Färbung und Form. Nach diesem hat es den Anschein, daß die Zahl sieben in den die harmonische Wahrnehmung von Form, Farben und Tönen regelnden Gesetzen hervorragt und, wahrscheinlich auch vom Geschmacke, wenn wir unsere Empfindungen dieser Art mit mathematischer Genauigkeit analysieren künnten. [106]


[98] „Menses in quinos dies descripserunt dies“ (LVIII. 9).

[99] Lib. I. c. 26.

[100] Hist. Nat., VII. 48, und Leben des Numa, § 16.

[101] Mém. Acad. Insc., XVI. c. 48; III. 183.

[102] Voyage en Sibérie. III. 19.

[103] Die Wirkungssphären der verbundenen Kräfte von Evolution und Karma sind: (1) die übergeistige oder noumenale; (2) die geistige; (3) die psychische; (4) die astroetherische; (5) die subastrale; (6) die vitale; und (7) die rein physische Sphäre.

[104] Adbhutam, siehe Atharva Veda, X. 105.

[105] Im Hindûtum, wie es von den Orientalisten aus dem Atharva Veda verstanden wird, beziehen sich die drei Rajamsi auf die drei „Schritte“ des Vishnu; sein aufsteigender höherer Schritt wurde nach der höchsten Welt unternommen (A. V., VII. 99, 1; vgl. I. 155, 5). Dies ist der Divo Rajah, oder der „Himmel“, wie sie glauben. Aber es ist außerdem noch etwas anderes im Occultismus. Der Satz pâreshu gûhyeshu vrateshu (vgl. I. 155, 3, und IX. 75, 2, oder wiederum X. 114), im Atharva Veda ist erst zu erklären.

[106] Medical Review, Juli 1844.