Der unparteiische Kritiker möge die zwei Berichte - das Vishnu Purâna und die Bibel - vergleichen, und er wird finden, daß die „sieben Schöpfungen“ des Brahmâ die Grundlage der „Schöpfungswochen“ in der Genesis sind.

Die zwei Allegorien sind verschieden, aber die Systeme sind beide auf ein und demselben Grundsteine aufgebaut. Die Bibel kann nur im Lichte der Kabbalah verstanden werden. Man nehme den Zohar, das „Buch des Verborgenen Geheimnisses“, wie sehr es jetzt auch entstellt ist, und vergleiche. Die sieben Rishis und die vierzehn Manus der sieben Manvantaras gehen aus Brahmâs Haupt hervor; sie sind seine „aus der Seele geborenen Söhne,“ und mit ihnen beginnt die Einteilung der Menschheit in ihre Rassen vom Himmlischen Menschen an, dem geoffenbarten Logos, welcher Brahmâ Prajâpati ist. Bei der Besprechung des „Schädels“ (Hauptes) des Makroprosopus, des Alten [113] (im Sanskrit ist Sanat eine Benennung des Brahmâ) sagt Ha Idra Rabba Qadisha oder die „Größere Heilige Versammlung,“ daß in einem jeden seiner Haare eine Quelle vesteckt ist, die aus seinem verborgenen Gehirn hervorgeht.

Und es scheint und geht aus durch jenes Haar zu dem Haare des Mikroprosopus und aus diesem (welches die geoffenbarte Vierheit, das Tetragrammaton ist) ist sein Gehirn gebildet. Und von da geht jenes Gehirn aus auf dreißig und zwei Pfaden (oder der Dreiheit und der Zweiheit oder wiederum 432).

Und wiederum:

Dreizehn Haarlocken existieren auf der einen Seite und auf der anderen Seite des Schädels (d. i. sechs auf der einen und sechs auf der anderen, während die dreizehnte auch die vierzehnte ist, da sie mannweiblich ist); . . . und durch sie beginnt die Einteilung des Haares (die Einteilung der Dinge, der Menschheit und der Rassen.) [114]

„Wir sind sechs Lichter, welche hervorstrahlen aus einem siebenten (Licht),“ sagt Rabbi Abba; „du bist das siebente Licht“ - die Zusammenfassung von uns allen - fügt er hinzu, und spricht dabei von dem Tetragrammaton und seinen „sieben Genossen,“ welche er die „Augen des Tetragrammaton“ nennt. [115]

Tetragrammaton ist Brahmâ Prajâpati, welcher vier Formen annahm, um vier Arten von oberen Geschöpfen zu schaffen, d. i. sich selbst vierfältigt oder zur geoffenbarten Vierheit machte; [116] darnach wird er wiedergeboren in den sieben Rishis, seinen Mânasaputras, den „aus der Seele geborenen Söhnen,“ welche später neun, einundzwanzig, und so fort, wurden, und welche alle aus verschiedenen Teilen des Brahmâ geboren sein sollen. [117]
Es giebt zwei Tetragrammatons: den Makroprosopus und den Mikroprosopus. Der erste ist das absolute vollkommene Quadrat, oder die Tetraktys innerhalb des Kreises, beides abstrakte Vorstellungen, und wird daher Ain - Nichtsein, d. i. unbegrenzbare oder unbedingte „Seinheit“ - genannt. Wenn er aber als Mikroprosopus oder der Himmlische Mensch, der Geoffenbarte Logos betrachtet, wird, so ist er das Dreieck im Quadrate - der siebenfältige Kubus, nicht der vierfältige oder das ebene Quadrat. Denn es steht geschrieben in der „Größeren Heiligen Versammlung“:

Und deswegen wünschen die Kinder Israels zu fragen in ihren Herzen (zu wissen in ihren Gemütern), gleichwie geschrieben steht, Exodus XVII. 7: „Ist das Tetragrammaton unter uns, oder der Negativ Existierende?“ [118]

- wo sie unterschieden zwischen dem Mikroprosopus, welcher Tetragrammaton genannt wird, und zwischen dem Makroprosopus, welcher Ain, der Negativ-Existierende genannt wird. [119]
Daher ist Tetragrammaton die zur „Vier gemachte Drei und die zur Drei gemachte Vier, und wird auf dieser Erde durch seine sieben „Genossen“ oder „Augen“ repräsentiert - die „sieben Augen des Herrn.“ Mikroprosopus ist im besten Falle nur eine sekundäre geoffenbarte Gottheit. Denn „die Größere Heilige Versammlung“ sagt anderwärts:

Wir haben gelernt, daß es zehn (Rabbis) [Genossen] waren, welche eintraten (in die Versammlung) [in den Sod, die „geheimnisvolle Versammlung oder das Mysterium“], und daß sieben herauskamen [120] [d. i. zehn für das ungeoffenbarte, sieben für das geoffenbarte Weltall].

1158. Und als Rabbi Schimeon die Geheimnisse offenbarte, da fand sich niemand anwesend außer jene [sieben] (Genossen). Und Rabbi Schimeon nannte sie die sieben Augen des Tetragrammaton, sowie es geschrieben steht, Sach. III. 9: „Diese sind die sieben Augen [oder Prinzipien] des Tetragrammaton“ [- d.i. der vielfältige Himmlische Mensch, oder reine Geist ist aufgelöst in dem siebenfältigen Menschen, reinen Stoff und Geist]. [121]

Somit ist die Tetrade der Mikroprosopus, und der letztere ist das männlich-weibliche Chokmah-Binah, die zweite und dritte Sephirah. Das Tetragrammaton ist die wahre Wesenheit der Zahl sieben, in ihrer irdischen Bedeutung. Sieben steht zwischen vier und neun - als Basis und Begründung, astral, unserer physischen Welt und des Menschen, in dem Reiche Malkuth.

Für Christen und Gläubige sollte diese Bezugnahme auf Sacharja und insbesondere auf die Epistel Petri [122] entscheidend sein. In der alten Symbolik wird der „Mensch,“ insbesondere der „Innere Geistige Mensch“ ein „Stein“ genannt. Christus ist der Eckstein, und Petrus bezeichnet alle Menschen als „lebendige“ (lebende) Steine. Daher kann ein „Stein mit sieben Augen“ darauf nur einen Menschen bedeuten, dessen Konstitution (d. i. seine „Prinzipien“) siebenfältig ist.


[113] Brahmâ schafft im ersten Kalpa, oder am ersten Tage, verschiedene „Opfertiere“ (Pashavah), oder die Himmelskörper und die Tierkreiszeichen, und „Pflanzen“, welche er bei Opfern am Beginne des Tretâ Yuga benützt. Die esoterische Bedeutung zeigt, daß er cyklisch vorgeht und astrale Vorbilder auf dem absteigenden geistigen Bogen und dann auf dem aufsteigenden physischen Bogen erschafft. Der letztere ist die Unterteilung einer zweifältigen Schöpfung, untergeteilt wieder in sieben absteigende und sieben aufsteigende Stufen des fallenden Geistes und der aufsteigenden Materie; das umgekehrte davon findet - wie in einem Spiegel, welcher die rechte nach der linken Seite reflektiert -  in diesem unseren Manvantara statt. Es ist esoterisch dasselbe in der elohistischen Genesis (Kap. I), und in der jehovistischen Kopie, sowie in der indischen Kosmogonie.

[114] a. a. O., vv. 70, 71, 80; The Kabbalah Unveiled, S. L. MacGregor Mathers, pp. 120, 121.

[115] „Die Größere Heilige Versammlung“, v. 1160.

[116] Siehe Vishnu Purâna, I. v.

[117] Es ist sehr überraschend, Theologen und Orientalisten ihrem Unwillen Ausdruck geben zu sehen über den „verdorbenen Geschmack“ der indischen Mystiker, welche nicht zufrieden damit, die aus der Seele geborenen Söhne des Brahmâ „erfunden“ zu haben, Rishis, Manus, und Prajâpatis aller Art aus verschiedenen Teilen des Körpers ihres ursprünglichen Vorfahren Brahmâ entspringen lassen. (Siehe Wilsons Fußnote in seinem Vishnu Purâna, I. 102). Weil das gewöhnliche Publikum mit der Kabbalah, dem Schlüssel und dem Wörterbuche zu den dichtverschleierten mosaischen Büchern nicht vertraut ist, deshalb glaubt die Geistlichkeit, daß die Wahrheit niemals herauskommen wird. Möge irgend jemand sich den englischen, hebräischen, oder lateinischen Texten der Kabbalah zuwenden, die jetzt von verschiedenen Gelehrten so trefflich übersetzt ist, und er wird finden, daß das Tetragrammaton , welches das hebräische I H V H ist, auch sowohl der „sephirothische Baum“ ist - d. i.  alle Sephiroth enthält mit Ausnahme von Kether, der Krone - als auch der vereinigte Körper des Himmlischen Menschen (Adam Kadmon), aus dessen Gliedern das Weltall, und alles, was darin ist, emaniert. Ferner wird er finden, daß die Idee in den kabbalistischen Büchern, deren hervorragendste im Zohar das „Buch des verborgenen Geheimnisses“, und die „Größere“ und die „Kleiner Heilige Versammlung“ sind, gänzlich phallisch und viel roher ausgedrückt ist, als der vierfältige Brahmâ in irgend einem der Purânas. (Siehe The Kabbalah Unveiled, von S. L. MacGregor Mathers, Kap. XXII der „Kleinern Heiligen Versammlung“, betreffend die übrigbleibenden Glieder des Mikroprosopus.) Denn dieser „Baum des Lebens“ ist auch der „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“, dessen Hauptgeheimnis jenes der menschlichen Fortpflanzung ist. Die Auffassung, daß die Kabbalah die Geheimnisse des Kosmos oder der Natur erklärt, ist ein Irrtum; sie erklärt und enthüllt nur einige wenige Allegorien in der Bibel, und ist mehr esoterisch, als die letztere.

[118] Vereinfacht in der englischen Bible: „Ist der Herr [!!] unter uns, oder nicht?“

[119] Vers 83; a. a. O., p. 121.

[120] Übersetzer geben das Wort „Genosse“ (Engel, auch Adept) durch „Rabbi“ wieder, geradeso wie die Rishis Gurus genannt werden. Der Zohar ist, wenn möglich, noch occulter als das Buch Mosis; um das „Buch des verborgenen Geheimnisses“ zu lesen, bedarf man der Schlüssel, welche das echte chaldäische Buch der Zahlen liefert, das nicht mehr vorhanden ist.

[121] Verse 1152, 1158, 1159; a. a. O., p.254.

[122] I. Petri, II. 2-5.